Der ehemalige sowjetische Staatschef Michail Gorbatschow im Jahr 1999
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Der ehemalige sowjetische Staatschef Michail Gorbatschow im Jahr 1999

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Tod von Gorbatschow: Politiker würdigen "Mann des Friedens"

Die Nachricht seines Todes hat weltweit Anteilnahme ausgelöst: Michail Gorbatschow galt als einer der Väter der Deutschen Einheit und als Wegbereiter für das Ende des Kalten Krieges. Eine Übersicht der internationalen Reaktionen.

Über dieses Thema berichtet: BAYERN 3-Nachrichten am .

Der Tod des früheren sowjetischen Staatschefs Michail Gorbatschow hat international Anteilnahme ausgelöst. Der Friedensnobelpreisträger starb am Dienstag "nach langer schwerer Krankheit", wie das Zentralkrankenhaus in Moskau nach Angaben russischer Nachrichtenagenturen mitteilte.

In Deutschland und im Westen allgemein wurde Gorbatschow, der die Sowjetunion von 1985 bis 1991 führte, als großer Staatsmann angesehen und mit dem Kosenamen "Gorbi" gefeiert. Viele Russen lasteten ihm hingegen den Zusammenbruch der Sowjetunion und das Chaos nach dem Ende des Kommunismus an.

Putin spricht Gorbatschows Angehörigen "tiefstes Beileid" aus

Russlands Präsident Wladimir Putin sieht den Zusammenbruch der Sowjetunion als die "größte geopolitische Katastrophe des 20. Jahrhunderts" und versprach, das Land zu alter Stärke zurückzuführen. In der Ukraine führt Russland seit über einem halben Jahr einen Angriffskrieg. Am Dienstag sprach Putin Gorbatschows Angehörigen sein "tiefstes Beileid" aus, wie Kreml-Sprecher Dmitri Peskow mitteilte. "Am Morgen wird er seiner Familie und seinen Freunden ein Kondolenztelegramm schicken."

Der prominente russische Außenpolitiker Konstantin Kossatschow wiederum bezeichnete den Tod Gorbatschows als Tragödie für sein Land. "Gorbatschow hat einen Weg geebnet, den unser Volk in den letzten dreieinhalb Jahrzehnten sonst nicht hätte gehen können", schrieb er im Nachrichtenkanal Telegram. Dieser Weg sei schwierig gewesen - anders als in den 1970-Jahren zuvor sei er aber in die richtige Richtung gegangen. "Bei aller Widersprüchlichkeit der Ergebnisse verdient Gorbatschow Respekt und er verdient es, dass an ihn erinnert wird."

  • Zum Artikel: "Hoffentlich hat er bereut": So trauern Russen um Gorbatschow

"Mann mit bemerkenswerter Vision" und "einzigartiger Staatsmann"

Weltweit erinnerten Politiker nach der Todesnachricht an das Vermächtnis von Gorbatschow. US-Präsident Joe Biden würdigte Gorbatschow als "Mann mit bemerkenswerter Vision" und "Anführer, wie es ihn selten gibt", der die Welt "sicherer" gemacht habe.

UN-Generalsekretär António Guterres zeigte sich "zutiefst traurig". Er bezeichnete den Friedensnobelpreisträger als "einzigartigen Staatsmann, der den Gang der Geschichte verändert hat".

Gorbatschows Rolle für den Frieden und Europa

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen stellte Gorbatschows Bedeutung für Europa heraus und erklärte, er habe "eine entscheidende Rolle bei der Beendigung des Kalten Krieges und dem Fall des Eisernen Vorhangs" gespielt und "den Weg für ein freies Europa" geebnet.

Frankreichs Staatschef Emmanuel Macron nannte Gorbatschow einen "Mann des Friedens, dessen Entscheidungen den Russen den Weg zur Freiheit eröffnet haben". Und: "Sein Engagement für den Frieden in Europa hat unsere gemeinsame Geschichte verändert."

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Reaktionen aus Deutschland

Auch mehrere Bundespolitiker honorierten den Friedensnobelpreisträger kurz nach Bekanntwerden seines Todes.

Olaf Scholz würdigte Gorbatschow als mutigen Reformer. Dieser habe Vieles gewagt, sagte der Bundeskanzler am Rande der Kabinettsklausur auf Schloss Meseberg. Seine Politik habe es möglich gemacht, "dass Deutschland vereint werden konnte und der Eiserne Vorhang verschwunden ist". Auch Russland habe dank Gorbatschow den Versuch unternehmen können, eine Demokratie zu etablieren.

Nun sei er in einer Zeit gestorben, "in der nicht nur die Demokratie in Russland gescheitert ist", sondern in der Putin auch neue Gräben in Europa ziehe. "Gerade deshalb denken wir an Michail Gorbatschow und wissen, welche Bedeutung er für die Entwicklung Europas und auch unseres Landes in den letzten Jahren hatte", sagte Scholz.

Steinmeier zu Gorbatschow: "Ich verneige mich vor einem großen Staatsmann"

"Ich verneige mich vor einem großen Staatsmann", hieß es in einem Kondolenzschreiben von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier an Gorbatschows Tochter Irina Wirganskaja, wie das Bundespräsidialamt am Mittwoch mitteilte. "Deutschland bleibt ihm verbunden, in Dankbarkeit für seinen entscheidenden Beitrag zur deutschen Einheit, in Respekt für seinen Mut zur demokratischen Öffnung und zum Brückenschlag zwischen Ost und West, und in Erinnerung an seine große Vision von einem gemeinsamen und friedlichen Haus Europa", schrieb Steinmeier demnach weiter.

