Die Annonce des Malerbetriebs: Eingezwängt in einen Ganzkörper-Anzug haben vier Personen überall Farben aus Farbeimern und Pinseln verteilt. Daneben steht: "Wir machen dein Leben bunter" .
Bildrechte: BR/ Matthias Winklharrer

Annonce des Malerbetriebs: Eingezwängt in einen Ganzkörper-Anzug haben vier Personen überall Farben aus Farbeimern und Pinseln verteilt.

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Freie Ausbildungsplätze: So kann die Suche nach Azubis gelingen

Das neue Lehrjahr beginnt und viele Betriebe haben ein großes Problem: Sie finden keine oder keine passenden Azubis für ihre Lehrstellen. Ein Malerbetrieb aus Bad Kissingen hat sich deshalb eine besondere Strategie ausgedacht.

Über dieses Thema berichtet: Wirtschaft am .

Noch nie gab es in Bayern so viele unbesetzte Ausbildungsplätze. Der Bundesagentur für Arbeit wurden im August gut 38.500 freie Lehrstellen gemeldet. Das sind fast 21 Prozent mehr als noch im Vorjahr. Und noch etwas zeigen die Zahlen: Es werden nicht nur immer weniger Bewerberinnen und Bewerber, gleichzeitig bieten auch einige Betriebe mehr Ausbildungsplätze an als noch im Vorjahr. Offenbar wird der Fachkräftemangel so groß, dass wieder mehr für den Nachwuchs getan wird.

Kreative Azubi-Suche zahlt sich langfristig aus

Tatsächlich sind viele inzwischen ziemlich erfinderisch. Joanna Karasimos kann davon ein Lied singen. Beim Fotoshooting für ihre Azubi-Such-Anzeige stand sie zusammen mit ihren Kollegen vor der Kamera. Eingezwängt in einen Ganzkörper-Anzug, umgeben von Malerfilz haben sie überall die Farben aus Farbeimern und Pinseln verteilt. Am Ende wurde daraus eine extrem auffällige Suchanzeige: "Wir machen dein Leben bunter" steht da. Das Bild wurde bei Facebook, Instagram und am Schwarzen Brett im Ort aufgehängt.

"Wir wollten zeigen, dass der Beruf Spaß macht und eben, naja, halt bunt ist", sagt Lena Heilmann, die gemeinsam mit ihrem Team das Plakat entworfen hat. Heilmann ist die Tochter von Lorenz Ulsamer, dem Chef des Malerbetriebs aus Bad Kissingen in Franken. Auch dieses Jahr konnte der klassische mittelständische Betrieb zwei seiner drei Ausbildungsplätze besetzen. Obwohl sie etwas ab vom Schuss sind, obwohl es ein Handwerksbetrieb ist und obwohl hier ganz normale 40-Stunden-Wochen ab sechs Uhr morgens gearbeitet werden.

Als Handwerksbetrieb schnell fündig werden

Auf einem Ausbildungsmarkt, auf dem seit Jahren darüber gejammert wird, dass zu wenig geeignete Leute zu finden sind, klingt die Geschichte von Ulsamer wie ein kleines Wunder. Was also machen Lena Heilmann und ihr Team anders als die vielen bayerischen Betriebe, die auch dieses Jahr über 38.000 Ausbildungsplätze nicht besetzen konnten?

"Wir werben in Schulen, an Berufsschulen und in den sozialen Medien natürlich", erzählt Lena Heilmann. Präsenz sei wichtig, aber nicht das Wichtigste, findet die gelernte Betriebswirtin. Stattdessen ist es der gute Ruf. Auch der neueste Azubi, Adrian Glöckler, ist über Empfehlungen zu Ulsamer gekommen. Aber eine schlichte Bewerbung hat nicht genügt. Der 16-Jährige musste zunächst mal ein Praktikum machen.

Wichtig sind Transparenz und Offenheit

Das seien einfach Erfahrungswerte, sagt Lena Heilmann: Wer sich schon mal im Betrieb umschauen konnte und sowohl Arbeitsluft geschnuppert als auch das Team kennengelernt hat, der weiß eher, ob ihm oder ihr der Job wirklich taugt. Und bei Adrian war die Sache schnell klar: "Der kam morgens an, hat alle gegrüßt und hatte sofort auch Bock, mit auf Baustelle zu fahren", lobt Heilmann, während der angehende Maler leicht errötend daneben steht.

Theoretisch zwei Ausbildungsplätze pro Bewerber

Laut der Bundesagentur für Arbeit kommen in Bayern rein rechnerisch fast zwei Ausbildungsplätze auf einen Bewerber. Tendenz im Vergleich zum Vorjahr: steigend. Noch extremer sind die Zahlen, wenn man unbesetzte Stellen und Bewerber ohne Lehrvertrag vergleicht. Denn es sind noch immer einige Jugendliche auf der Suche nach einem passenden Ausbildungsplatz. Ihnen stehen rechnerisch in Regionen wie Schwandorf, Deggendorf oder Passau 16, 14 und knapp zwölf freie Stellen zur Verfügung.

Diese Zahlen sind alarmierend, heißt es von der Handwerkskammer Bayern. In den nächsten Jahren bräuchten nämlich gut 22.000 Betriebe einen neuen Chef oder eine neue Chefin. Und ohne gute Nachwuchsarbeit ist das kaum zu stemmen. Nicht alle Betriebe könnten sich wie die Firma Ulsamer drei Mitarbeitende leisten, die sich um die Nachwuchsförderung kümmern.

Einstieg noch bis in den Oktober hinein möglich

Bei der Industrie- und Handelskammer für München und Oberbayern hofft man derweil, dass möglichst viele junge Menschen die Möglichkeit wahrnehmen, auch nach dem Stichtag noch eine neue Ausbildung anzufangen. Grundsätzlich ist das noch bis in den Oktober hinein möglich. Für die Vermittlung gibt es einige Ausbildungsplatzbörsen, die vom Freistaat und den Wirtschaftsverbänden betrieben werden.

Zurücklehnen kann sich unterdessen Lena Heilmann vom Malerbetrieb Ulsamer. Sie hat zwei Ausbildungsplätze besetzt und ist damit sehr zufrieden. Aber sie gibt auch zu: Gerne hätte sie noch jemanden zusätzlich aufgenommen, denn: "Wir bilden aus, weil sich das so gehört", sagt die Mittdreißigerin im Brustton der Überzeugung. "Das tut ja nicht nur uns gut, sondern der ganzen Branche."

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