Mann vor Monitoren an der Münchner Börse
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Wertpapierhandel ist heute ohne digitale Unterstützung undenkbar . Wie hier in der Börse München verlassen sich die Anleger auf Kollege Computer.

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Hacker oder Stromausfall: Wie sicher ist Digital Banking?

Die aktuellen Hackerangriffe weltweit zeigen, wie fragil unser modernes Leben ist, besonders auch im sensiblen Finanzbereich. Doch nur wenige Anleger denken nach über rechtssichere Beurkundung, Verwahrung und Transaktion. Wie sicher ist da "sicher"?

Über dieses Thema berichtet: Wirtschaft und Börse am .

Wertpapierhandel ist ohne digitale Unterstützung undenkbar. Doch immer wieder kommt es zu Hackerangriffen oder technischen Störungen. Unabdingbar für die Kunden ist also die Sicherheit, eine rechtssichere Beurkundung, Verwahrung und Transaktion.

Finanzindustrie ohne IT nicht mehr denkbar

Die Frage nach der Sicherheit und Robustheit der modernen technischen Systeme, die Banken und Börsen in Wertpapierverwahrung und -handel verwenden, wird durch die weltweite Praxis beantwortet:Privatanleger haben sowieso derzeit keine realistische Alternative zur Nutzung der heute vorhandenen Systeme. Die Kapitalschutzexperten Gerd Kommer und Olaf Gierhake schlussfolgern daraus:

"Insgesamt sind wir der Überzeugung, dass die technischen Systeme bei Banken, Börsen und in der Vermögensverwaltung heute eher sicherer sind als vor 20 oder 50 Jahren. Auch deshalb, weil die Systeme heute viel heterogener organisiert sind als früher." Gerd Kommer und Olaf Gierhake, Kapitalschutzexperten

Hauptargument: Wenn ein Privatanleger ein Wertpapier (Einzelwertpapier oder ETF- bzw. Fonds-Anteil) kauft oder verkauft, dann sind dabei – unter der für den Anwender sichtbaren Oberfläche – mehr als ein halbes Dutzend rechtlich und wirtschaftlich eigenständige Institutionen und viele unterschiedliche technische Systeme, einschließlich voneinander unabhängiger Backup-Systeme und -Regeln involviert – in vielen Fällen sogar in unterschiedlichen Ländern.

Dennoch räumen die Autoren ein, dass Anleger die Fallstricke moderner IT-Finanzsysteme kennen sollten. Unabhängig davon sollte unbedingt ins Kleingedruckte der Geschäftsbedingungen geschaut werden, wenn man Banken, Versicherungen oder anderen Finanzinstitutionen sein Geld elektronisch überlässt.

Wie sicher sind Aktiendepots?

Aktien sind nicht Teil des Vermögens einer Bank, ebenso wie Fonds und Anleihen. Die Bank verwahrt sie und muss sie jederzeit herausgeben, wenn der Anleger dies verlangt. Aber was, wenn die Bank dazu gar nicht mehr in der Lage ist ? Oder was, wenn das Kreditinstitut die Aktien verliehen hat, was sie tatsächlich darf, was aber wenige Anleger wissen?

Den Anspruch auf Entschädigung aus "Verbindlichkeiten aus Wertpapiergeschäften" und dessen Umfang regelt das Einlagensicherungsgesetz, das für alle in Deutschland tätigen Kreditinstitute verbindlich ist.

Unterschiede in der Praxis

Ist eine Geschäftsbank nicht in der Lage, die Wertpapiere zurückzugeben, springt die Entschädigungseinrichtung deutscher Banken GmbH ein. Der Haken: Der Anspruch gegen die Entschädigungseinrichtung ist der Höhe nach begrenzt auf 90 Prozent des Wertes dieser Wertpapiere, maximal jedoch auf den Gegenwert von 20.000 Euro. Und das auch nur für Privatanleger und kleine Unternehmen. Bei mittleren oder Großunternehmen ist eine Entschädigung für Verbindlichkeiten aus Wertpapiergeschäften gänzlich ausgeschlossen.

Anders bei Genossenschaftsbanken und Sparkassen. Sie haften im Rahmen ihrer Institutssicherung vollumfänglich.

Sachwert Aktie - eine Streitfrage

Übrigens: Aktien werden oft gedankenlos als "Sachwerte" bezeichnet, doch das sind sie nur bedingt. Wer durch den Aktienkauf Teilhaber eines Unternehmens wird, sollte sich genau anschauen, wie das Verhältnis von Anlage- und Umlaufvermögen zu Verbindlichkeiten (Schulden, Pensionsverpflichtungen usw.) ist. Manche Unternehmen haben nur wenig materielle Werte zu bieten, die man im Konkursfall verwerten kann.

