Verschiedene Bierflaschen im Regal eines Getränkemarktes
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Biermarken im Getränkeregal: Wieviel Preiserhöhung verträgt die Kundschaft ?

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Bier aus Bayern: Haben Traditionsbrauereien noch eine Zukunft?

Bayern ist ein Bierland. Aber wie lange noch? Die mittelständisch geprägte Branche im Freistaat kämpft mit schwindendem Bierdurst, Kostendruck und globalen Mega-Marken. Ein harter Kampf ums Überleben. Der läuft teilweise aber noch recht erfolgreich.

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Über dieses Thema berichtet: BR24 am .

In keinem anderen Bundesland wird so viel Bier gebraut wie in Bayern. Viele Menschen im Freistaat identifizieren sich noch mit "ihren" Brauereien vor Ort. Doch diese geraten immer häufiger in Bedrängnis: durch sinkende Nachfrage, explodierende Kosten und die harte Konkurrenz.

Bayerische Brauereien behaupten sich besser als andere

Auch 2023 war wieder ein hartes Jahr für die Brauereien. Deutschlandweit gab es beim Absatz ein Minus von 4,5 Prozent im Vergleich zu 2022 – ein historischer Tiefstwert. Etwas besser lief es für die bayerischen Brauer: Hier lag das Minus "nur" bei 2,5 Prozent. Damit ist der Rückgang im Freistaat niedriger als in den meisten anderen Bundesländern. Ein möglicher Grund: Die mittelgroßen Brauereien haben noch einen höheren Marktanteil als im Rest der Republik. Sie sind in Ihren Regionen stark verwurzelt – Bier wird in Bayern regional gekauft. Aber auch der Export ist stark: Etwa ein Viertel der bayerischen Bierproduktion ging 2023 ins Ausland.

Dennoch sind die Brauer auch im Freistaat besorgt. Da sind zum einen die explodierenden Kosten: Unter teurer Energie, teurem Glas und teuren Rohstoffen leiden gerade die kleinen und mittelgroßen Betriebe. Die großen Konkurrenten erhöhen derweil den Preisdruck.

Biertrinken gehört immer seltener zum Alltag

Und: Bier wird immer mehr zu einem "Situationsgetränk". Viele Menschen achten heute mehr auf ihren Alkoholkonsum. Bier sei keine Selbstverständlichkeit mehr, die einfach zum Tagesablauf dazugehört, so Lothar Ebbertz, Hauptgeschäftsführer des Bayerischen Brauerbundes: "Was wir aus früheren Generationen kennen – zum Abendbrot gibt’s immer eine Halbe Bier – das ist uns mittlerweile abhandengekommen." Dieser Wegfall des Alltagskonsums ist laut Experten ein wichtiger Grund für den sinkenden Absatz. Im Jahr 1993 lag der durchschnittliche Jahreskonsum eines Deutschen noch bei gut 130 Litern. Im Jahr 2022 waren es nur noch rund 87 Liter Bierkonsum.

Von dem sinkenden Absatz sind aber nicht nur die Brauereien direkt betroffen. Auch andere Branchen haben zu kämpfen, vom Hopfenanbau über Etiketten-Druck und Hochglanzwerbung im TV bis zur Flaschenabfüllanlage wird mit Bier Geld verdient, bevor es in Gaststätten und Getränkehandel an den Endverbraucher verkauft wird.

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Rund 10.000 Jobs bieten Bayerns Brauer, drumherum lebt noch eine Vielzahl anderer Branchen vom Bier

Im Mittelpunkt stehen aber natürlich die Brauereibetriebe, die mit ihren Rezepturen, Innovationen und Investitionen den Biermarkt prägen. 624 Brauereien gab es in Bayern im Jahr 2022 noch.

Die Großen auf dem Biermarkt ...

So bunt, regional und vielfältig diese bayerische Unternehmenslandschaft auf den ersten Blick scheint, gibt es doch ein Merkmal, das die Bierwelt eindeutig ordnet. Ist eine Brauerei privat geführt, mit eindeutiger regionaler Zuordnung und Inhabern, die man kennt und die für ihr Produkt stehen? Oder agiert sie international, groß, mächtig und anonym?

Rund dreiviertel der weltweiten Bierproduktion, das sind rund 1,4 Milliarden Hektoliter pro Jahr, stammen laut BarthHaas-Bericht von nur zehn global agierenden Multis. Angeführt von der belgischen Brauereigruppe Anheuser Busch InBev (Weltmarktanteil rund 30 Prozent) sind neun davon börsennotierte Kapitalgesellschaften – eine gehört dem chinesischen Staat.

... gegen die kleinen Brauereien

Diesem Wettbewerb stellen sich in Deutschland rund 1.100 Brauereien mit weniger als 500.000 Litern Jahresproduktion. Was viel klingt, produziert dennoch wenig. Obwohl die Kleinbrauereien knapp dreiviertel aller Braustätten in Deutschland ausmachen, produzieren sie weniger als ein Prozent des gesamtdeutschen Bierausstoßes.

