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Künftig sollen auch Verwaltungsdienstleistungen digital angeboten werden (Symbolbild)

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Digitalisierung: Was die künftige Regierung anpacken muss (2)

Deutschland muss bei der Digitalisierung aufholen. Gesellschaft und Wirtschaft haben Forderungen an die künftige Bundesregierung. In unserem Teil 2 geht es um die Verwaltung, Bürgerrechte, Nachhaltigkeit, künstliche Intelligenz und digitale Märkte.

Noch ist zwar nicht klar, wie die künftige Bundesregierung aussehen wird, klar ist aber, dass sie in Sachen Digitalisierung sehr viel zu tun haben wird. Zivilgesellschaft und Wirtschaft haben sich schon positioniert und eine Reihe von digitalpolitischen Forderungen bzw. Empfehlungen aufgestellt, zum Beispiel der Chaos Computer Club (CCC), Digitalcourage e.V., das Bündnis Digitale Zivilgesellschaft, das Bundesnetzwerk Bürgerschaftliches Engagement (BBE), die Initiative D21 sowie die Digitalwirtschaftsverbände Eco und Bitkom.

Zwar setzt jede Organisation naturgemäß unterschiedliche Akzente, dennoch kristallisieren sich eine Reihe von Feldern heraus, die für alle wichtig sind. Wir haben zehn zentrale Bereiche identifiziert, die wir in zwei Artikeln vorstellen. Im ersten Teil haben wir die Themen Infrastrukturausbau, digitale Bildung, persönliche IT- und Medienkompetenz, Datenschutz und IT-Sicherheit behandelt.

In Teil 2 geht es nun um die Digitalisierung der Verwaltung, Bürgerrechte, Nachhaltigkeit, künstliche Intelligenz und digitale Märkte.

Digitale Verwaltung und Open Data

Beim E-Government herrscht in Deutschland großer Aufholbedarf: Laut "Digital Economy and Society Index" der EU liegt Deutschland nur auf Platz 21 von 28. Immerhin: Deutschland hat sich im Rahmen des Onlinezugangsgesetzes (OZG) verpflichtet, Verwaltungsdienstleistungen bis Ende 2022 elektronisch anzubieten.

Digitale Verwaltungsangebote werden nach Ansicht der Bitkom nur dann auf breite Akzeptanz stoßen, wenn sich die Nutzer nicht an verschiedenen Portalen anmelden müssen. Daher fordert der Verband die Interoperabilität der digitalen Angebote und die Umsetzung des Once-Only-Prinzips. Das heißt, dass Bürger ihre personenbezogene Daten nur ein einziges Mal angeben müssen – und die Behörden diese dann an andere Behörden übermitteln, wenn der Bürger eine andere Dienstleistung benötigt.

Mehrere Organisationen fordern den Staat nach der Devise "public money, public good" auf, alles, was er mit öffentlichen Geldern entwickeln oder erforschen lässt, unter einer Open-Source-Lizenz zu veröffentlichen. Das gilt sowohl für Software (public code), Bildungsmaterialien (Open Educational Resources) als auch für Daten der öffentlichen Verwaltung (Open Data).

Auch die Forderung, dass der Staat mehr Daten als Open Data zur Verfügung stellt, ist häufig zu finden. Bitkom ist der Ansicht, dass der freie Zugang zu und die breite Nutzung von Daten "eine wichtige Säule für die Digitalisierung der Verwaltung, Wirtschaft, Wissenschaft und Zivilgesellschaft" bilden.

Der Chaos Computer Club (CCC) wünscht sich Open-Data-Parlamente und gläserne Regierungen. Informationen über das Parlament und seine Abläufe sollten digital, maschinenlesbar und zentral an einer Stelle als Open Data veröffentlicht werden. Auch Gesetzestexte und Verwaltungsvorschriften müssten maschinenlesbar und frei verfügbar sein.

Wahrung der Bürgerrechte, Schutz vor Überwachung

Seit Beginn des 21. Jahrhundert hat die Bundesregierung – auch unter dem Eindruck der Anschläge auf das World Trade Center vom 11. September 2001 – die Überwachungskompetenzen des Staates Stück für Stück ausgebaut. Bekannteste Beispiele sind die Vorratsdatenspeicherung, der Einsatz von Staatstrojanern oder die wachsende Zahl von Überwachungskameras im öffentlichen Raum.

Genau diese Punkte sind vielen Bürgerrechtsorganisationen ein Dorn im Auge. So fordern CCC und Digitalcourage e.V. unisono, die Vorratsdatenspeicherung abzuschaffen, keine kommerziellen Staatstrojaner einzukaufen und die biometrische Überwachung im öffentlichen Raum (zum Beispiel durch automatisierte Gesichtserkennung) zu verbieten.

Der CCC fordert darüber hinaus eine "Überwachungsgesamtrechnung". So müsse die vom Bundesverfassungsgericht mehrfach angemahnte Beachtung der Gesamtheit der Überwachungsmaßnahmen und Datenerfassung Eingang in die konkrete Rechtsprechung finden.

Nachhaltigkeit und Energieeinsparung

Auch wenn dieser Aspekt in der öffentlichen Diskussion eher am Rande diskutiert wird: Die Digitalisierung hat natürlich auch Umweltaspekte. Ein Beitrag zum Umweltschutz wäre es also, wenn der Energieverbrauch von Geräten sinken und ihre Lebensdauer steigen würde.

