Mehrere Windkraftanlagen stehen neben einer Hochspannungsleitung und drehen sich im Wind.
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Ein niedrigerer Strompreis an der Energiebörse (EEX) muss Privatkunden nicht automatisch zugutekommen.

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Strom- und Gaspreise sinken - selten aber für Verbraucher

Die Strom- und Gaspreise an den Börsen sind zuletzt gesunken. Obwohl einige Versorger ihre Tarife ebenfalls nach unten gesetzt haben, haben die Verbraucher meist nichts davon - wegen der Preisbremse. Deutlich günstiger wird es wohl noch länger nicht.

Über dieses Thema berichtet: BAYERN 1 am Vormittag am .

Die Stilllegung der letzten deutschen Kernkraftwerke führt nicht zwangsläufig zu steigenden Strompreisen: Im April wurde Strom an der Börse sogar billiger. Das Stromangebot europaweit scheint groß genug zu sein, um den fehlenden Atomstrom in Deutschland mehr als auszugleichen. Es gibt außerdem noch die Erneuerbaren, vor allem Wind und Sonne, die weiter kräftig ausgebaut werden sollen. Jetzt fragen sich viele Verbraucher, warum ihr Strom zu Hause immer noch so teuer ist.

Versorger senken Strom- und Gaspreise, doch Verbraucher hat oft nichts davon

Die sinkenden Preise an den Energiebörsen kommen einem Bericht zufolge mittlerweile auch bei den örtlichen Grundversorger an. Wie die "Süddeutsche Zeitung" unter Berufung auf Zahlen des Vergleichsportals Verivox berichtet, senken im Mai, Juni und Juli insgesamt 91 Stromfirmen ihre Tarife. Auch 80 Anbieter von Gas verlangen weniger. Strom wird demnach im Schnitt um rund 14 Prozent günstiger, Gas um 23 Prozent. Allerdings: Nach wie vor liegen knapp 80 Prozent aller Strom- und fast 90 Prozent aller Gastarife in der Grundversorgung über den Preisbremsen. Diese waren von der Regierung wegen massiv gestiegener Preise für Energieprodukte eingeführt worden. Die Preisbremsen gelten seit März rückwirkend auch für Januar und Februar. Für Strom liegt der Preisdeckel bei 40 Cent pro Kilowattstunde, für Gas bei zwölf Cent pro Kilowattstunde. Verlangt ein Anbieter mehr, übernimmt das der Staat zum größten Teil.

Um wirklich von den gesunkenen Energiepreisen an den Märkten profitieren zu können, müssen Verbraucher meist den Lieferanten wechseln. Die Preise bei überregionalen Versorgern liegen nämlich den Angaben zufolge häufig deutlich unter den Preisbremsen. Verivox-Energieexperte Thorsten Storck sagte der Zeitung, "durch einen Wechsel aus der Grundversorgung kann ein Haushalt daher im Schnitt über 500 Euro bei Strom und über 600 Euro bei Gas einsparen".

Stromversorger verdienen am Aufpreis gegenüber dem Marktpreis an der Börse

Wie stark Energieanbieter ihre Tarife senken (können), hängt von deren Einkaufspolitik ab. Vereinfacht gesagt wären alle Stromversorger und -anbieter pleite, wenn sie einen günstigen Börsenpreis an der European Energy Exchange (EEX) einfach so an ihre Endkunden in Privathaushalten und Unternehmen weitergeben müssten. Ihr Geschäftsmodell ist es vielmehr, eine geschickte Preispolitik zu betreiben, so dass auch bei einem stark schwankenden Marktpreis an der Börse für sie immer noch genug Gewinn abfällt bei ihren täglichen Stromlieferungen.

Anbieter wie Stadtwerke wählen dafür Lieferverträge mit unterschiedlichen Laufzeiten bei Stromerzeugern, um selbst nicht die höchsten Preise bezahlen zu müssen. Sie können dabei natürlich auch Fehler machen, indem sie künftige günstigere Entwicklungen falsch einschätzen und ihren eigenen Großhandelsstrom zu teuer einkaufen.

