Panorama der Stadt Ulm mit Wohnhäusern an der Donau
Bildrechte: dpa/Felix Kästle

Die Stadt Ulm steuert ihre Immobilienpreise: Baurecht gibt es nur, wenn die Stadt im Besitz aller Flächen eines Bebauungsplans ist.

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Bezahlbare Immobilien: Was Ulm erfolgreich anders macht

Eine eigene Wohnung oder ein Haus kaufen - das ist für viele Familien unmöglich. Die Stadt Ulm steuert erfolgreich dagegen. Dort steigen Immobilienpreise und Mieten nicht so extrem wie in anderen Großstädten.

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Der Traum vom Eigenheim bleibt in Deutschland für viele ein Leben lang unerfüllt. Die Hindernisse sind vor allem in Großstädten vielfältig. Auch wenn die Immobilienpreise seit Kurzem stagnieren - im Verlauf der vergangenen Jahre sind sie deutlich gestiegen und liegen daher insgesamt auf einem hohen Niveau. Die Zinsen ziehen derzeit an und auch die Energiepreise sorgen für Unsicherheit.

Ulm kauft Grundstücke auf Vorrat

Wie kann Eigentum wieder bezahlbar werden? Das baden-württembergische Ulm verfolgt einen deutschlandweit einzigartigen Ansatz. Seit 1890 kauft die Stadt Grundstücke in großem Stil, hortet sie und verkauft sie zum Beispiel nach ihren eigenen Kriterien weiter an Menschen, die bauen wollen. Rund 40 Prozent der Fläche gehören der Stadt - deutlich mehr als anderswo, sagt Markus Mendler vom Liegenschaftsamt Ulm im BR24 Podcast "Dreimal besser".

"Baurecht gibt es nur, wenn die Stadt im Besitz aller Flächen eines Bebauungsplans ist. Erst dann wird Baurecht geschaffen", erklärt Markus Mendler. "So wird der Spekulation ein großer Riegel vorgeschoben und es ist nachhaltig und preisdämpfend." Denn die Stadt Ulm entscheidet selbst, ob auf einer Fläche ein Spielplatz, Sozialwohnungen oder ein Kindergarten entstehen - nicht der Investor. Der Gemeinderat legt die Grundstückspreise vorher fest und verkauft nicht an denjenigen, der am meisten bietet. "Wir wollen, dass alle bauen können, die fleißige Sparer sind."

Spekulanten durch Wiederkaufsrecht ausgebremst

Dabei hilft auch das Wiederkaufsrecht, das sich Ulm vorbehält. "Wer ein Grundstück von der Stadt erwirbt, darf es unbebaut nicht weiter veräußern, sondern das geht dann zu den alten Bedingungen zurück ans Rathaus", erklärt Markus Mendler. Die Preise für Bauland, aber auch für Mieten in der 126.000-Einwohner-Satdt steigen dadurch verhältnismäßig moderat. Aktuell liegt der Mietspiegel bei rund 8,50 Euro.

Direkt hinter der bayerischen Grenze ist über die Jahrzehnte ein schwäbisches Modell mit Vorbildcharakter entstanden. Immer wieder lassen sich auch andere Gemeinden, die ihren Immobilienmarkt in den Griff bekommen wollen, dort beraten. Allerdings ist es für Ulm natürlich ein Vorteil, dass diese Praxis bereits seit über 130 Jahren gelebt wird. Ein gewisser "Pool an Grundstücken" müsse zur Verfügung stehen und eine "entsprechende Ideologie" zu Grunde liegen, gibt Markus Mendler zu. "Der Markt ist derzeit sehr dynamisch und es wird immer schwieriger, diese Praxis auszuüben."

Blick ins Ausland: Wo sich auch junge Menschen Immobilien leisten

Im europaweiten Vergleich besitzen die Deutschen wenig Wohneigentum - rund 50 Prozent leben zur Miete. Vor allem junge Leute können sich kaum eine Immobilie leisten. Anders ist das beispielsweise in den Niederlanden. Dort kaufen die Menschen bereits ab einem Alter von Mitte 20 die erste eigene Wohnung und dann im Schnitt alle sieben Jahre eine neue.

Auch diese Tradition ist historisch gewachsen, meint Immobilienmaklerin Sabine Schwiemann, die in beiden Ländern beruflich aktiv ist. "Die Niederlande sind eine Seefahrernation und insgesamt viel mobiler als wir Deutschen. Man gibt das Geld für andere Zwecke aus, als für repräsentatives Wohnen." Oft werde schneller und pragmatischer gebaut, zum Beispiel mit Fertigbauten.

Befreiung von Grunderwerbssteuer unter 35 Jahren

Außerdem bietet der Staat Anreize: Wer seine Immobilie selbst nutzt, zahlt weniger Grunderwerbssteuer als beim Zweck der Weitervermietung. Menschen unter 35 Jahren sind von dieser Steuer bei Eigennutzung seit 2021 sogar komplett befreit. Obwohl auch in den Niederlanden die Immobilienpreise steigen, bleibt der Markt damit für junge Leute attraktiv.

Das liegt laut Maklerin Sabine Schwiemann aber auch am hohen Grad der Digitalisierung, was den Kaufprozess angeht. "Es gibt die Möglichkeit, Kaufverträge über Videokonferenzen abzuschließen und beim Notar kann man auf das Vorlesen des Vertrages verzichten." Beides sei in Deutschland nicht möglich. "Wir haben da noch etwas Arbeit vor uns, um unsere Strukturen ein wenig zu modernisieren."