In einer ungewöhnlich scharfen Anhörung haben US-Politiker die Chefs von TikTok, Meta, Snap und Discord beschuldigt, eine Krise in den USA verursacht zu haben, indem sie bewusst für Kinder schädliche Inhalte auf ihren Plattformen geduldet hätten.
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Scharfe Kritik an den Social Media Konzernen des Silicon Valley

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Scharfe Kritik: US-Politiker prangern Tech-Firmen an

Eine ungewöhnlich scharfe Anhörung: US-Politiker haben die Chefs von TikTok, Meta, Snap und Discord beschuldigt, eine Krise in den USA verursacht zu haben, indem sie bewusst für Kinder schädliche Inhalte auf ihren Plattformen geduldet hätten.

Die dreieinhalbstündige Anhörung vor dem mächtigen Justizausschuss des US-Senats in Washington begann mit Aussagen von Kindern und Eltern, die von Ausbeutung in sozialen Medien berichteten. Eltern, die Kinder durch Selbstmord verloren haben, zeigten stumm Bilder ihrer verstorbenen Kinder.

Vorwürfe gegenüber Technologieunternehmen

Senatorinnen und Senatoren beider Parteien warfen in ungewohnt großem Konsens den Technologieunternehmen aus dem Silicon Valley vor, ihre Profite über die Sicherheit und das Wohlergehen ihrer jungen Nutzer zu stellen. Kinderanwälte in den USA halten den Tech-Konzernen seit Jahren Untätigkeit vor.

Den Tenor der Anhörung gab Senator Ted Cruz vor. Er brachte die Ängste vieler Eltern vor den negativen Auswirkungen sozialer Medien auf ihre Kinder zum Ausdruck. "Alle Eltern in Amerika sind entsetzt über den Müll, der auf unsere Kinder losgelassen wird", sagte Cruz, Republikaner aus Texas.

Dick Durbin, Vorsitzender des Ausschusses, kritisierte die Unternehmen für die Gefahren, denen Kinder online ausgesetzt sind. In einer hitzigen Debatte mit Facebook-Chef Mark Zuckerberg fragte Senator Josh Hawley, ob Zuckerberg die Opfer und ihre Familien persönlich entschädigt habe, was dieser verneinte.

Stellungnahme der Tech-CEOs

Die Tech-Führungskräfte, von denen einige erst nach einer Vorladung der Behörden erschienen, mussten ihre Plattformen verteidigen. Sie sprachen von Milliardenbeträgen, die sie in Sicherheitsmaßnahmen investiert hätten.

Alle betonten, sie würden Gesetze unterstützen, die den Datenschutz stärken und Eltern mehr Kontrolle über den Medienkonsum ihrer Kinder geben. Letztlich blieb es aber bei Lippenbekenntnissen, eigene Vorschläge oder gar konkrete Maßnahmen wurden nicht genannt. Gleichzeitig betonten sie, dass sie selbst Kinder hätten.

Zuckerbergs Reaktion auf Vorwürfe

Mark Zuckerberg, Chef von Meta, zu dem Angebote wie Facebook, Instagram und WhatsApp gehören, zeigte noch am ehesten Mitgefühl für die Sorgen von Eltern. Während der Anhörung drehte sich Zuckerberg zu den hinter ihm sitzenden Eltern um, deren Kinder Opfer sexueller Ausbeutung im Internet geworden waren.

"Es tut mir leid, was sie alle durchmachen musstet", sagte Zuckerberg. "Niemand sollte das durchmachen müssen, was ihre Familien erlebt haben." Zuckerberg vermied es jedoch, die Rolle der von ihm verantworteten Plattformen, allen voran Instagram, anzuerkennen.

Wachsende Sorgen um Jugendliche

Die Sorge vieler Eltern in den USA über den wachsenden Einfluss von Social-Media-Angeboten ist in den vergangenen Jahren deutlich gewachsen. Insbesondere TikTok, das dem chinesischen Konzern ByteDance gehört (in China selbst ist TikTok gesperrt, dort gibt es nur die zensierte chinesische Version Douyin), sowie Instagram tragen dazu bei.

Eine Studie des obersten Gesundheitsbeauftragten der US-Regierung, Dr. Vivek Murphy, macht die kalifornischen Tech-Unternehmen für eine psychische Krise unter US-Jugendlichen verantwortlich. Das Ausmaß des Problems wurde durch einen Bericht deutlich, der von mehr als 105 Millionen Fällen sexuellen Kindesmissbrauchs über Internetplattformen allein im Jahr 2023 spricht. Eltern fordern deshalb, dass die Online-Dienste von "Big Tech" für Cybermobbing und Selbstmorde ihrer Kinder in die Pflicht genommen werden müssen.

Forderung nach stärkerer Regulierung

Sowohl Republikaner als auch Demokraten fordern eine stärkere Regulierung dieser Plattformen. Trotz zahlreicher Anhörungen und Gesetzesentwürfe hat die US-Regierung von Joe Biden aber noch kein umfassendes Gesetz zur effektiven Regulierung verabschiedet.

Unzureichende Maßnahmen der Tech-Unternehmen

Kinderanwälte sagen, dass Social-Media-Unternehmen wiederholt beim Schutz von Minderjährigen versagt haben. Zamaan Qureshi, Co-Vorsitzender von "Design It For Us", betonte die Notwendigkeit einer unabhängigen Regulierung.

Die Anhörung zeigte zwar einen parteiübergreifenden Konsens. Zugleich machte sie deutlich, wie wenig die bisherigen Gesetze oder die freiwillige Selbstregulierung der Tech-Unternehmen gefruchtet haben - aller guter und kritischer Appelle zum Trotz.

So wird Zuckerbergs Meta-Konzern derzeit in mehreren US-Bundesstaaten verklagt, weil er Suchtfunktionen entwickelt und zu wenig gegen die Ausbeutung von Kindern und Jugendlichen auf seinen Plattformen unternommen haben soll.

Interne E-Mails zeigen, dass Meta-Führungskräfte anscheinend um mehr Ressourcen für das Wohlergehen von Jugendlichen gebeten haben, aber keine Antwort von Zuckerberg erhalten haben.

Arturo Béjar, ehemaliger Technischer Direktor bei Meta, beschuldigte seinen ehemaligen Chef Mark Zuckerberg des Lügens. Béjar sagte: "Wenn Mark sagt: 'Unsere Aufgabe ist es, die bestmöglichen Werkzeuge zu bauen', dann ist das einfach nicht wahr", so Béjar.

"Sie wissen, wie viel Schaden die Jugendlichen erleiden, aber sie setzen sich nicht dafür ein, diesen Schaden zu verringern und vor allem transparent zu machen. Sie haben die Infrastruktur dafür, die Forschung, die Leute, es ist eine Frage der Prioritäten."

Zwei große Player fehlten

Interessanterweise waren große Player wie YouTube und Apple bei der Anhörung auffällig abwesend, obwohl sie eine große Nutzerbasis unter Teenagern haben. Das hinterließ am Ende einen etwas bitteren Nachgeschmack. Wie ernst ist es den US-Politikern wirklich?

Der Senatsausschuss hatte es offenbar nicht für nötig befunden, diese beiden wichtigen Unternehmen einzuladen. Laut Pew Research Center nutzen sieben von zehn Teenagern in den USA YouTube täglich. TikTok wird von 58 Prozent der Teenager täglich genutzt, gefolgt von Snap mit 51 Prozent und Instagram mit 47 Prozent.

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