Eine Frau hält sich eine Wärmflasche an den Bauch.
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Endometriose – unerkannt und unterschätzt

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Endometriose – unerkannt und unterschätzt

Endometriose ist eine der häufigsten Unterleibserkrankungen bei Frauen. Dabei handelt es sich um Wucherungen von Gewebe im Bauchraum, sogenannte Endometriose-Herde. Bis es zur Diagnose kommt, vergehen oft mehrere Jahre.

Über dieses Thema berichtet: Das Gesundheitsmagazin am .

Endometriose zählt zu den häufigsten gynäkologischen Erkrankungen, etwa jede zehnte Frau ist betroffen. Dennoch dauert die Diagnose durchschnittlich sechs bis acht Jahre, in denen Betroffene meist unter starken Menstruationsschmerzen leiden. "Ich muss echt sagen, die Endometriose hat mir viele meiner schönsten Jahre und Momente genommen", sagt Anne-Kathrin Dalemans. 19 Jahre blieb ihre Erkrankung unentdeckt, bis sie vor fünf Jahren die Diagnose erhalten hat.

Noch heute lebt sie jeden Tag mit Schmerzen. "Das Problem ist, dass wir Frauen einfach oft nicht ernst genommen werden. Ich habe da so Sätze im Ohr wie 'Bei manchen ist das so, manche haben halt ein stärkeres Schmerzempfinden' – und das ist ein riesiges Problem."

Symptome der Endometriose

Bei einer Endometriose wächst Gewebe, ähnlich der Gebärmutterschleimhaut, frei im Bauchraum. Diese Gewebsinseln werden "Endometriose-Herde" genannt. Sie können an Bauchfell, aber auch Organen wie Blase und Darm wuchern.

Sie wachsen während des Monatszyklus wie die Gebärmutterschleimhaut. Weil sie bei jeder Menstruation mitbluten, dieses Blut jedoch im Unterschied zur Monatsblutung nicht abfließen kann, bilden sich Blutzysten, Entzündungen und Verklebungen. Die Herde können vorkommen, ohne dass die Frau etwas davon bemerkt. In vielen Fällen sorgen sie aber für starke Schmerzen, sodass viele Betroffene in ihrem Alltag eingeschränkt sind.

Endometriose kann zu Unfruchtbarkeit führen, muss aber nicht

"Endometriose wird auch als das Chamäleon der Gynäkologie bezeichnet und das mit gutem Grund", meint Anne-Kathrin Dalemans. Denn die chronische Erkrankung ist schwer zu erkennen, zusätzlich kommen unterschiedliche Symptome und Schweregrade vor. Neben starken zählen chronische Menstruationsschmerzen, Bauchschmerzen, starke Erschöpfung, Schmerzen beim Geschlechtsverkehr, Übelkeit und Erbrechen zu den typischen Symptomen.

Eine besonders schwerwiegende Begleiterscheinung kann die Unfruchtbarkeit sein. Grund dafür sind die Endometriose-Herde, die auch auf Eierstöcken und Eileitern sitzen können. Häufig wird die Erkrankung erst bei der Suche nach der Ursache des unerfüllten Kinderwunsches entdeckt. Laut Schätzungen könnte bei 40 bis 60 Prozent der Frauen, die nicht schwanger werden, Endometriose die Ursache sein.

Großer Bedarf an Forschung und Aufklärung

Wie das Gewebe an die verschiedenen Stellen im Körper gelangt, ist bis heute unklar, jedoch werden verschiedene Hypothesen diskutiert. Beispielsweise könnte es eine genetische Komponente geben, denn in manchen Fällen tritt Endometriose innerhalb von Familien gehäuft auf. "Meine Mama und meine Oma hatten auch immer so starke Schmerzen, deshalb bin ich damit aufgewachsen, dass das bei manchen Frauen eben so ist", erzählt Anne-Kathrin Dalemans.

