Sorgenfalten, aber keine Panik: Eine Aktienhändlerin an der Börse in Frankfurt beobachtet am Donnerstag die Kursentwicklung auf ihrem Monitor.
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Sorgenfalten, aber keine Panik: Eine Aktienhändlerin an der Börse in Frankfurt beobachtet am Donnerstag die Kursentwicklung auf ihrem Monitor.

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Crédit Suisse rauscht ab – was Verbraucher jetzt wissen müssen

Strauchelnde Geldhäuser, einspringende Zentralbanken, abstürzende Kurse: Der Fall Crédit Suisse weckt Erinnerungen an die Banken- und Finanzkrise 2008. Beobachter empfehlen aber, jetzt Ruhe zu bewahren. BR24 beantwortet die wichtigsten Fragen.

Über dieses Thema berichtet: Wirtschaft am .

Die Schweizer Bank Crédit Suisse erlebt dieser Tage einen erdbebengleichen Kursrutsch. Innerhalb eines Tages ist der Aktienkurs um bis zu 30 Prozent auf ein historisches Tief abgerauscht. Auslöser war die Bekanntgabe der Bilanz aus 2022: Die Bank hatte einen Verlust von 7,3 Milliarden Franken (etwa 7,4 Milliarden Euro) eingefahren.

  • Zum Artikel: "Kollaps der Silicon Valley Bank: Beben bis Deutschland spürbar"

Der Kursrutsch dürfte auch so extrem ausgefallen sein, weil es an den Börsen und Aktienmärkten sehr viel um Psychologie und Vertrauen geht. Grund für Panik gibt es aber wohl trotzdem nicht.

Was genau ist denn passiert?

Vorab: Die Crédit Suisse (CS) ist kein unbeschriebenes Blatt. In der jüngeren Vergangenheit gab es bei der Bank eine ganze Reihe von kleinen und größeren Skandalen. Da war beispielsweise der Verdacht auf Beihilfe zur Steuerhinterziehung in den USA. Und auch beim Geschäftsmodell hatte die Crédit Suisse nach der Banken- und Finanzkrise 2008 kaum etwas dazugelernt: Man setzte weiter auf Investmentbanking, obwohl der Trend seitdem zu sichereren und vor allem für Kleinkunden freundlicheren Geschäftsmodellen gegangen war.

Noch bis vor wenigen Wochen hatte man trotzdem an dem stark gewinnorientierten Modell festgehalten – obwohl reihenweise Kundinnen und Kunden abgewandert waren. Nun kam also noch die miserable Jahresbilanz dazu und der Absturz war nicht mehr aufzuhalten.

Die Crédit Suisse hat ihren Sitz in Zürich und gehört zu den größten Banken der Welt. Sie gilt laut Finanzstabilitätsrat (FSB), der nach der Banken- und Finanzkrise 2008 eingerichtet wurde, als systemisch bedeutsames Finanzinstitut. Auch deshalb hat die Schweizer Notenbank so zügig zugesagt, die Bank zu unterstützen. Zur Crédit Suisse Group gehören auch die "Bank-now AG" und die "Fides Treasury Services AG".

Ist mein Geld jetzt sicher?

Für Kleinanlegerinnen und Kleinanleger, die die Grundregeln der Geldanlage kennen und beherzigen – Anlagen streuen, zu hohes Risiko vermeiden – gibt es objektiv gesehen keinen Grund, jetzt die Ersparnisse daheim zu horten. Zum einen, weil es endlich wieder Sparzinsen gibt, was bei den aktuellen Inflationszahlen für viele Sparerinnen und Sparer ein Segen sein dürfte. Zum anderen sind Sparguthaben in Deutschland in mehrfacher Hinsicht geschützt und dadurch auch vielfältig gesichert.

Da ist zum einen die gesetzliche Einlagensicherung bis 100.000 Euro. Darüber hinaus gibt es weitere Sicherungen durch Beistandspflichten der öffentlichen Sparkassen und der genossenschaftlichen Volks- und Raiffeisenbanken und bei Privatbanken einen Sicherungsfonds.

Trotzdem: droht jetzt eine neue Bankenkrise?

Aktuell spricht wenig dafür. Die Crédit Suisse wird wohl von der Schweizer Nationalbank gestützt - mit 50 Milliarden Franken. Beobachterinnen und Beobachter bewerten den Fall Crédit Suisse zudem als ziemlich isolierten Ausreißer. Vor allem, weil es eine Schweizer Bank ist, die nicht an die europäische Regulatorik gebunden ist.

Dass die Crédit Suisse so kurz nach der Silicon Valley Bank ins Straucheln gerät, dürfte vor allem ein zeitlicher Zufall sein. Trotzdem darf man vermuten, dass die Verunsicherung, die durch den Fall in den USA entstanden ist, auch dafür gesorgt hat, dass der Rutsch bei der Schweizer Bank so heftig ausgefallen ist.