Bayerns Brauereien gut bei ihren Kunden verankert

Die Brauereien in Bayern schlagen sich dabei allerdings vergleichsweise erfolgreich. Der Verband Private Brauereien e.V. zählt rund 400 inhaber- und familiengeführte Brauereien in Bayern. Die aber haben eine gesunde Größe und sind gut verankert, so Lothar Ebbertz. "Die bayerische Brauwirtschaft hat über die Jahrzehnte hier noch einen vergleichsweise stabilen Mittelstand erhalten können." Es gebe hier noch einige Traditionsunternehmen, familiengeführt, oft Jahrhunderte alt, mit denen sich die Menschen am Ort identifizierten. "Das macht sie ein bisschen widerstandsfähig gegen die Schärfe des Wettbewerbs, der in unserem Markt herrscht", so Ebbertz.

Entsprechend ist auch der Marktanteil der mittleren Brauereien in Bayern noch um einiges höher als im Rest Deutschlands, wie die folgende Grafik zeigt:

Brauereisterben schon seit Jahren

Doch mit markentreuen Thekentrinkern und absatzstarken Volksfesten kann auch im Freistaat das wirtschaftliche Überleben allein nicht mehr gesichert werden. Wirtshaussterben, Wetterkapriolen und Corona sind Krisenvokabeln der jüngeren Branchen-Vergangenheit. Eine nationale Studie des deutschen Brauerbundes prognostizierte bereits 2003 für mittlere Brauereien eine "Wettbewerbsklammer zwischen nationalen Brauereien und Handelsmarken" und vermisste "eine spürbar höhere Vertriebsdynamik". Brauereisterben sorgt seither immer wieder für Schlagzeilen - vom Erdinger Traditionsbräu Bachmayer bis zur Frankfurter Binding-Brauerei traf und trifft es fast alle Größenklassen.

Bayern verliert vor allem im mittleren Segment Traditionsbetriebe. Anders als in anderen Bundesländern steht diesem Rückgang keine Vielzahl an Neugründung von Gasthaus- und Kleinstbrauereien gegenüber. "Die gibt es zwar auch in Bayern, aber die Stilllegung von Brauereien gerade im mittelständischen Bereich dominiert und ist stärker als die Zahl der Neugründungen," sagt Lothar Ebbertz vom Bayerischen Brauerbund. Hier finde eine Verschiebung der Struktur statt.

So haben mittelständische Brauereien bisher überlebt

In der Vergangenheit lebten die großen "Fernsehbiere" von der Bekanntheit ihrer Marke und brauten dazu den passenden Gerstensaft. Bei den kleinen und mittleren Brauereien war es genau umgekehrt. Nicht selten mit preisgekrönten Bierspezialitäten im Angebot, waren sie doch selten überregional bekannt. Ein möglicher Ausweg: Mit Exotik in der Produktentwicklung Nischen besetzen.

30 Malz-und Hopfensorten, 60 verschiedene Hefen, um mit Geschmacksintensität den Unterschied zu machen. Damit findet zum Beispiel das "Rügener Inselbier" ("Wir sind der Winzer unter den Brauern") auch im bayerischen Getränkehandel einen Platz. Aber auch polarisierendes Marketing kann im Internetzeitalter klappen, wie beim vor allem in Niederbayern berühmt-berüchtigten "Arschlecken 350". Eine Bier-Erfindung des Kabarettisten Markus Langer, der eine kleine Brauerei fand, die es seitdem bundesweit vertreibt.

Kleine Hoffnung: Alkoholfreie Getränke

Auch Kooperationen haben in den vergangenen Jahren zugenommen, selbst bei den traditionell auf ihre Eigenständigkeit bedachten mittelständischen Brauhäusern. So erlaubt die Augsburger Riegele-Brauerei dem großen Wettbewerber Krombacher die lizenzierte Nutzung des Markennamens "Spezi". Die bayerische Staatsbrauerei Weihenstephan macht mit der belgischen St. Bernardus ein Obergäriges. Zutaten sind bayerische Hefe, Malz und Freisinger Wasser, aber der Hopfen kommt aus Belgien.

Erdinger hat es mit seinem neu entwickelten alkoholfreien Bier unter die Top 5 in diesem Segment geschafft – mit erheblichen Investitionen in Geschmack und Marketing als gesundheitsförderndes Fitnessgetränk. Alkoholfrei ist ein Hoffnungsträger der Branche, aber nicht jedes Brauhaus hat die Ressourcen dafür. Manche bieten daher von Wettbewerbern zugekauftes Alkoholfreies unter eigenem Markennamen an.

