Noch im Rohbau befinden sich Wohnungen in Frankfurt am Main.
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Die Baubranche erlebt derzeit eine schwere Krise. Manche Bauträger sind zahlungsunfähig. Was bedeutet das für die Bauherren oder Käufer?

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Bauträger-Pleiten: Das sind die Folgen für die Bauherren

Die Immobilienbranche ist innerhalb weniger Monate in eine tiefe Krise gerutscht. Immer mehr Bauträger müssen Insolvenz anmelden. Was das für die Bauherren bedeutet und welche Rechte sie haben.

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Der auf Büroimmobilien und Wohnquartiere spezialisierte Projektentwickler Gerch mit Vorhaben in Milliardenhöhe hat für vier Gesellschaften Insolvenz angemeldet. Eines der Projekte ist das alte Quelle-Gelände in Nürnberg. Zuvor hatten unter anderem Gesellschaften wie Euroboden in München, die Nürnberger Project Immobilien und die Düsseldorfer Immobilienunternehmen Centrum und Development Partner Insolvenz angemeldet.

Die Fälle haben weitreichende Folgen: Wohnungskäufer bangen um ihre Eigenheime, Sparer um Fondsinvestments und Handwerker wegen offener Rechnungen.

Insolvenz eines großen bayerischen Bauträgers: Project Immobilien

Project aus Nürnberg betreut nach Angaben des Insolvenzverwalters Schultze & Braun 118 laufende Projekte mit über 1.850 Wohnungen, Käufer seien zumeist Privatpersonen. Wichtig sei jetzt, "ob und wie die nötigen Finanzmittel zum Weiterbau der Projekte aufgebracht werden können", sagte der vorläufige Insolvenzverwalter Volker Böhm. Einige hätten beträchtliche Summen investiert. Von der Insolvenz seien auch viele Handwerker betroffen.

Die Bauprojekte der insolventen Project-Immobilien-Gruppe sind über ganz Deutschland verteilt, mit Schwerpunkten in Großräumen wie Berlin, Hamburg, Düsseldorf, dem Rhein-Main-Gebiet und München. Einige Häuser stünden kurz vor der Fertigstellung, hieß es.

Wie ist die Situation am Immobilienmarkt?

Das Bauträger-Geschäft ist zwar komplex, doch im langen Immobilienboom lockten hohe Gewinne. In der Branche sind nicht nur Firmen mit milliardenschweren Projekten, sondern auch viele kleine und mittelständische Unternehmen aktiv. "Der Markt ist zersplittert", sagt Michael Voigtländer, Immobilienexperte am Institut der deutschen Wirtschaft (IW).

Dem Immobilienboom der letzten Jahre halfen niedrige Zinsen und teilweise rasant steigende Preise, doch das Umfeld hat sich inzwischen komplett gedreht. Mit höheren Materialkosten und dem Zinsanstieg für Kredite hat sich der Neubau stark verteuert, während Projektentwickler im Verkauf auf deutlich weniger Nachfrage treffen. "Teilweise verkaufen sie nur noch ein Zehntel der Objekte wie vor einigen Jahren" sagt Voigtländer. Dazu komme, dass die Krise am Immobilienmarkt länger andauere als von vielen in der Branche erhofft, die Kosten aber weiter anfielen - im Extremfall, bis die Liquidität ausgeht. "Die Zeit läuft gegen die Unternehmen."

Was passiert, wenn ein Bauträger pleitegeht?

Die erste Folge, so der Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht Alexander Schulze-Schönherr ist, dass die Baustelle ruht und man als Bauherr beziehungsweise Käufer typischerweise seitens des Bauträgers nichts mehr hört. Man erreiche schlicht niemanden und die Bauherren würden ratlos zurückgelassen, bis sich eventuell ein Insolvenzverwalter meldet.

Dann ist die Frage, ob genügend Insolvenzmasse vorhanden ist. Ist das nicht der Fall, könne ein Insolvenzverfahren gar nicht eröffnet werden, so der Fachanwalt. "Das ist der Supergau für die Bauherren, weil eventuell bereits gezahlte Raten futsch sind und keine Schadensersatzansprüche realisiert werden können."

In der Regel werde das Insolvenzverfahren aber eröffnet und ein Insolvenzverwalter bestellt. Der prüft, ob die Baustelle noch fortgesetzt werden kann. Befindet sich die Baustelle noch im Rohbau oder in einem noch früheren Stadium, werde ein Insolvenzverwalter in aller Regel den Bau einstellen und die Verträge abwickeln, erklärt Fachanwalt Schulze-Schönherr. Ist der Bau schon weit fortgeschritten, werde der Insolvenzverwalter den Bau fortsetzen, um mehr für die Insolvenzmasse zu haben.

Wohnungskäufer, die mitten im Bau von der Insolvenz des Entwicklers betroffen sind, können auch hoffen, dass ein anderes Unternehmen das Projekt weiterführe, sagt IW-Experte Voigtländer. In der aktuellen Krise am Immobilienmarkt sei das aber schwierig. Müssen ein neuer Bauleiter oder neue Handwerker gefunden werden, steigen meist auch die Kosten.

