Ein Elefant mit erhobenem Rüssel steht im Kruger National Park im Wasser.
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Elefanten erkranken selten an Krebs. Das ist schön für die Elefanten, aber warum ist das so?

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Darum erkranken Elefanten selten an Krebs

Elefanten sind große Tiere und leben lange. Eigentlich müsste ihr Krebsrisiko gegenüber kleineren Tieren mit kürzeren Lebensspannen erhöht sein. Ist es aber nicht. Forscher fangen nun an, die Mechanismen der Krebsabwehr bei Elefanten zu verstehen.

Petos Paradoxon mag sich zunächst nach einem altgriechisch angehauchten philosophischen Überbleibsel anhören. Tatsächlich aber handelt es sich dabei um einen aktuellen Forschungsgegenstand der Krebsforschung. Petos Paradoxon, benannt nach dem noch lebenden britischen Wissenschaftler Richard Peto, geht so: Ein Krebstumor wächst, wenn sich einzelne Zellen zu schnell teilen und reproduzieren. Lebt nun ein Organismus ziemlich lange, dann hätte jede einzelne Zelle mehr Zeit, genau das zu tun. Und ist ein Organismus ziemlich groß, dann verfügt er auch über mehr Zellen, die prinzipiell mutieren könnten, um zu einem Tumor heranzuwachsen.

Das würde aber bedeuteten, dass große, langlebige Organismen erheblich häufiger an Krebs erkranken sollten als kleine. Tun sie aber nicht. Wieso nicht?

Von der Maus über den Menschen zum Elefanten

Als Beispiel nehme man Maus und Mensch. Ein durchschnittlicher Mensch lebt rund fünfzigmal länger als eine durchschnittliche Maus und hat rund 3000-mal mehr Zellen. Aber die Wahrscheinlichkeit, an Krebs zu erkranken, ist für Maus und Mensch ungefähr gleich groß. Tatsächlich beträgt die Wahrscheinlichkeit, an Krebs zu erkranken, bei den meisten Säugetieren ungefähr ein bis zehn Prozent – egal, wie groß sie sind und wie lange sie leben. Das gilt auch für Elefanten, die nochmal ein gutes Stück größer sind als ein durchschnittlicher Mensch und über eine lange Lebensspanne verfügen.

Warum ist die Krebswahrscheinlichkeit bei Elefanten nicht erhöht?

Es gibt viele verschiedene Vorschläge, um Petos Paradoxon zu lösen – und vielleicht treffen unterschiedliche Vorschläge auf unterschiedliche Arten zu. Im Fall von Elefanten gibt es Hinweise darauf, dass sie das Problem dadurch lösen, dass ihre Zellen mehr Verteidigungsstrategien gegen Zellwucherung parat haben, zum Beispiel Tumorsuppressorgene. Diese Gene sorgen dafür, dass sich Krebstumore überhaupt nicht erst entwickeln können.

Tumorsuppressorgene bei Elefanten

Bereits vor einigen Jahren haben Wissenschaftler herausgefunden, dass Elefanten über mehr Kopien eines bestimmten Gens verfügen als Menschen: Vom Tumorsuppressorgen TP53 haben Menschen nur eine Kopie und Elefanten ganze 20. Diese extra Kopien könnten dafür sorgen, dass Schäden in einer Elefanten-Zelle leichter entdeckt werden. Die beschädigte Zelle, die vielleicht zu einer Krebszelle mutieren könnte, könnte so viel schneller durch Selbstzerstörungsmechanismen unschädlich gemacht werden, als das bei einer menschlichen Zelle der Fall wäre.

Aber ein einzelnes Gen kann nie alles erklären, vor allem nicht bei so einer komplexen Angelegenheit wie Krebs. Und es gibt auch noch mehr Tumorsuppressorgene als TP53. Und wie schaut es überhaupt im Familienstammbaum der Elefanten aus, bei ihren evolutionsgeschichtlichen Verwandten?

Riesige Elefanten und winzige Goldmulle: die Überordnung der Afrotheria

Für die Verwandtschaft der Elefanten interessierten sich der Biologe Victor Lnych von der University of Buffalo und Juan Manuel Vazquez von der University of California, Berkeley und beschreiben die Ergebnisse ihrer Forschung in einem Fachartikel, der im Journal „eLife“ erschienen ist. Elefanten gehören der Überordnung der Afrotheria an. Diese Überordnung umfasst 88 Arten und wirkt fast ein bisschen komisch. Denn die meisten ihrer Vertreter sind klein: Goldmulle beispielsweise, oder Rüsselspringer, die auf dem afrikanischen Kontinent beheimatet sind. Auch Klippschliefer gehören dazu. Vom Aussehen erinnern sie an Meerschweinchen, das Männchen wird etwa fünfzig Zentimeter groß. Der Afrikanische Elefant kann hingegen bis zu fünf Tonnen wiegen.

Auf der Suche nach Krebsabwehr im Elefantengenom

Lynch und Vazquez untersuchten nun das gesamte Elefantengenom, also das Erbgut, daraufhin, ob Elefanten verglichen mit ihren Verwandten besonders viele Kopien von Tumorsuppressorgenen haben. So fanden sie heraus, dass Elefanten nicht nur über besonders viele Kopien des Tumorsuppressorgens TP53 verfügen, sondern dass es sich dabei um einen Trend handelt: Auch von anderen bekannten Tumorsuppressorgenen liegen bei ihnen mehr Kopien im Erbgut vor.

Auch das ist nicht das ganze Bild. Denn auch die kleineren Verwandten der Elefanten verfügen über mehr Kopien derartiger Gene. Die Daten zeigen, dass diese Art von genetischen Kopien in der ganzen Überordnung der Afrotheria ziemlich üblich ist, auch bei den kleinen Vertretern.

Besonderheiten im Erbgut von Elefanten – die Lösung für Petos Paradoxon?

Andererseits fanden Lynch und Vazqez auch einige genetische Besonderheiten bei Elefanten und ihren ausgestorbenen Verwandten wie dem ebenfalls riesigen Wollnashorn. In ihrem Erbgut fanden sich auch noch weitere Kopien von Genen, die wohl mit der Zellgesundheit, der DNA-Reparatur, dem Altern und dem Tod von Zellen allgemein zusammenhängen. Die Forscher spekulieren, dass diese Tendenz den Elefanten und ihren riesigen Verwandten einerseits überhaupt erst ermöglicht haben könnte, so riesig zu werden, ohne dabei ein erhöhtes Krebsrisko einzugehen.

Somit können auch die Elefanten Petos Paradoxon nicht komplett lösen. Aber für die Rüsseltiere wird immer klarer, dass sie in ihrer Evolutionsgeschichte wohl ein komplexes Arsenal an Abwehrmechanismen gegen Krebs entwickelt haben, um sich ihre Größe und Langlebigkeit leisten zu können.

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