Lesen Sie hier mehr: Functional Drinks statt Feierabendbier - Oettinger geht neue Wege

Brauereien haben hohen Investitionsbedarf

Reorganisation von Abläufen und Investitionen in IT, Digitalisierung und Maschinenpark sind weitere Stichworte. Weihenstephan investierte gerade Millionen in einen Kombikeller für untergärige Biere, Schneider Weisse optimiert mit Robotern die Bierträger-Verladung. Inhaber Julian Schweiger will seine gleichnamige Privatbrauerei zum "digitalen Stammtisch" im Internetzeitalter machen, wo nicht nur gutes Bier, sondern Nachhaltigkeit, Heimat, Humor und Entschleunigung die Marke aufladen sollen. All diese Beispiele haben jedoch eins gemeinsam: Investitionsbedarf. Die nötigen Kredite dafür hängen auch von der Eigenkapitalbasis der Brauereien ab. Und die ist traditionell nicht immer gut.

Sorge beim Blick auf die Entwicklung beim Bierabsatz

Auf mehr Nachfrage kann die Branche jedenfalls nicht hoffen. Der Deutsche Brauerbund meldete ja kürzlich für 2023 den "schlechtesten Jahresausstoß der Nachkriegsgeschichte". Und auch der Bayerische Brauerbund blickt besorgt auf die Entwicklung. "Die Stimmung der Brauereien ist nicht wirklich rosig, wir haben ein schwieriges Jahr 2023 hinter uns, mit schmerzhaften Absatzverlusten", so Geschäftsführer Lothar Ebbertz. Bayern sei aber mit seinem Minus von nur 2,5 Prozent mit einem blauen Auge davongekommen. "Aber auch das ist ein Minus, das den bayerischen Brauern weh tut."

Wie stark sich die Entwicklung des bayerischen Bierabsatzes von der in Gesamtdeutschland unterschiedet, zeigt die folgende Grafik:

Steigende Kosten machen Brauereien zu schaffen

Neben der gesunkenen Nachfrage machen vor allem gestiegene Kosten den Brauern das Leben schwer – Kostenschocks bei Energie, aber auch bei Glas und Braurohstoffen haben die Bierherstellung verteuert. Damit nicht genug, ist die Branche auch direkt von Klima-und Weltpolitik betroffen. Ein Beispiel: Angesichts von Dürreperioden und USA-Dominanz investieren Bayerns Hopfenbauern in Neuzüchtungen und hoffen auf Akzeptanz ihrer Abnehmer. Russland, einer der großen Bierkonsumenten auf dem Weltmarkt, wird beim Hopfenanbau immer autarker und war bis zum Überfall auf die Ukraine ein wichtiger Abnehmer bayerischer Biere. Mit rund 40 Millionen Litern pro Jahr war es das zweitwichtigste Exportland.

Export wichtiger Faktor für bayerische Brauereien

Bislang konnten die bayerischen Brauer dem Abwärtstrend durch ihre überdurchschnittliche Exportstärke trotzen. Etwa ein Viertel der bayerischen Bierproduktion geht ins Ausland. Lothar Ebbertz vom Bayerischen Brauerbund ist sicher: Dem Export verdankt Bayern die vergleichsweise stabile Entwicklung des Gesamtabsatzes.

Hier ist die bayerische Brauwelt allerdings zweigeteilt: Obwohl in Nordbayern 55 Prozent der bayerischen Brauereien angesiedelt sind, dominieren beim Export die südbayerischen Betriebe. Demgegenüber sorgen besonders in Oberfranken kleine- und mittelgroße Brauereien noch für eine regionale Vielfalt – mit den beschriebenen Problemen.

Aber auch die Großen im Süden machen Negativschlagzeilen. So zelebriert Paulaner-Chef Andreas Steinfatt Ende Februar seinen letzten Starkbieranstich auf dem Nockherberg. Sein überraschender Abgang soll mit dem wachsenden Einfluss von Miteigentümer Heineken zusammenhängen. Oettinger, in Deutschland groß, international eher klein, sieht sich wiederum gezwungen, vom Bier- zum Getränkehersteller zu werden. Unkommentiert lässt das Familienunternehmen Meldungen, wonach Großkunde ALDI das Karlskrone-Pils aus dem Sortiment nehmen will. Grund sollen laut Wirtschaftswoche unterschiedliche Preisvorstellungen sein.

Bierpreis spielt beim Kauf eine wachsende Rolle

Tatsächlich klagt die Branche über eine steigende Preissensibilität der Kundschaft. "Die Leute sind nicht bereit, viel Geld für Bier auszugeben, wenn ohnehin alles teurer wird", beschreibt es Dieter Scholz von der Kellerbrauerei Prittlbach. Für die Brauerei Veltins ist dieser "Sparreflex der Verbraucher" ein "Seismograf für die Befindlichkeiten der Menschen im Land, die durch politische Wirren und Inflation verunsichert sind".

Wenige Große, die über Menge und Umsatz mit Kampfpreisen die Discounter und den Getränkehandel dominieren und wenige Spezialitätenbrauer, die das Sortiment abrunden: Sieht so die Bierlandschaft der Zukunft aus? Sollte es so kommen, dürften viele mittelgroße Brauereibetriebe auch in Bayern keinen auskömmlichen Platz mehr finden.

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