Ein Mann schiebt seinen Einkaufswagen vor einem Real Supermarkt.
Bildrechte: dpa-Bildfunk/Oliver Berg

Die großen Real-Märkte, oft auf der grünen Fläche und mit weiten Anfahrt-Wegen, haben sich überlebt. Die letzten werden wohl bald schließen.

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Dinosaurier des Handels: Wie es zum Niedergang von Real kam

Die Real-Supermärkte stehen vor dem Aus. 18 Filialen sollen an die Konkurrenz gehen, weitere 45 bis Ende März geschlossen werden. Dabei war Real einmal der Inbegriff für den Großeinkauf auf der grünen Wiese. Vom Aufstieg und Fall der Warenhaus-Kette.

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Real war einmal der Inbegriff für den Großeinkauf auf der grünen Wiese. Konsumenten sollten von dem großen Angebot und den hohen umgesetzten Mengen Preisvorteile haben. Doch das ist 30 Jahre her. Damals wurde Real vom Handelsriesen Metro aus 280 unterschiedlichen SB-Warenhäusern von Allkauf, Esbella, Massa, Real und anderen zusammengekauft und zur gemeinsamen Marke gemacht.

Die Real-Märkte hatten immer einen klaren Schwerpunkt auf Lebensmitteln und sollten für Verbraucherinnen und Verbraucher das Gegenstück zu den großen Profi-Märkten von Metro sein. Doch die Konzepte gingen oft nicht auf und machten dem Metro-Konzern am Ende wenig Freude.

Nun steht die Supermarktkette vor dem Aus. Wie das Unternehmen mitteilte, sollen die letzten Märkte bis Ende März kommenden Jahres geschlossen werden. Davon betroffen sind demnach 45 Filialen, 18 weitere sollen an die Konkurrenz gehen.

Vom Wirtschaftswunder der 60er in die Konsumwelt der 90er Jahre

Seit dem Wirtschaftswunder der 1960er Jahre war der Name Real im deutschen Lebensmittel-Einzelhandel ein fester Begriff für große Verbrauchermärkte. Der finanzkräftige Handelsriese Metro wollte 1992 einen großen Coup landen, indem er neben dem Händler "real-kauf" insgesamt 13 ähnliche Unternehmen mit unterschiedlichen regionalen Schwerpunkten zusammenführte.

Im Lauf der 90er Jahre kamen so unter anderem 94 SB-Warenhäuser der Allkauf-Gruppe dazu sowie 20 SB-Warenhäuser der Kriegbaum-Gruppe. Fünf Extra-Märkte wurden ebenfalls Teil von Real. 2006 war der Metro-Konzern immer noch in Kauflaune und übernahm die deutschen Häuser des US-Handelsriesen Walmart. Die Erben der US-Kaufhaus-Legende Sam Walton leiten zwar immer noch die größte weltweit tätige Warenhauskette, aber am harten Preiswettbewerb in Deutschland ist Walmart krachend gescheitert und zog sich daraufhin von dem schwierigen Markt hier zurück.

Harte Konkurrenz für Innenstadtlagen

Ältester Standort für die spätere Real-Gruppe war ein Massa-Markt von 1965 im rheinhessischen Alzey. Dort gab es zusammengefasst an einem Ort Läden für Foto, Schmuck, Drogerie-Artikel, ein Reisebüro, eine Buchhandlung und nicht zuletzt jede Menge Lebensmittel mit Sonderangeboten und dazu noch Aktionsware wie etwa Fahrräder. So ein Markt konnte auf dem flachen Land aus Sicht der Konsumenten die komplette Innenstadt einer Kreisstadt weitgehend ersetzen. Das galt insbesondere auch für strukturschwache Regionen.

Den ältesten Standort in Alzey gibt es sogar heute noch, obwohl Real ihn längst verkauft hat: Er ist seit 2022 ein Kaufland-Markt, der zur Schwarz Gruppe in Baden-Württemberg gehört, die vor allem für ihre Lidl-Discounter bekannt ist.

