Ein Schild mit Bundesadler hängt vor dem Bundeskartellamt in Bonn^.
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Das Bundeskartellamt hatte Missbrauchsfälle befürchtet und bereits eine neue Abteilung zur Prüfung von Verdachtsfällen aufgebaut.

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Preisbremse ausgenutzt? Kartellamt nimmt Versorger ins Visier

Es war befürchtet worden und könnte sich nun bewahrheiten: Eine zweistellige Anzahl von Versorgern steht im Verdacht, die Gaspreisbremse missbraucht zu haben. Das Kartellamt hat Prüfverfahren eingeleitet. Für Verbraucher gibt es zudem eine Warnung.

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Eine zweistellige Zahl an Gasversorgern soll "möglicherweise überhöhte Erstattungsanträge nach den Preisbremse-Gesetzen gestellt haben". Das berichtete das Bundeskartellamt. Demnach stehen sie im Verdacht, ungerechtfertigt hohe Endkunden-Preise angesetzt zu haben. "Wir haben Anhaltspunkte dafür, dass die Preise gegenüber den Endkunden sachlich nicht gerechtfertigt sein könnten und sind dabei, Licht ins Dunkel bringen", sagte Behördenpräsident Andreas Mundt laut Mitteilung.

Erste Prüfverfahren auf der Grundlage der Energiepreisbremsen-Gesetze seien eingeleitet worden. "Wir haben die Aufgabe, den Staat vor Ausbeutung zu schützen." Weitere Verfahren bei Fernwärme und Strom stünden bevor. Eine Größenordnung nannte das Kartellamt für diese Bereiche nicht.

Kosten weitergeben: Sind Preiserhöhungen ein Hinweis auf Missbrauch?

Der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) begrüßte die Überprüfung. "Es darf nicht sein, dass einzelne Unternehmen die Krise ausnutzen", erklärte Hauptgeschäftsführerin Kerstin Andreae. Gleichzeitig äußerte sie sich überzeugt, dass "der allergrößte Teil" der mehr als 1.000 Gasversorger in Deutschland die höchst komplexe Gaspreisbremse "absolut korrekt" umgesetzt habe. Preiserhöhungen allein seien kein Hinweis auf einen Missbrauch, so Andreae.

Aufgrund der langfristigen Beschaffungskosten vieler Energieversorger wirkten sich die hohen Großhandelspreise zum Teil erst mit Verzögerung auf die Endkundenpreise aus. "Energieversorger müssen in der Lage sein, diese stark gestiegenen Beschaffungskosten an die Kundinnen und Kunden weiterzugeben." Anderenfalls könnte ihre eigene Liquidität gefährdet werden.

Mit den Energiepreisbremsen will die Bundesregierung die Folgen gestiegener Energiepreise für die Verbraucher oder Unternehmen mildern. Die Preisbremsen für Gas und Fernwärme sowie für Strom gelten seit März, rückwirkend auch für Januar und Februar. Der Staat deckelt damit den Preis für Gas, Fernwärme und Strom für 80 Prozent des Verbrauchs - und zahlt den Versorgern die Differenz zum Marktpreis.

Geldbußen und Rückzahlungen: Was passiert bei Verstößen?

Wie das Kartellamt weiter berichtete, ging den eingeleiteten Verfahren eine Analyse sämtlicher Antrags- und Meldedaten in mehreren Tausend Anträgen voraus. Aus ihnen seien Preise, Liefermengen, Entlastungssummen und Kundenzahlen hervorgegangen. "Im Rahmen der Prüfverfahren wird das Bundeskartellamt zunächst die als auffällig identifizierten Unternehmen systematisch und datengestützt befragen." Stelle man Verstöße fest, müssten unrechtmäßig erlangte Ausgleichszahlungen zurückgezahlt werden. "Auch die Verhängung von Geldbußen ist möglich."

Künftig regelmäßige systematische Untersuchung

Die Preisbremsen-Gesetze verbieten einen Missbrauch der Entlastungsregeln. Damit soll verhindert werden, dass Energieversorger durch Erhöhung der Endkundenpreise eine höhere Ausgleichszahlung erhalten, obwohl es dafür keinen Grund durch gestiegene Kosten gibt. Von vornherein gab es dennoch Befürchtungen, dass Unternehmen die Preisbremsen ausnutzen und Preise über dem Marktpreis verlangen könnten. Das Kartellamt hatte daher eine neue Abteilung zur Prüfung von Verdachtsfällen aufgebaut.

Weitere Verfahrenseinleitungen auch gegen Versorger in den Bereichen Fernwärme und Strom stünden bevor, erklärte Mundt weiter. Er betonte: "Obgleich es keinen Generalverdacht gibt, werden wir künftig alle Antragsdaten zu den Ausgleichszahlungen der antragstellenden Unternehmen einer regelmäßigen systematischen Untersuchung unterziehen."

Falsche Erstattungssummen: Ratgeberportal warnt Verbraucher

Das Ratgeberportal Finanztip.de warnte Verbraucher außerdem vor falsch berechneten Erstattungssummen. Die 80 Prozent des Verbrauchs, für die der gedeckelte Preis gilt, werden auf Basis der Jahresverbrauchsprognose ermittelt. Hier komme es immer wieder zu Fehlern - und wenn der prognostizierte Verbrauch zu niedrig angesetzt wird, erhalten Verbraucher weniger Erstattung als ihnen zusteht. Laut Finanztip weigern sich einige Energieversorger jedoch, fehlerhafte Jahresprognosen zu korrigieren und die Erstattungen anzupassen. Die Unternehmen Maingau Energie, Montana Energie und Vattenfall etwa schlössen auf ihren Webseiten eine Anpassung der Prognose kategorisch aus. "Das verschleiert die tatsächlichen Gesetzeslage", erklärte Finanztip-Experte Benjamin Weigl.

"Stellen Verbraucher fest, dass der Wert deutlich unter ihrem tatsächlichen, früheren Jahresverbrauch liegt, sollten sie widersprechen und den Anbieter zur Korrektur auffordern", rät Weigl. Hilfe böten dabei auch die Verbraucherzentralen. Falls möglich sollten Verbraucher den Anbieter wechseln, da es mittlerweile zahrleiche Angebote unterhalb der Preisgrenzen gibt. "Das spart nicht nur Ärger, sondern auch eine Menge Geld", erklärte Weigl.

Mit Informationen von dpa, AFP und Reuters

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