Australischer schwarzer Flughund
Bildrechte: Linfa Wang, Duke University

Fledertiere wie der australische Schwarze Flughund haben ein sehr effektives Immunsystem, in dem aggressive Viren entstehen können.

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Immunsystem von Fledermäusen macht Viren gefährlich

Das Coronavirus Sars-CoV-2 stammt vermutlich von Fledermäusen. Auch andere für den Menschen gefährliche Viren haben ihren Ursprung in Fledertieren. Das liegt an ihrem effektiven Immunsystem: Es wehrt die Viren ab, macht sie aber auch aggressiver.

Bewiesen ist es noch nicht, aber sehr wahrscheinlich: Das neuartige Coronavirus Sars-CoV-2 stammt von einem Virus ab, das zunächst nur in Fledermäusen existierte. Über einen Zwischenwirt, möglicherweise das Schuppentier (Pangolin), sprang es dann auf den Menschen über. Auch die Coronaviren, die die Krankheiten SARS und MERS verursachen, wurden von Fledermäusen erst auf andere Tiere und dann auf den Menschen übertragen.

Coronavirus: Alles Wissenswerte finden Sie hier.

Kräftige Viren-Abwehr

Fledertiere wie Fledermäuse und Flughunde tragen Viren in sich, die Menschen gefährlich werden können. Das liegt an den besonders effektiven Abwehrkräften der Tiere. Wissenschaftler der University of California in Berkeley haben in einer Studie herausgefunden, dass das Immunsystem von Fledertieren sehr heftig auf Viren reagiert. Das könnte die Krankheitserreger dazu provozieren, sich schneller zu vervielfältigen. Den Fledermäusen selbst machen diese Viren nichts aus. Wenn sie aber auf Säugetiere mit einem durchschnittlichen Immunsystem überspringen, können sie tödlichen Schaden anrichten.

Flattern treibt den Stoffwechsel an

Fledertiere sind die einzigen Säugetiere, die aktiv fliegen können. Das ist allerdings eine sehr anstrengende Art, sich fortzubewegen: Im Flug kann ihre Stoffwechselrate auf das Doppelte von dem ansteigen, was Nagetiere ähnlicher Größe umsetzen, wenn sie rennen. Im Allgemeinen führen starke körperliche Aktivität und hohe Stoffwechselraten zu mehr Schäden im Gewebe. Verantwortlich dafür ist, dass sich reaktionsfreudige Moleküle, hauptsächlich freier Radikale, im Körper ansammeln. Fledermäuse können diese zerstörerischen Moleküle jedoch anscheinend effizient abbauen. Gleiches gilt für Verbindungen, die bei Entzündungen entstehen. Das erklärt auch die lange Lebenszeit von Fledermäusen. Kleinere Tiere mit höherer Herzfrequenz und schnellerem Stoffwechsel leben typischerweise weniger lang als größere Tiere mit langsamerem Herzschlag und Stoffwechsel. Einige Fledermäuse können jedoch vierzig Jahre alt werden, manche Nagetiere gleicher Größe dagegen nur maximal zwei Jahre.

"Einige Fledermäuse sind in der Lage, diese kraftvolle antivirale Reaktion zu verstärken, sie aber auch mit einer entzündungshemmenden Reaktion auszugleichen. Unser Immunsystem würde bei der gleichen antiviralen Strategie eine umfassende Entzündungsreaktion hervorrufen. Fledermäuse hingegen besitzen anscheinend die einzigartige Fähigkeit, diese Gefahr abzuwehren." Cara Brook, Postdoktorandin Miller Fellow an der University of California, Berkeley, und Erstautorin der Studie

Interferon alarmiert Abwehrkräfte

Ein wichtiger Trick des Immunsystems vieler Fledermäuse ist es, ein Alpha-Interferon freizusetzen. Dieses Protein befiehlt den Zellen, "auf Gefechtsstation" zu gehen, bevor ein Virus eindringen kann. Das belegten Experimente, die Brook mit Zellkulturen der ägyptischen Fruchtfledermaus (Rousettus aegyptiacus) und des australischen schwarzen Flughunds (Pteropus alecto) durchführte. Beide Fledertiere können Wirte gefährlicher Viren sein. Als Kontrolle dienten Zellkulturen eines Affen aus der Gattung Grüne Meerkatze. Die Zellkulturen wurden mit Viren infiziert, die den Erregern von Ebola und Marburgfieber ähneln. Die Zelllinien des Affen wurden schnell von den Viren überwältigt und abgetötet. Bei den Zellen der Fledermäuse wurde durch die Interferon-Reaktion die Infektion jedoch zum Teil verhindert oder verzögert.

Viren nutzen Zwischenwirt

Viele der Fledermausviren springen über einen Zwischenwirt auf den Menschen über. Bei SARS waren es vermutlich Schleichkatzen aus der Art der Larvenroller, bei MERS Kamele. Das Ebola-Virus stammt von Gorillas und Schimpansen, das Nipah-Virus von Schweinen, das Hendra-Virus von Pferden und das Marburg-Virus von Grünen Meerkatzen. Trotz dieser Zwischenstationen bleiben diese Viren beim endgültigen Sprung auf den Menschen äußerst virulent und tödlich. Fledertiere bieten Viren darüber hinaus gute Bedingungen für die Verbreitung: Manche Arten leben in sehr großen Gruppen zusammen, in denen Viren leicht übertragen werden. Die Tiere können zudem sehr mobil sein und die Krankheitserreger über weite Strecken transportieren.

Bedrohter Lebensraum erhöht Gefahr für Zoonosen

Die Fledertiere sind jedoch nicht für ihr effektives Immunsystem verantwortlich und auch nicht für die aggressiven Viren, die in ihnen entstehen. Der Mensch nimmt hingegen Einfluss auf die Bedingungen, ob diese Krankheitserreger auf andere Tierarten überspringen. Die Wahrscheinlichkeit für eine Infektion wächst, wenn der Mensch die Fledertiere und ihren Lebensraum stört.

Die Forscher in Berkeley stellten fest, dass die Fledermäuse in diesem Fall mehr Viren in Speichel, Urin und Kot abgeben, die dann andere Tiere infizieren können. Eine Übertragung wird auch wahrscheinlicher, wenn der Lebensraum immer kleiner wird. Die Artenvielfalt sinkt und die verbliebenen Tiere begegnen sich im geschrumpften Gebiet häufiger. Die Viren haben dann häufiger Gelegenheit, die Artenschranke zu überwinden. Wildtiere, die wenig Platz haben, begegnen auch häufiger Menschen. Wenn zudem Wildtiere auf Märkten dicht an dicht feilgeboten und verzehrt werden, haben Viren leicht die Möglichkeit, auf den Menschen überzuspringen und Zoonosen, also Infektionskrankheiten zwischen Tier und Mensch, auszulösen.

Einheimische Fledermäuse tragen keine Coronaviren

Fledermäuse hatten bereits vor dem neuartigen Coronavirus einen zweifelhaften Ruf. Es besteht jedoch kein Grund, sie als Brutstätte gefährlicher Viren zu verunglimpfen. Die einheimischen Fledermäuse tragen keine Coronaviren in sich und verdienen Schutz, da alle Arten, die in Deutschland leben, bedroht sind.

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