Größe allein schafft nicht immer den erhofften Mehrwert

Aus rund 280 Märkten formte Metro die neue SB-Warenhausgruppe Real, wobei die schiere Größe einen entscheidenden Mehrwert für den Handelsriesen schaffen sollte. Um die Märkte vermeintlich noch attraktiver zu machen, investierte Metro in den Aufbau noch größerer Verkaufsflächen mit noch mehr angeschlossenen Dienstleistungen wie etwa Restaurants. Ein Beispiel dafür war ein riesiges Einkaufszentrum in Krefeld. Dort musste Metro allerdings feststellen, dass dem Mehraufwand kein entsprechender Mehrumsatz gegenüberstand. So lieferte auch ein Markthallen-Konzept mit seinem gehobenen Einkaufs-Erlebnis nicht die erhofften Erfolge.

Die Real-Märkte blieben im internationalen Metro-Konzern über längere Zeit das Schlusslicht bei Umsatz- und Ergebnisentwicklung. Mehrfach wurde die Führungsriege im Top-Management ausgewechselt. Man wollte zeigen, dass SB-Warenhäuser wie Real zukunftsfähig sind.

Der letzte Versuch sollte 2017 ein riesiges Einkaufsbündnis von Einzelhändlern sein, das sich Retail Trade Group (RTG) nannte. Dem Joint Venture gehörten neben Real fünf weitere Händler an. Sie alle wollten mit einem gemeinsamen Wareneinkauf und ihrer gebündelten Marktmacht bei ihren Lieferanten die Preise drücken, um anschließend die Gewinnmargen zu erhöhen. Es ging dabei um ein gemeinsames Bruttoumsatzvolumen von rund 23 Milliarden Euro.

Streit um Tariflöhne und Austritt aus dem Arbeitgeberverband HDE

Doch bald darauf kam es im September 2018 zur endgültigen Verkaufsentscheidung im Konzernvorstand der Metro AG. Vorstandschef Olaf Koch wollte nun nichts Neues mehr ausprobieren. Das Einzelhandels-Geschäft auf der Großfläche sei eine Dauerbaustelle für Metro gewesen, las man bei den Experten der Lebensmittelzeitung, auch neue Konzepte hätten nicht die Wende gebracht.

Der Entscheidung von Konzernchef Koch war im Frühjahr 2018 ein erbitterter Tarifstreit mit der Gewerkschaft Verdi vorausgegangen. Ausgerechnet der größte europäische Handelskonzern trat bei seiner Tochter Real in Deutschland aus dem Handelsverband HDE aus, um sich dem gängigen Branchentarifvertrag zu entziehen. Metro-CEO Koch formulierte das positiv: Man habe in den drei Jahren, die dem Verkaufsprozess inklusive Tarifflucht vorangingen, "alle notwendigen Voraussetzungen für eine erfolgreiche, langfristige Zukunft" von Real geschaffen.

Der künftige Erwerber konnte nun teilweise sanierte SB-Warenhäuser mit und ohne dazugehörige Immobilien kaufen an unterschiedlich erfolgreichen Standorten. Bundesweit waren das 282 Märkte und 65 Grundstücke. Erster Interessent war der Immobilien-Investor Redos, mit dem es aber trotz exklusiver Verhandlungen zu keiner Einigung kam. Im Februar 2020 fiel dann die Entscheidung für ein Bieterkonsortium aus X+Bricks und SCP, bei dem es sich zumindest teilweise um russische Kaufinteressenten handelt. Auch für sie war klar: Real wird nur in Teilen überleben können. Die Gruppe wurde zerschlagen, das Immobilienvermögen abgetrennt. Märkte, die keinen Gewinn machten, geschlossen.

Real-Märkte "Dinosaurier des Handels"

Beim Rückblick auf die große Zeit der Real-Märkte in der zweiten Hälfte des letzten Jahrhunderts fällt als Erstes auf, dass es damals noch keinen richtigen Online-Handel gab. Der spielt zwar bei Lebensmitteln auch heute noch nicht die entscheidende Rolle, aber dafür umso mehr in anderen Produktsortimenten.

Ein wichtiger Grund für den Niedergang von Real dürfte auch der Vormarsch der Discounter Aldi und Lidl sowie der Drogeriemärkte dm und Rossmann sein, die mittlerweile viele Tausend Filialen in Deutschland eröffneten. Die Präsenz von mittelgroßen Märkten in der Fläche ist damit stark gestiegen. Das könnte den ganz großen Einzelhandelsflächen von Real, meistens auf der grünen Wiese gelegen und mit weiteren Anfahrtswegen, das Wasser abgegraben haben. Die letzten Real-Märkte sind sozusagen die Dinosaurier des Handels, deren Zeit nun abgelaufen ist.

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