Doch trotz ihrer Häufigkeit ist die Krankheit noch weitgehend unerforscht. Erst in den letzten Jahren hat Endometriose mehr Aufmerksamkeit gefunden und der Nachholbedarf an Wissen ist immer noch groß, meint Professor Sebastian Häusler. Er ist leitender Facharzt für Gynäkologie und Geburtshilfe am Krankenhaus Barmherzige Brüder und der Klinik St. Hedwig in Regensburg: "Das Wichtigste ist, dass Endometriose präsenter wird. Die Hälfte der Sprechstunde in der Gynäkologie machen Patientinnen mit chronischen Unterbauchschmerzen aus. Da begreift man, welchen Umfang Endometriose hat. Ich wünsche mir, dass mehr Ärzte daran denken, dass es diese Erkrankung gibt. So könnte vielen Frauen früher geholfen werden."

Hoffnung macht ein neuer Speichel-Test, der die Früherkennung von Endometriose erleichtern soll. Er ist nicht-invasiv und damit risikofrei, aber seine Wirksamkeit ist noch umstritten. Zudem sind die Kosten hoch, denn die gesetzlichen Krankenkassen übernehmen sie derzeit nicht.

Behandlung mit Hormonen oder Operation

Bisher wird die Endometriose entweder hormonell oder operativ behandelt. Die Hormone verhindern, dass die Herde weiter wachsen und lindern somit in den meisten Fällen die Beschwerden. Doch gerade für Betroffene mit Kinderwunsch eignet sich eine hormonelle Therapie nur bedingt. Bei einem operativen Eingriff – einer Bauchspiegelung – werden die Endometriose-Herde erkannt und minimalinvasiv entfernt. Doch auch wenn die Schmerzen dadurch vorerst gelindert werden oder sogar ganz verschwinden, können Endometriose-Herde nachwachsen.

Die 37-jährige Anne-Kathrin Dalemans beispielsweise hatte schon fünf solcher Operationen. "Eine absolute Gewissheit, von der Endometriose geheilt zu sein, gibt es leider nicht", sagt Gynäkologe Häusler. Deshalb greifen viele der Patientinnen zu hochdosierten Schmerztabletten, wie Anne-Kathrin Dalemans: "Seit meiner ersten Menstruation musste ich immer Schmerzmittel nehmen – ohne habe ich nicht funktioniert. Das ist heute immer noch so."

Ist Endometriose gefährlich?

Wissenschaftlich umstritten ist, ob Endometriose die Ursache für andere Erkrankungen sein kann. Der Regensburger Gynäkologe Häusler meint dazu: "Endometriose ist noch lange nicht in dem Bereich, wo es bösartig wird. Aber das Risiko an Krebs generell zu erkranken, ist bei Endometriose-Patientinnen ein ganz klein bisschen erhöht. Für die Einzelpatientin mag das statistisch gesehen keine Rolle spielen, aber sobald man die Gesamtzahl der Patientinnen betrachtet, ist da durchaus eine Erhöhung zu beobachten."

Bewegung und Ernährung im Alltag

Endometriose-Patientin Anne-Kathrin Dalemans hat beobachtet, dass sie wegen der Schmerzen extrem verspannt ist und nicht komplett abschalten kann. "Mir hilft dann manchmal eine Badewanne, leichte Yoga-Übungen wie im Yin-Yoga, Atemübungen und auch eine Schmerzmeditation." Ärztinnen überweisen Patientinnen auch immer wieder zu manuellen Therapien wie der Osteoptahie; die Kosten dafür werden aber meist nicht von den gesetzlichen Krankenkassen übernommen.

Auch Ernährung kann die Schmerzen beeinflussen. Anne-Kathrin Dalemans wurde eine entzündungshemmende Ernährung empfohlen: "Das heißt generell versuchen, sich eher basisch zu ernähren und eben auf Dinge wie viel Weizen, Milchprodukte usw. zu verzichten." Andere Betroffene erleben damit aber keine Besserung der Beschwerden.

In den meisten größeren Städten Bayerns gibt es Endometriose-Selbsthilfegruppen. Im Jahr 2021 hat Karin Arenz mit drei weiteren Frauen den Endometriose-Treff Augsburg gegründet: "Ich habe mich nach der Operation sehr allein gelassen gefühlt, mit meinen Fragen und Ängsten und Sorgen und habe da einfach den Bedarf erkannt hier in der Region. Dann haben wir uns zusammengetan und die Gruppe gegründet. Die Frauen sind sehr erleichtert, dass es jetzt endlich was gibt in der Region. Unsere Mitgliederzahl wächst stetig."

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