Wie sicher sind Transaktionen über das Internet?

Wer an sein Geld, seine Wertpapiere, seine Edelmetalle, "Kryptowährungen" oder sonstige Wertgegenstände will, kommt heutzutage am Internet kaum vorbei. Aber was, wenn in der Krise der Bankrun kommt, alle Server überlastet und die Hotlines besetzt sind?

Ausgesetzter Börsenhandel jederzeit möglich

Beim Börsencrash im März setzte die New Yorker Börse den Handel aus. Auch in Deutschland ist das möglich, § 59 der Frankfurter Börsenordnung ermächtigt die Geschäftsführung dazu, wenn "ordnungsgemäßer" Börsenhandel nicht mehr möglich ist. Anleger sollten sich also klar machen, dass sie nicht handeln oder ihr Kapital von der Börse nehmen können, selbst wenn sie es benötigen .

Hackerangriffe und technische Probleme

Vergangenes Jahr fanden verdutzte Kunde der Apotheker- und Ärztebank auf einmal unterschiedliche Kontostände oder seltsame Vermehrung von Kontonummern auf ihren Namen vor, Konten, die sie nie eröffnet hatten. Die Bank entschuldigte sich und verwies auf eine völlig missglückte Datenumstellung, deren Probleme bis heute nicht vollständig abgeschlossen sind.

Anfang 2020 kollabierte der Online-Handel mit Differenzkontrakten bei Comdirect, Flatex und S-Broker. Bei der DKB, die Direktbank der BayernLB, ging in der ersten Januarwoche gar nichts mehr – genau wie bei großen Teilen des gesamten Wertpapierhandels in Deutschland. Schuld war ein externer Dienstleister. Es ist kaum bekannt, dass verhältnismäßig kleine Firmen, wie die Deutsche WertpapierServicebank (DWP Bank), über eine Art Monopol für diejenige digitale Infrastruktur verfügen, mit der der überwiegende Anteil des Wertpapierhandels in Deutschland abgewickelt wird.

Ähnliche Probleme können bei der Zahlungsabwicklung auftreten, wo eine kleine niederländische Firma namens "equensWorldline" über ein Monopol bei Softwareteilen verfügt, die für die Zahlungsabwicklung in ganz Europa entscheidend sind.

Wie kundenschädlich technische Ausfälle sein können, zeigt das Beispiel der britischen TSB-Bank. Nach einer missglückten IT-Umstellung verschwanden 2018 zeitweise die Guthaben tausender Kunden.

Banken begrenzen Haftungsrisiko

Wem das weit hergeholt und zu theoretisch klingt, der sollte in die allgemeinen Geschäftsbedingungen der Kreditinstitute schauen, die das IT-Risiko auf die Kundschaft abwälzen. Die AGBs der norwegischen Großbank DNB etwa schließen jede Haftung für Störungen des Datenverkehrs oder der Telekommunikation aus. Nach einer Analyse der Münchner Wirtschaftsrechtskanzlei ACCONSIS verwenden die deutschen Großbanken fast wortgleich eine Haftungsausschlussklausel bei "Störung des Betriebes". Schäden für die Kunden durch Stromausfälle werden dabei unter dem schwammigen Begriff "sonstige, von der Bank nicht zu vertretende Vorkommnisse" erfasst.

"Haftungsausschluss für Störungen des digitalen Transfers sind in Deutschland eine Frage des Einzelfalles und des Verantwortungsbereiches der Bank." Andreas Hofner, Fachanwalt ACCONSIS München

Sparer sollten sich klar machen: Urkundenqualität im juristischen Sinn haben zwar Original-Kontoauszüge der Bank, ein Screenshot des letzten Guthabens oder Depots jedoch nicht.

Namensaktien als Eigentumsnachweis

Auch Aktionäre teilen sich aus diesen Gründen in zwei Klassen: die Sorglosen und die Vorsichtigen. Wer Inhaberaktien kauft, vertraut allein auf sein Kundendepot bei der Bank. Vorsichtige entscheiden sich daher für Namensaktien. Damit stehen sie mit Namen, Geburtsdatum und Anschrift (diese Daten kommen von der Bank) sowie einer Aktionärsnummer und der Stückzahl der gehaltenen Aktien in einem Register, das die AG oder ein von ihr beauftragter Dienstleister führt. Aber aufgepasst: Dax-Unternehmen wie die Allianz SE bieten Namensaktien an und versenden ein Begrüßungsschreiben, das jedoch nicht als Urkunde gilt. Wer wirklich sicher gehen will, fordert eine gesonderte Bestätigung mit Unterschrift von der InvestorRelations-Abteilung des Unternehmens an.

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