Bayerns Ministerpräsident Markus Söder trauert nach eigener Aussage um "Michail Gorbatschow, der früher als andere die Zeichen der Zeit erkannte, den Kalten Krieg beendete und eine lange Periode des Friedens möglich machte. Den Weg zur Deutschen Einheit hat er ohne Zögern eröffnet." Deutschland habe ihm viel zu verdanken.

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"Neue Wegen zu gehen, bedarf Mut. Gerade in der Politik. Gorbatschow war einer der Mutigen", hieß es von SPD-Chef Lars Klingbeil.

Göring-Eckardt: "Seine Worte haben uns ermutig"

Ohne Gorbatschow "wären die friedlichen Revolutionen in den Ländern des Ostblocks, bei uns, so nicht denkbar gewesen", schrieb die Bundestagsvizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt (Die Grünen) auf Twitter. "Seine Worte haben uns, haben mich, ermutigt, stark gemacht."

"Sein Tod bedrückt. In dieser Zeit noch mehr", äußerte Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (Die Grünen) ebenfalls auf Twitter.

CDU-Chef Friedrich Merz schrieb: "Ohne Michail Gorbatschow wäre die deutsche Einheit in Freiheit nicht möglich gewesen. Die CDU trauert um einen Staatsmann, dem Deutschland vertrauen konnte und der uns vertraut hat."

Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) nannte Gorbatschow einen "mutigen Überzeugungstäter, dessen Stimme fehlen wird".

Von der Linkspartei äußerte sich Bundestagsfraktionschef Dietmar Bartsch. "Gorbatschow hat die Welt verändert", schrieb er und erinnerte an die Schlagworte von Gorbatschows neuer Politik, die in der DDR von vielen begierig aufgenommen wurden: Perestroika (Umgestaltung) und Glasnost (Offenheit). "Das einziges Autogramm, das ich mir jemals holte, ist von ihm."

Ex-Bundesfinanzminister Waigel regt Dankgottesdienste für Gorbatschow an

Auch der frühere Bundesfinanzminister Theo Waigel hat seine Anteilnahme zum Tod des ehemaligen sowjetischen Staatschefs Michail Gorbatschow ausgedrückt. Im Interview mit der Bayern2-Radiowelt bezeichnete er ihn als politischen und persönlichen Freund: "Gorbatschow hat der Freiheit und der Souveränität der Völker in Mittel- und Osteuropa die Tür aufgemacht, und er ließ sie selbst entscheiden. Er hat die deutsche Wiedervereinigung ermöglicht. Das sind unglaubliche Taten, die bleiben bestehen, auch wenn Putin jetzt eine andere Politik verfolgt." Da es für Berliner Politiker schwierig sei, in dieser Zeit nach Russland zu fahren, wünscht sich Waigel hier in Deutschland Dankgottesdienste für Gorbatschow an vielen Orten, an denen die Bevölkerung teilnehmen könne. Der ehemalige sowjetische Staatschef sei für ihn ein christlicher Bruder, dem Deutschland unglaublich viel verdanke und der auch sein eigenes Leben mitgeprägt habe.

Theo Waigel
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Theo Waigel

Der sowjetische Präsident Michail Gorbatschow sprach 1990 vor einer Gruppe von 150 Führungskräften aus der Wirtschaft.
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Der sowjetische Präsident Michail Gorbatschow sprach 1990 vor einer Gruppe von 150 Führungskräften aus der Wirtschaft.

Wer kommt zur Beerdigung?

Beerdigt wird Gorbatschow auf dem Nowodewitischi-Friedhof in Moskau - einem Friedhof, auf dem seit Sowjetzeiten ausschließlich Ehrenbürger wie Politiker, Künstler, Wissenschaftler oder Militärangehörige beerdigt werden. Gorbatschow wird dort neben seiner Frau Raissa Gorbatschowa liegen. Das hatte der Staatsmann schon lange vor seinem Tod geregelt.

Welche internationalen Gäste zur Beerdigung kommen werden, ist jedoch unklar. So sind nicht nur viele ranghohe Politiker der EU von russischer Seite als Reaktion auf die westlichen Sanktionen mit Einreiseverboten belegt worden. Gesperrt ist auch der Luftraum in Russland für "unfreundliche EU-Staaten". Und: Viele westliche Politiker meiden wegen des von Putin befohlenen Angriffskrieges den Kontakt mit Russland.

"Ich hoffe, dass der russische Staat seinem früheren Staats- und Regierungschef die Ehre erweist, die ihm gebührt", sagte Scholz auf die Frage eines Journalisten am Mittwochmittag in Meseberg. Bezüglich einer eigener Reise nach Russland zur Beerdigung wollte er sich nicht äußern.

Mit Material von AFP, AP und dpa.

Das Bild vom 16. Juli 1990 zeigt Bundeskanzler Helmut Kohl (rechts) und Michael Gorbatschow (Mitte) während einer Gesprächspause im Garten von Gorbatschows Gästehaus in Archiz zusammen mit Hans-Dietrich Genscher (links), Hans Klein, Theo Waigel, Raissa Gorbatschowa, UdSSR-Finanzminister Pawlow und Eduard Schewardnadse.
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Das Bild vom 16. Juli 1990 zeigt Bundeskanzler Helmut Kohl (rechts) und Michael Gorbatschow (Mitte), hinter diesem steht Theo Waigel.