Die Viagra-Pille von Pfizer (links) und die generische Variante des Tochterunternehmens Greenstone "sildenafil citrate" liegen auf einem Tisch in der Zentrale des US-Pharmaunternehmens Pfizer.
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Ob das Original von Pfizer (links) oder ein Generikum: Ein Expertengremium entscheidet derzeit, ob Potenzpillen künftig rezeptfrei zu haben sind.

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Gibt es das Potenzmittel Viagra bald ohne Rezept?

Vielleicht kann künftig jeder Viagra und andere Potenzmittel in der Apotheke kaufen. Experten befassen sich derzeit zumindest mit dieser Frage. Der Ausgang ist offen. Doch was hätte das für Folgen? Über Vor-und Nachteile einer Rezeptbefreiung.

Vor knapp 25 Jahren schrieb das US-Unternehmen Pfizer mit der blauen Pille Medizingeschichte. Am 1. April 1998 kam die Potenzpille Viagra in den USA auf den Markt. Ab Oktober desselben Jahres war das Medikament auch in Deutschland zu haben. Weitere Potenzmittel folgten.

Bislang sind die Arzneien, die Männern mit Erektionsstörungen helfen sollen, in Deutschland verschreibungspflichtig. Das könnte sich bald ändern. Ein Expertengremium am Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) in Bonn berät derzeit darüber, ob die Rezeptpflicht für den Wirkstoff Sildenafil, der in vielen Potenzmitteln enthalten ist, aufgehoben werden soll. Noch ist nicht abzusehen, wie die Entscheidung ausfällt. Doch so oder so gibt es Vor- und Nachteile.

Größter Vorteil der Rezeptbefreiung: kein Schwarzmarkt mehr

Immer noch ist für viele Männer mit Erektionsstörungen der Gang zum Arzt oder zur Apotheke peinlich. Sie wählen deshalb einen anderen Weg, um an potenzsteigernde Medikamente zu gelangen: das Internet. Und genau hier liegt das Problem.

"Wir haben vor einigen Jahren eine Studie gemacht, da haben wir 22 Produkte, die man im Internet frei bestellen kann, untersucht und festgestellt, dass bei über 80 Prozent nicht das drin war, was angegeben war. Wir hatten zum Beispiel eine Gruppe, da war die Dosis viermal so hoch", sagt Frank Sommer, seit 2005 Deutschlands erster Professor für Männergesundheit, in einem Interview mit der Deutschen Presseagentur. Wenn man das regelmäßig einnehme, so Sommer, habe man ein sehr hohes Risiko für Herzschädigungen. Zudem stellten die Wissenschaftler Verunreinigungen etwa mit Schwermetallen fest. Ein Wegfall der Verschreibungspflicht des Wirkstoffs Sildenafil, über den die Experten am BfArm jetzt entscheiden, würde solchen illegalen Geschäften den Boden entziehen - für Experte Sommer der größte Vorteil einer Aufhebung der Rezeptpflicht für Viagra und alle anderen sildenafilhaltigen Potenzmittel.

Nachteil: Ursachen der Erektionsstörungen werden nicht untersucht

Es gäbe aber auch Nachteile einer Rezeptbefreiung. "Eine Erektionsstörung ist, wenn sie gefäßbedingt ist, Vorbote eines Herzinfarkts oder Schlaganfalls", erklärt der Mediziner. Bei einer Untersuchung könne dies schon etwa acht Jahre vorher festgestellt werden. Da bliebe laut Sommer "noch Zeit gegenzusteuern". Zeit die fehlt, wenn der Arztbesuch nicht stattfindet.

Ein weiterer Nachteil ist: Wird die Grunderkrankung nicht richtig behandelt, verschlimmert sich die Erektionsstörung. Für Erektionsstörungen gebe es viele Ursachen, sagt Sommer. "Da können Nerven geschädigt sein, die Infrastruktur des Penis, die Blutgefäße, die zum Penis führen." Das herauszufinden, dauere "bis zu drei Stunden". "Wenn das aber nicht geschieht, verschlimmert sich das Leiden immer weiter", so der Sexualmediziner. Bis Männer zum Arzt gehen, "ist es für eine Heilung oft zu spät".

Risiko: Unverträglichkeiten mit anderen Medikamenten

Wird der in den Potenzmitteln enthaltene Wirkstoff Sildenafil ohne vorherige ärztliche Aufklärung eingenommen, kann das fatale Folgen haben. Etwa für diejenigen Patienten, die schon Herzmedikamente einnehmen. "Es gibt Herzmedikamente, die Nitrate haben", erklärt Sommer. Wenn diese gemeinsam mit Sildenafil eingenommen würden, könne ein zum Tod führender sogenannter hypotoner Schock die Folge sein.

Viagra & Co. - Wem es hilft und wem es schadet

Die positive Wirkung des Wirkstoffs Sildenafil für Männer mit Erektionsstörungen wurde eher zufällig entdeckt. Ursprünglich war der Wirkstoff zur Behandlung von Patienten mit Herzproblemen vorgesehen.

Die Wirkweise von Sildenafil: Sildenafil erhöht die Konzentration von Guanosinmonophosphat in den Körperzellen, was die Blutgefäße erweitert. Der Corpus Cavernosum (Schwellkörper) entspannt sich, Blut strömt ein - und der Mann, der Sildenafil eingenommen hat, bekommt eine Erektion. Männern, die an einer Erektionsstörung leiden, kann der Wirkstoff daher helfen.

Sildenafil hat aber auch einige Nebenwirkungen. So können nach der Einnahme insbesondere Kopf- und Magenschmerzen sowie Gesichtsrötungen, eine verstopfte Nase und Sehstörungen auftreten.

Der Berufsverband Deutscher Internistinnen und Internisten weist außerdem darauf hin, dass Medikamente mit dem Wirkstoff Sildenafil bei folgenden Erkrankungen nicht eingenommen werden dürfen:

  • bei schweren Herzkreislauferkrankungen
  • direkt nach einem Herzinfarkt
  • einem weniger als sechs Monate zurückliegendem Schlaganfall sowie
  • starken Leberfunktionsstörungen
  • sowie bei Einnahme von Nitraten, einem Notfallmedikament bei Angina pectoris und bei der Einnahme von bestimmten anderen blutdrucksenkenden Substanzen.

Bei einer Reihe von Erkrankungen darf der Wirkstoff nur eingeschränkt eingenommen werden. Dazu gehören:

  • schwere Nierenfunktionsstörungen
  • Blutgerinnungsstörungen
  • sowie einige Peniserkrankungen- und Fehlbildungen.

Rezeptfrei oder nicht - Wer entscheidet und was hat es für Folgen?

Der Sachverständigenausschuss für Verschreibungspflicht, der derzeit über die Rezeptpflicht des Wirkstoffs Sildenafil berät, ist mit mehr als 20 externen Mitgliedern besetzt, darunter Pharmazeuten, Mediziner, eine Heilpraktikerin sowie Vertreter der jeweiligen Arzneimittelkommissionen von Ärzteschaft, Apothekern und Tierärzten. Das Votum hat formal Empfehlungscharakter. Das Bundesgesundheitsministerium kann davon abweichen, folgt dem aber in der Regel. Der Ausschuss kann aber auch ein Thema vertagen, wenn weitere Daten notwendig sind. Wirksam ist die Entscheidung erst mit Veröffentlichung im Bundesgesetzblatt.

Unter anderem in Großbritannien, der Schweiz und Norwegen ist Sildenafil bereits nicht mehr verschreibungspflichtig.

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