Das Bundeswirtschaftsministerium erklärte dazu auf seiner Homepage: "Die konkrete Gestaltung des Strompreises für Endkunden (private Haushalte und Unternehmen) liegt in der Verantwortung des jeweiligen Stromversorgungsunternehmens. Dieses setzt den Strompreis eigenständig fest. Der Endkunde hat Wahlfreiheit hinsichtlich seines Stromversorgungsunternehmens und kann es wechseln."

Verbraucher müssen selbst aktiv werden und den Stromtarif wechseln

Im Klartext heißt das, wer sich nicht selbst nach einem günstigeren Stromtarif umschaut und dann auch zum Wechseln bereit ist, wartet womöglich vergebens darauf, dass sein Strom günstig wird. Auf Vergleichsportalen im Internet wie Check24 oder Verivox gibt es bereits zahlreiche Angebote mit Strompreisen, die in den letzten Wochen und Monaten bereits deutlich gefallen sind. Wie man einen Tarif kündigt und wann ein Wechsel des Anbieters möglich ist, erklärt die Bundesnetzagentur auf ihren Internetseiten.

Hälfte des Strompreises geht an den Staat

Doch selbst ein Wechsel zum günstigsten Anbieter schützt die Stromkunden nicht vor den zahlreichen Gebühren, Steuern, Abgaben und Netzentgelten, die mit dem Bezug der Energie fest verbunden sind. So kassiert der Staat schon seit mehr als zehn Jahren mehr als die Hälfte des Preises, den die Endkunden bezahlen. Dazu zählen neben der Umsatzsteuer, unter anderem die Stromsteuer und eine Konzessionsabgabe.

Die EEG-Umlage, mit der in der Regierungszeit von Bundeskanzlerin Angela Merkel der Ausbau der Erneuerbaren Energien von den privaten Stromverbrauchern bezahlt wurde, entfällt zwar inzwischen. Dafür ist jetzt mit weiter steigenden Netzentgelten zu rechnen, die im letzten Jahr schon mit rund 20 Prozent zu Buche schlugen. "Grundsätzlich gilt: Wie viel eine Kilowattstunde Strom kostet, entscheidet vor allem die Kombination aus dem aktuellen Börsenstrompreis und den staatlichen Preisbestandteilen", heißt es dazu beim Bundeswirtschaftsministerium. "Die staatlich veranlassten Bestandteile des Strompreises hingegen ändern sich nicht oder nur in größeren Zeitabständen."

CO2-Abgabe fällt auch für sogenannten Ökostrom in vollem Umfang an

Bereits geplant ist eine weitere Steigerung der CO2-Abgabe für fossile Energien. Da der Strom immer noch gut zur Hälfte aus konventionellen Kraftwerken kommt, die nach dem Atomausstieg vermehrt sogar Braunkohle verbrennen, wird das auch ein wachsender Faktor für die Stromerzeugung werden. Wenn es nicht schnell gelingt, mehr Strom ohne Gas und Kohle herzustellen, ist auch das für die Verbraucher ein zusätzlicher Kostentreiber.

Der Stromerzeuger Vattenfall kritisiert, es klinge zwar paradox, aber auch für CO2-neutralen Ökostrom gelte die steigende CO2-Bepreisung: "Im Endeffekt können Sie sich als Ökostromkundin und Ökostromkunde mit ihrer Stromrechnung erst von den CO2-Preisen abkoppeln, wenn die gesamte Stromerzeugung CO2-frei erfolgt."

Ausbau der Stromnetze wird sehr teuer

Erstaunlich ist, dass die Stromnetze trotz dieser vergleichsweise hohen Abgaben in den vergangenen Jahren noch lange nicht gerüstet erscheinen für die Energiewende, zu der die Heizwende mit Wärmepumpen und die Mobilitätswende mit Elektroautos gehören. Die lokalen Netze in der Straße, wo die Stromkunden wohnen, müssen vielerorts erst noch fit gemacht werden für die erhöhten Verbräuche, die sich nun abzeichnen. Dazu gehört auch die Digitalisierung des Stromnetzes, bei der Deutschland noch ganz am Anfang steht.