Wie sieht es bei den deutschen Banken aus?

Zwar sind im Zuge des Kursrutsches der Crédit Suisse auch die Aktienwerte deutscher Banken abgesackt, teilweise um sieben Prozent, unter anderem der Commerzbank und der Deutschen Bank. Allerdings eher, weil sie von ihren Anlegerinnen und Anlegern in eine Art Sippenhaft genommen wurden, nicht, weil diese Banken tatsächlich etwas falsch gemacht hätten.

Denn als Lehre aus der Banken- und Finanzkrise 2008 und auf politischen Druck hin haben die großen deutschen Banken durchaus Reformen durchgeführt, deretwegen sie heute auf deutlich festeren Füßen stehen. Man setzte unter anderem auf ein neues Management und weniger Investmentbanking. Hinzukommen die deutlich strengeren Regulatorik-Maßnahmen aus der EU und auf Bundesebene.

Diese Maßnahmen haben offenbar auch gegriffen: Die Banken auf dem deutschen Finanzmarkt kommen aktuell gut mit der Zinswende zurecht, obwohl die eigentlich eine Komplett-Umstellung des Geschäftsmodells der vergangenen sechs, sieben Jahre bedeutet – als würden die Banken ihr Gewicht vom einen Bein auf das andere verlagern. Deshalb ist davon auszugehen, dass deren Aktienkurse sich auch zeitnah wieder erholen.

Wie reagiert die Politik auf den Fall Crédit Suisse?

Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) sagte im Talkshow-Format Maischberger, die Bundesregierung sei mit allen Beteiligten zum Thema im Austausch. Mit der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin) gebe es zudem eine leistungsfähige Finanzaufsicht in Deutschland, die, genau wie die Bundesbank, eine "stabilitätspolitische Tradition" habe. Wörtlich sagte Lindner: "Das deutsche Kreditwesen, private Banken, Sparkassen, genossenschaftliche Institute, sind stabil. Und dafür sorgen wir auch weiter."

Auch Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) befürchtet keine erneute Bankenkrise. Die Reaktion der US-Regierung auf die Pleite der Silicon Valley Bank ließen ihn verhalten positiv sein, dass genau das nicht passiere, sagte er zum Beginn der Woche. Es zeige sich auch, dass die Maßnahmen, die in Europa nach dem Zusammenbruch der Banken 2008 ergriffen worden seien, wirksam seien.

Was tun die Zentralbanken, um eine Kursrutsch-Welle zu verhindern?

In einem weiteren Sinne sind auch die Zentralbanken Organe der Finanzpolitik. Und die versuchen gerade überall, die strauchelnden Geldhäuser zu stützen: Für die Silicon Valley Bank wurden in den USA Hilfsgelder aus Staatsfonds zugesagt, in der Schweiz eilt die Nationalbank zu Hilfe.

Und die Europäische Zentralbank (EZB) hat sich heute positioniert: Sie bleibt bei ihrem Kurs der konsequenten Inflationsbekämpfung und hat ihren Leitzins um 0,5 Prozentpunkt auf 3,5 Prozent angehoben. Dadurch geraten die Banken zwar noch mehr unter Druck, ihre Kundschaft zum Sparen zu bewegen - aber die EZB scheint davon auszugehen, dass die Geldhäuser in der EU stabil genug sind, um das zu stemmen.

Und was hat das alles mit Psychologie zu tun?

Überraschend viel. Das Verhalten der Sparerinnen und Sparer ist aktuell so entscheidend wie lange nicht mehr, für die unmittelbare Zukunft des Finanzsystems. Denn würden sie jetzt in Panik geraten und ihre Ersparnisse von der Bank holen, würden die Banken ziemlich schnell ihre Liquidität verlieren und sich nicht mehr über Wasser halten können.

Denn um all das Ersparte auszahlen zu können, müssten viele Banken zunächst mal an liquides Geld kommen. Dafür müssten sie ältere Anleihen, die keinen Zins abwerfen, vorzeitig verkaufen. Diese Papiere haben aber zuletzt enorm an Wert verloren, sodass dieser Verkauf unterm Strich mit einem finanziellen Verlust einhergeht. So einen Bank Run gilt es aus Sicht von Politik und Wirtschaft zu verhindern.

Bisher allerdings bleiben die deutschen Sparerinnen und Sparer aber offenbar ziemlich gelassen. Der DAX hat sich am Tag nach dem Abrutsch wieder erholt. Sollte das so bleiben, ist fürs Erste auch nicht zu befürchten, dass die nächste Pleite eine deutsche Bank trifft.

Schweiz, Zürich: Ein Fenster mit dem Schriftzug der Credit Suisse.
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Schweiz, Zürich: Ein Fenster mit dem Schriftzug der Credit Suisse.

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