Um das zu erreichen, schlägt zum Beispiel der CCC vor, Hersteller von onlinefähigen Geräten zu einer festen Lebens- und Supportdauer ihrer Produkte zu verpflichten. Außerdem soll die Entwicklung offener Hardware mit energieeffizienten Designs dauerhaft gefördert werden, am besten sollen solche Geräte in Europa gefertigt werden

Energieeffizient programmierte Software wünscht sich auch der Verband der Internetwirtschaft Eco. Der Branchenverband hält eine nachhaltige und klimaneutrale Digitalisierung für möglich, wenn Deutschland aus fossilen Energieträgern aussteigt, erneuerbarer Energien und das Gigabitnetz konsequent ausbaut sowie die systematischen Abwärmenutzung von Rechenzentren ermöglicht.

Künstliche Intelligenz und Automatisierung

Digitale Sprachassistenten, Auswertung großer Datenmengen oder Analyse von Nutzerverhalten: Nur drei Beispiele, bei denen schon jetzt künstliche Intelligenz zum Einsatz kommt. Künftig werden auch selbst-fahrende Autos unterwegs sein, heftig umstritten ist der Einsatz von autonomen Waffensystemen.

Der CCC fordert daher, dass der Betrieb hochautomatisierter Systeme, deren autonome Entscheidungen die Grundrechte von Menschen berühren, durch eine Datenethikkommission untersucht und genehmigt werden muss. Auch das Bundesnetzwerk Bürgerschaftliches Engagement (BBE) fordert die Gründung einer "Ethikkommission für den Digitalen Wandel und für die demokratische Kontrolle algorithmischer Systeme".

Während der CCC "die Tötung von Menschen durch autonome Systeme untersagen" will, fordert Digitalcourage e.V. die internationale Ächtung vollautonomer Waffensysteme.

Auch Online-Plattformen setzen auf künstliche Intelligenz. Um den Upload von urheberrechtlich geschütztem Material zu verhindern, setzen Plattformen ebenfalls automatische Filter ein. Der CCC fordert ein Verbot von Upload-Filtern. Es sei illusorisch zu glauben, ein automatisiertes Verfahren könne zuverlässig zwischen einem Mem und einer unzulässigen Kopie unterscheiden. Darüber hinaus ließen sich Filter auch für Zensur missbrauchen.

Speziell Facebook wird wegen seiner Algorithmen unablässig kritisiert. Facebook-Whistleblowerin Frances Haugen fordert unlängst vor dem US-Kongress, dass Facebook die Funktionsweise seines Newsfeed-Algorithmus transparent machen und speziell Wissenschaftlern und Politikern Einblick gewähren solle.

Im August riefen die NGO Algorithm Watch, 36 zivilgesellschaftliche und wissenschaftliche Organisationen sowie mehr als 6.000 Privatpersonen die EU auf, eine Gesetzesgrundlage zu schaffen, die Wissenschaftlern, Zivilgesellschaft und Journalisten den Zugang zu Daten von Online-Plattformen rechtlich garantiert. Konkret soll das im sogenannten Digital Services Act (DSA) erfolgen, einem Gesetzesvorschlag der EU-Kommission, in dem unter anderem geregelt werden soll, nach welchen Kriterien Plattformen in Zukunft Inhalte moderieren sollen.

Digitale Märkte regeln

Die Forderung, dass Facebook seine Algorithmen transparent machen soll, ist nur einer von vielen Vorschlägen, riesige Plattformen wie Facebook stärker zu regulieren und ihre Marktmacht zu begrenzen.

Digitalcourage hält die Monopolstellung großer Internetkonzerne für demokratieschädlich und will sie daher brechen. Der Verein fordert von der Bundesregierung ein wirksames Wettbewerbsrecht mit der Möglichkeit der Entflechtung schaffen. Außerdem soll sie sich in der EU für einen starken Digital Markets Act einsetzen, "der zu große Machtkonzentration effektiv verhindert, schon bevor eine konkrete Marktmanipulation nachgewiesen wurde."

Auch wenn Facebook hier nicht namentlich erwähnt wird, passt dieser Passus haargenau auf den Konzern. Im Zuge der Veröffentlichung der "Facebook Files" wurde auch die mögliche Abspaltung von Instagram und WhatsApp heiß diskutiert.

Eine solche Entflechtung ist als letztes Mittel auch im Digital Markets Act (DMA) der EU vorgesehen. Digital Markets Act und Digital Services Act sind zwei Teile eines Gesetzespaketes, das die EU-Kommission im Dezember 2020 vorgestellt hat, über das aber noch verhandelt wird.

Da gerade die großen Konzerne und Plattformen international tätig sind, stellt sich – gerade auf europäischer Ebene – die Frage, wie diese Akteure besteuert werden. Eco fordert "international einheitliche, klare und verhältnismäßige Regelungen" zur Besteuerung für alle Unternehmen und Geschäftsmodelle. Digitale Geschäftsmodelle dürften nicht diskriminiert werden.

Kommt ein Digitalministerium?

Und wer soll die Federführung bei der Digitalpolitik haben? Die Branchenverbände Bitkom und Eco fordern die Einrichtung eines Digitalministeriums. Lena-Sophie Müller, Geschäftsführerin der Initiative D21, sagt hingegen: "Da die Digitalisierung als Querschnittsthema nahezu alle Bereiche der Zukunft betrifft, braucht es großes digitales Know-how in allen Ressorts." Die zivilgesellschaftlichen Organisationen haben sich in dieser Frage nicht festgelegt. Wie das digitalpolitische Programm der im Bundestag vertretenen Parteien und die Freien Wähler aussieht, haben wir hier beleuchtet.

Klar ist, dass das Thema digitale Transformation in den Koalitionsverhandlungen eine wichtige Rolle spielen wird. BR24 wird den Koalitionsvertrag dann auch aus digitalpolitischem Blickwinkel analysieren.

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