Welche Folgen hat die Insolvenz für Käufer?

Der Käufer ist in einer unsicheren Position. Es kann zu einer Hängepartie werden, meint Ulrike Kirchhof, Vorstand bei Haus und Grund, dem Verband für Haus-, Wohnungs- und Grundeigentümer: "Für den Käufer ist dies in der Regel mit oft hohen zusätzlichen Kosten verbunden, da zum Beispiel Anwaltskosten entstehen, (höhere) Kosten, wenn etwa ein Rohbau von einer anderen Firma fertiggestellt wird. Zudem zieht sich das Bauprojekt erheblich in die Länge, so dass die Kreditkosten weiterlaufen."

Was können Bauherren tun? Welche Rechte haben sie?

Ulrike Kirchhof von Haus und Grund rät, sofort einen Anwalt einzuschalten und den Stand des Bauvorhabens durch einen Sachverständigen feststellen zu lassen. Der finanzielle Schaden kann enorm sein. Fachanwalt Schulze-Schönherr erklärt die Optionen: Wenn noch keine Zahlungen erfolgt sind, könne der Vertrag durch Erklärung des Rücktritts vom Vertrag rückabgewickelt werden. Sich hieraus ergebende Schadensersatzansprüche müssten dann zur Insolvenzmasse angemeldet werden.

Wenn schon Zahlungen geflossen sind, so der Fachanwalt, die ausreichen, um den Kaufpreis für Grund und Boden abzubilden, hätte man einen Anspruch auf Auflassung, das heißt die Übereignung von Grundeigentum, gegen den Insolvenzverwalter. Der Bauherr erhält das unfertige Bauprojekt, um es selbst fertigzustellen. Die entstehenden Kosten muss er natürlich selbst tragen.

Tritt der Bauherr vom Vertrag zurück, dann erhält er kein Eigentum, hat aber den Anspruch auf Rückzahlung der von ihm bereits geleisteten (Abschlags-)Zahlungen. Dieser Anspruch ist aber aufgrund der Insolvenz nicht sehr werthaltig, erklärt Michael Nack vom Verband "Wohnen im Eigentum". Er wird also auf die Insolvenzquote verwiesen, die meistens sehr gering sein wird, der Rest des Geldes sei dann "verloren".

Wenn es sich um ein Mehrparteienprojekt handele, könne man sich, so Fachanwalt Schulze-Schönherr, mit den übrigen Miteigentümern zusammenzutun und das Projekt gemeinsam fertigstellen. Das Problem sei aber, dass die anderen Eigentümer dem Bauherren in der Regel unbekannt sind. Es kann schwierig werden, an die Adressen zu kommen.

Wie kann man sich absichern?

Einen hundertprozentigen Schutz gibt es nicht, sagt Ulrike Kirchhof von Haus und Grund. "Es sollten möglichst erfahrene, solvente Bauträger ausgewählt werden, so können Referenzprojekte besichtigt, Gespräche mit anderen Kunden geführt werden. Bauträgerverträge sollten Käufer durch einen Anwalt, der auf diese Fragen spezialisiert ist, prüfen lassen."

Sie rät, vor dem Notartermin, spätestens im Termin, sollten alle noch offenen Fragen – oder auch Formulierungen, die erst beim Verlesen des Vertrages entstehen – geklärt werden.

Fachanwalt Schulze-Schönherr empfiehlt: Im Rahmen der Vertragsverhandlung könne man die Übergabe einer Fertigstellungsbürgschaft vereinbaren. Aus dieser könne man sich im Insolvenzfall gegenüber einer Bank oder Versicherung in Höhe der Bürgschaftssumme bedienen und somit die Fertigstellungskosten nach Insolvenz finanzieren.

Wird der Bauherr rechtlich geschützt?

Der Verband "Wohnen im Eigentum" forderte am Mittwoch, Käuferinnen und Käufer müssten bei einer Insolvenz eines Bauunternehmens geschützt werden. In anderen europäischen Ländern wie Frankreich oder den Niederlanden seien solche Fälle "längst geregelt". Eine verbindliche Absicherung sei in Deutschland "überfällig".

"Wohnen im Eigentum" schlägt zwei Möglichkeiten vor: Entweder verzichte der Bauträger bis zur Bezugsfertigkeit und zur Übergabe auf Abschlagszahlungen der Käufer oder er sichere die Abschlagszahlungen ab, beispielsweise mit einer Versicherung. Eine solche Absicherung sollte laut dem Verband zumindest bei Bauträgerverträgen Pflicht sein, bei denen die Käufer Verbraucher sind.

Ohne eine gesetzliche Regelung, so der Verband "Wohnen im Eigentum" könne der Insolvenzschutz und somit der Verbraucherschutz nicht gewährleistet werden.

Dieser Artikel ist erstmals am 25. August 2023 auf BR24 erschienen. Das Thema ist weiterhin aktuell. Daher haben wir diesen Artikel erneut publiziert.

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