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Viele Air-Berlin-Mitarbeiter zögern mit Arbeitslosen-Meldung

Viele Air-Berlin-Mitarbeiter zögern mit Arbeitslosen-Meldung

Bei vielen Air-Berlinern ist die Unsicherheit groß. Sie befürchten Nachteile im Kündigungsschutzverfahren, wenn sie sich arbeitslos melden. Von Katharina Adami

Über dieses Thema berichtet: mehr/wert am .

 

Als am 28. Oktober die letzte Air Berlin Maschine in Berlin Tegel landete waren bei den 240 Beschäftigten der Technik-Tochter am Flughafen München die Befürchtungen groß. Zu ungewiss ist die Zukunft ihrer Arbeitsplätze:

Sie stört dass man hauptsächlich über die Flieger und über Slots spricht, aber nicht, was noch im Hintergrund läuft, zum Beispiel bei den Mitarbeitern der Air Berlin Technik, wo viele Familienschicksale mit dranhängen, wo man nicht weiß, wie es weitergeht. Drei Monate lang erhielten die Beschäftigten Insolvenzgeld von der Arbeitsagentur – etwa in Höhe ihres Gehalts. Denn die Firma hatte Insolvenz erklärt, der Betrieb lief weiter. Jetzt aber müsste Air Berlin ihre Mitarbeiter weiter bezahlen, denn sie hat ihnen noch nicht gekündigt. Doch die Muttergesellschaft hat dafür wohl nicht genug Geld.

Keine Nachteile für Kündigungsschutzklagen

Deshalb hat die Bundesagentur für Arbeit Alarm geschlagen: Zu wenige der Mitarbeiter waren bisher bei den Arbeitsagenturen. Und für jeden Tag, den sie sich nicht melden, verlieren sie den Anspruch auf Arbeitslosengeld samt Sozialversicherung.Von den Air-Berlin-Mitarbeitern, die sich arbeitslos melden könnten, hat das bislang nur ein Drittel getan. Das geht aus den jüngsten Zahl der Bundesagentur für Arbeit hervor. Demnach haben sich bis Dienstag 424 Angestellte der insolventen Fluggesellschaft arbeitslos gemeldet, davon 320 in Berlin, sagte der Leiter der Arbeitsagentur Berlin Nord, Christoph Möller, am Donnerstag. Noch immer herrsche Unsicherheit bei den Betroffenen, sagte Möller. Er stellte klar, dass sich auch Air-Berlin-Beschäftigte, die nur freigestellt, aber noch nicht gekündigt worden seien, arbeitslos melden könnten. Dies gelte bundesweit bei allen Arbeitsagenturen. Durch die Beantragung von Arbeitslosengeld verlieren sie nicht die Möglichkeit, eine Kündigungsschutzklage erheben zu können, so die Personalvertretung Kabine von Air Berlin.Das Arbeitslosengeld beträgt in der Regel 60-67% des Nettolohns,es wird je nach Alter für maximal 1 bis 2 Jahre gezahlt.Danach gibt es nur noch Hartz IV.

Aussichten für Piloten und Flugbegleiter besser

Die Aussichten auf einen neuen Arbeitsplatz für die 8000 Beschäftigten von Air Berlin sind unterschiedlich. Während Piloten und Flugbegleiter auf dem Arbeitsmarkt ganz gute Chancen haben dürften, sieht es für die Beschäftigten aus der Verwaltung und der Techniksparte schlechter aus. Easyjet will Flugzeuge von Air Berlin kaufen, und Mitarbeiter einstellen. Ebenso die Lufthansa, die für ihre Tochter Eurowings schon Neueinstellungen zugesagt hat. Insgesamt über 4000 Air Berliner, vor allem Piloten und Flugbegleiter, könnten so unterkommen, allerdings: Viele davon müssten sich neu bewerben - und da drohen Gehaltseinbußen. Mit einem Schreiben informierte Air Berlin weitere knapp 2.000 Mitarbeiter: Sie können in Transfergesellschaften wechseln.

Dort qualifiziert man sie ein halbes Jahr lang für neue Jobs. Dabei erhalten sie einen Lohn mindestens in Höhe des Arbeitslosengelds. Aber: sie sind nicht arbeitslos. Der Bezug von Arbeitslosengeld wird hinausgeschoben. Sie haben also länger Zeit, um einen Job zu finden, bevor Hartz IV droht. Die Gewerkschaft Verdi meint: Ein wichtiger Zeitpuffer, auch für die Air Berlin Techniker am Flughafen München. Doch für die ist, anders als in dem internen Schreiben zu lesen, eine Transfergesellschaft noch nicht gelungen.

"Wir halten es für durchaus befremdlich, dass die Mitarbeiter schon eine Information bekommen, wo drinsteht, sie könnten sich irgendwo bewerben, ohne dass die Verhandlungen dazu zur Übernahme in eine andere Firma überhaupt abgeschlossen sind. Das nenne ich mal zu weit gesprungen, und zwar deutlich zu früh." Hans Sterr, verdi Bayern

Wie es mit den Beschäftigten von Air Berlin Technik am Münchner Flughafen weitergeht, steht also noch in den Sternen.

Höhere Ticketpreise ?

Die Lufthansa und ihre Tochter Eurowings decken bereits heute über 70 Prozent der innerdeutschen Flüge ab. Und die Erfahrung zeigt: Ohne Konkurrenz wird es teurer.

Wie früher auf den Strecken München-Münster und Frankfurt-Hamburg. Nach dem Ausstieg von Air Berlin erhöhte die Lufthansa die Ticketpreise deutlich – um durchschnittlich 40-60 Prozent.

Deshalb setzen Fachleute ihre Hoffnung jetzt auf Easyjet.

„Den Einstieg von Easyjet begrüßen wir, das ist ein etablierter Anbieter auf dem Markt in Europa, der auch bei Geschäftsreisen schon sehr bekannt ist, in Deutschland vielleicht noch nicht so sehr, aber alles was den Wettbewerb fördert, wird auch dafür sorgen, dass die Preise stabil bleiben." Christoph Carnier, Verband Deutsches Reisemanagement e.V.

Zunächst müssen allerdings die Kartellbehörden über die neue Ordnung am Himmel entscheiden. Ihre Beschlüsse werden frühestens im Dezember erwartet.