Der erste deutsche Forschungssatellit Azur (künstlerische Darstellung)
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Der erste deutsche Forschungssatellit Azur startete am 8. November 1969 ins All.

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Azur - Der Start des ersten deutschen Satelliten vor 50 Jahren

Im Jahr 1969 landeten die ersten NASA-Astronauten auf dem Mond. Nur wenige Monate später gab es auch für die deutsche Raumfahrt einen epochalen Durchbruch: Vor 50 Jahren, am 8. November 1969, startete Azur, der erste deutsche Satellit, ins All.

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Mitte der 1960er-Jahre hatten bereits die Sowjetunion, die USA, Großbritannien, Italien, Frankreich, Kanada, Japan und Australien Satelliten ins All geschossen. Auch die Bundesrepublik Deutschland wollte zu den Raumfahrer-Staaten gehören und steckte rund 80 Millionen D-Mark in die Entwicklung ihres ersten Forschungssatelliten und des Bodensystems. Partner waren die USA. Sie übernahmen die Kosten für die Trägerrakete, den Start und die Bahnverfolgung durch die NASA-Bodenstationen.

Laut des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt DLR war Azur rund 70 Kilogramm schwer, 1,23 Meter hoch und hatte einen Durchmesser von bis zu 76 Zentimetern. Zunächst hieß er German Research Satellite-1 (GRS-1), doch "weil die Solarpanele so schön bläulich schimmerten, bekam er den Namen Azur", sagt Hubertus Wanke, der damals im Deutschen Raumfahrtkontrollzentrum (German Space Operations Center, GSOC) in Oberpfaffenhofen für die Datenkontrolle zuständig war.

Erforschung von kosmischer Strahlung und Polarlichtern

Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts für Extraterrestrische Physik und mehrerer Hochschulen wollten mit dem Satelliten unter anderem die kosmische Strahlung erforschen und ihre Wechselwirkung mit der Magnetosphäre, speziell des inneren Van-Allen-Gürtels. Auch über Polarlichter und die Änderung des Sonnenwindes bei Sonneneruptionen wollten die Wissenschaftler mehr erfahren. Mehr als hundert Experimente wurden vorgeschlagen, sieben davon schafften es in die Mission.

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Montage des Forschungssatelliten Azur im Integrationsraum

Kabelbrand verzögert Start

Ursprünglich war der Start von Azur schon für die Nacht zum 7. November 1969 geplant. Eine Rakete vom Typ Scout-B sollte Azur vom kalifornischen Vandenberg ins Weltall bringen. In Oberpfaffenhofen war eine Live-Übertragung für geladene Gäste und die Presse geplant, inklusive Vorträgen und Buffet. Doch ein Kabelbrand am Check-out-Gerät des Satelliten stoppte die Startvorbereitungen. Der Countdown wurde abgebrochen und der Start um 24 Stunden verschoben. "Zum Trost für die Gäste wurde das Buffet trotzdem freigegeben", heißt es in der DLR-Chronik. So startete die Trägerrakete erst am 8. November 1969 um 2.52 Uhr mitteleuropäischer Zeit mit Azur an Bord ins All.

Azur sendet zuerst nach Bayern

Eigentlich sollte eine NASA-Bodenstation in Alaska den ersten Kontakt zu Azur aufnehmen und die Einschaltprozeduren durchführen. Doch dies scheiterte an technischen Problemen. Auch bei der nächsten Station in England funktionierte die Datenübertragung nicht. So rückte plötzlich Bayern in den Fokus: Die Zentralstation des Deutschen Bodensystems in Weilheim in Oberbayern übernahm nach einer Eilentscheidung der Projektleiter die Kontaktaufnahme mit Azur und übertrug die empfangenen Daten nach Oberpfaffenhofen.

"Das hatte in der Testphase nie so gut geklappt. Aber da hat sich der Bildschirm schlagartig mit grünen Daten gefüllt. Das war unglaublich." Hubertus Wanke, damals im Deutschen Raumfahrtkontrollzentrum in Oberpfaffenhofen

Allerdings war gar nicht vorgesehen, dass Rohdaten von Bayern aus an die NASA gehen. Die Ingenieure fanden eine Lösung: Sie zogen den Lochstreifen aus dem Zentralrechner vom Rechnerraum über den Gang zum Kontrollzentrum, um die Daten per Fernschreiber an die NASA zu übertragen. Den Applaus dort konnten die Deutschen über ihre Kopfhörer hören.

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Überwachung der Azur-Mission im Deutschen Raumfahrt-Kontrollzentrum in Oberpfaffenhofen.

Azur kreiste in einer Bahnhöhe von 383 bis 3.219 Kilometern um die Erde. Allerdings hatte der Satellit mit Störsignalen zu kämpfen. Betriebszustand und Messprogramme wurden deshalb umgeschaltet. Diese Probleme konnten die Techniker in Oberpfaffenhofen zwar beheben, doch während des 379. Umlaufs, fünf Wochen nach dem Start, fiel das Magnetband-Speichergerät aus. Von diesem Moment an waren Messwerte und Kontrolldaten nur noch in Echtzeit zu empfangen. Dafür musste in Windeseile das Netz an Bodenstationen erweitert werden. Eine kam zum Beispiel in Brasilien hinzu. Der gelieferte Datenstrom schrumpfte auf rund 80 Prozent der erhofften Menge.

Azur-Mission endet früher als vorgesehen

Am 29. Juni 1970 brach die Verbindung zu Azur dann aus ungeklärten Gründen ganz ab. Dabei hätte der Satellit mindestens ein Jahr lang Daten sammeln sollen. Politik, Forschung und Industrie werteten die Mission laut DLR dennoch als großen Erfolg. Azur blieb inaktiv und umkreist die Erde bis heute. Inzwischen hat er es auf über 37.000 Erdumrundungen gebracht. Seine Umlaufbahn wird nach wie vor erfasst: Derzeit schwankt der Abstand zur Erde zwischen 356 und 1.246 Kilometern.

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Konzentrierte Arbeit im Deutschen Raumfahrt-Kontrollzentrum während der Azur-Mission.

Forschungssatellit Azur
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Forschungssatellit Azur - Einstieg in die Weltraumforschung für die BRD

Weitere Sendungen:

  • Rundschau, 08.11.2019, 16.00 Uhr im BR Fernsehen