Die Ukrainerin Maryna wird in der ReDi-School of Digital Integration zur IT-Fachkraft ausgebildet.
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Die ReDI-School of Digital Integration bildet deutschlandweit Menschen mit Migrationshintergrund im IT-Bereich aus.

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Fachkräftemangel: Neustart für Flüchtlinge in der IT-Branche

Es ist ein neuer Rekord: 67.924 Stellen waren 2022 im IT-Bereich unbesetzt. Die ReDI-School of Digital Integration bildet deutschlandweit Menschen mit Migrationshintergrund im IT-Bereich aus. Eine kleine Hilfe bei einem großen Problem.

Über dieses Thema berichtet: Abendschau - Der Süden am .

Maryna Yarotska ist aus ihrer ukrainischen Heimat Charkiw geflohen, zusammen mit ihrer Mutter und ihren beiden Kindern Tim und Milada. Der Vater musste zurückbleiben im Krieg. Über Bekannte haben sie eine Einzimmerwohnung mit Wohnküche in München bekommen. Seit einem Jahr leben sie hier.

Maryna ist promovierte Juristin, hat in ihrer Heimat als Anwältin gearbeitet. Doch der ukrainische Abschluss ist in Deutschland nicht anerkannt. Sie müsste nochmal ein komplettes Jurastudium absolvieren. Das dauert ihr zu lang. Weiter auf Staatskosten leben ist für sie keine Option. "Ich will in Deutschland eine neue Karriere machen", sagt sie.

IT-Schulungen für Menschen mit Migrationshintergrund

Über das Jobcenter erfährt Maryna von der ReDI-School of Digital Integration. Die gemeinnützige Organisation bietet kostenlose Digitalkurse überwiegend für Menschen mit Migrationshintergrund an, damit diese eine Chance auf dem deutschen Arbeitsmarkt bekommen. Während der Flüchtlingskrise 2015 in Berlin gegründet, ist die ReDI-School of Digital Integration inzwischen an fünf Standorten in Deutschland vertreten. Auch in München. Maryna bewirbt sich und wird genommen.

Digital-Kurse auf Bedürfnisse der Studierenden zugeschnitten

Im Auswahlverfahren der ReDI-School werden die Bewerber auf Motivation und Vorkenntnisse geprüft. Maryna hatte noch nie etwas mit IT zu tun. Sie hat sich für Front-End Development, die Bearbeitung von Bedienungsoberflächen von Webseiten, entschieden und kommt in den Anfängerkurs dieses Schwerpunkts.

Andere Studierende steigen in einem höheren Level ein. Auch die Dauer des Trainings variiert je nach Bedarf des jeweiligen Studierenden. Gelehrt wird alles, was man braucht, um in der Tech-Branche Fuß zu fassen. Dazu gehören auch Bewerbungstrainings.

Speziell für Frauen bietet die ReDI-School Bildungsangebote am Wochenende mit Kinderbetreuung an. Die Organisation konnte ihren Frauenanteil dadurch von 20 auf 60 Prozent erhöhen.

Training an ReDI-School ersetzt weder Studium noch Berufsausbildung

Trotz des umfassenden Bildungsangebots ersetzt die ReDI-School keine Berufsausbildung oder gar ein Studium an einer Universität in Deutschland. "Wir bilden natürlich keine fertigen Senior-Tech-Experten aus, das muss man ganz klar sagen. Bei uns geht es wirklich darum, einen Anfang zu starten. Das heißt, das ist wirklich nur der Beginn von der ganzen Journey in die Tech-Branche", sagt Sophie Jonke, Leiterin der ReDI-School of Digital Integration in München. Immerhin rund 4.000 Absolvierende hat die ReDI-School alleine am Standort München.

Hürde Sprachkenntnisse und Berufserfahrung

Maryna Yarotska hat ihren Kurs beendet und bewirbt sich auf Junior-Stellen und Praktika. 25 Bewerbungen hat sie rausgeschickt. Es kommen viele Absagen, manche Unternehmen melden sich gar nicht. Beim Technologie-Konzern Cisco hat sie ein Vorstellungsgespräch für ein Internship, ein bezahltes Praktikum. Maryna wartet auf das Ergebnis. "Sie müssen dich unter vielen auswählen, das ist nicht leicht," sagt sie.

Parallel besucht Maryna ein Fortbildungsprogramm an der ReDI-School, bei dem Absolventen mit realen Kunden zusammenarbeiten. Das verschafft ihnen Berufserfahrung für den Lebenslauf. Und Maryna lernt Deutsch. Fehlende Berufserfahrung und mangelnde Sprachkenntnisse in Deutsch sind Hürden bei der Bewerbung, die sie überwinden will.

Fachkräftemangel im IT-Bereich eklatant

Auch wenn Absolventen von der ReDI-School oftmals im jeweiligen Unternehmen nochmal geschult werden müssen, bevor sie als vollwertige Arbeitskräfte eingesetzt werden können, sind sie wertvoll für den Arbeitsmarkt. Der Fachkräftemangel im IT-Bereich ist eklatant. 67.924 Stellen waren im Bereich der Informationstechnik vergangenes Jahr bundesweit unbesetzt, so das Institut der Deutschen Wirtschaft.

Technologiekonzern Cisco nimmt Absolventen von der ReDI-School

Der US-amerikanische Technologie-Konzern Cisco ist eines der Unternehmen, die vom Fachkräftemangel betroffen sind. Rund 50 Stellen in verschiedenen Positionen sind alleine am Standort München derzeit offen. Die Lücke schließen ist unmöglich.

Absolventen von der ReDI-School helfen nicht direkt, so Jutta Gräfensteiner, Mitglied der Geschäftsleitung Cisco Deutschland. Man könne sie nicht auf volle Stellen setzen, aber sie seien ein wichtiger Baustein. ReDI-Studenten würden in einem Einstiegslevel einsteigen und sich innerhalb des Unternehmens, wie Cisco oder anderer Marktbegleiter, weiterbilden, erklärt Gräfensteiner. "Wir brauchen diese Absolventen, um den Fachkräftemangel in diesem Bereich des Jobeinstiegs zu lösen."

Bezahltes Praktikum bereitet auf Jobs vor

Maryna bekommt die Zusage für ein Internship bei Cisco. Sechs Monate lang wird sie alles lernen, was sie braucht, um in den Job zu kommen. Wenn sie sich gut anstellt, wird sie übernommen. "Das ist der erste große Schritt bei meiner Job-Karriere in Deutschland", so Maryna. Ihre Stimme zittert ein wenig, als sie das sagt, vor lauter Freude und Aufregung.

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