Kosten der Digitalisierung der Netze noch nicht absehbar

Es wurden und werden jetzt zwar digitale Stromzähler eingebaut. Diese verfügen aber nur in Ausnahmefällen auch über eine Rückleitung zum Versorger, damit der das Potential dieser Technik überhaupt für ein besseres Energiemanagement nutzen kann. Zwei Ausnahmen gibt es: Wer eine Wärmepumpe anschließen will oder eine Wallbox zum Aufladen von Elektroautos braucht, soll per Rückleitung mit dem Stromversorger verbunden werden.

Versorgungssicherheit bei Dunkelflaute an kalten Wintertagen?

Im Fall einer Dunkelflaute mit wenig Windkraft und Solarenergie im Winter, wenn der Stromverbrauch mit Abstand am höchsten ist, soll der lokale Versorger in der Lage sein, abzuregeln. Um die Netzspannung in jedem Fall aufrecht zu erhalten und einen Stromausfall zu verhindern, will die Bundesnetzagentur damit sicherstellen, dass eine Wallbox fürs E-Auto und eben auch eine hochlaufende Wärmepumpe in ihrem Verbrauch eingeschränkt werden können. Aus der Wallbox kämen dann statt 15 Kilowatt Strom in der Stunde (kWh) möglichweise nur noch 3,4 kWh, was den Ladevorgang verzögert. Ob eine gedrosselte Wärmepumpe noch in der Lage ist, das Haus ausreichend zu heizen, hängt von der Energieeffizienz des gesamten Gebäudes wie Dämmung, Fußbodenheizung und weiteren Maßnahmen ab.

Bundesregierung verspricht: Mittel- bis langfristig günstigerer Strom für alle

Eigentlich sollten die Erneuerbaren Energien seit Jahren schon dafür sorgen, dass Strom in Deutschland billiger wird. Es gibt mehrere Gründe, warum das bisher nicht der Fall war. Obwohl ein Windrad oder eine Photovoltaikanlage keinen Brennstoff benötigt – im Gegensatz zu einem Kohle-, Gas- oder Atomkraftwerk – müssen auch die alternativen Energiequellen erst einmal erschlossen werden. Für den Bau von Windparks und das Aufstellen von Solarmodulen flossen Milliarden an Subventionen, zum Beispiel aus der erwähnten EEG-Umlage.

Außerdem wurden Mindestvergütungen für die Einspeisung von Strom aus Erneuerbaren festgelegt, selbst dann, wenn dieser Strom mangels ausreichender Netze noch gar keine richtige Verwendung fand – und teilweise immer noch nicht findet. So gibt es zahlreiche Windräder und Solarparks, deren Strom seit Jahren zwar bezahlt wird, aber nicht wirklich genutzt werden kann. Das alles waren sehr kostspielige politische und nicht ökonomische Entscheidungen, um die Energiewende in Deutschland voranzutreiben und damit einen Beitrag zum Klima- und Umweltschutz zu leisten.

Ungenutztes Potential von Windrädern in Norddeutschland

In den norddeutschen Küstenländern wie Niedersachsen, Mecklenburg-Vorpommern, aber auch in ostdeutschen Bundesländern werden bereits an vielen Tagen im Jahr große Mengen an nicht genutztem Windstrom erzeugt. Dieses Potential liegt seit Jahren brach, weil es keine geeigneten Fernverbindungen über große Stromtrassen wie Südlink oder Südostlink gibt, die diesen Strom in den stärker industrialisierten Süden von Deutschland transportieren könnten. Mit einer Fertigstellung der Erdkabel, die diesen Strom liefern sollen, und der Anbindung von Bayern an diese norddeutschen Windräder wird jetzt erst für 2027 bis 2028 gerechnet - wenn es nicht zu weiteren Verzögerungen kommt, wie in den letzten zehn Jahren.

Dieser Artikel ist erstmals am 16. Mai 2023 auf BR24 erschienen. Das Thema ist weiterhin aktuell. Daher haben wir diesen Artikel erneut publiziert.

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