Diese Werbeclips wurden bei Youtube angezeigt. Sie imitieren Nachrichtenbeiträge der Welt und werben damit für Glücksspiel-Apps.
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Diese Werbeclips wurden bei Youtube angezeigt. Sie imitieren Nachrichtenbeiträge der Welt und werben damit für Glücksspiel-Apps.

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#Faktenfuchs: Fake-Nachrichten bewerben Casino-Apps auf Youtube

Ein Werbespot auf Youtube gibt vor, ein Nachrichtenbeitrag der "Welt" zu sein. Mit der Glaubwürdigkeit der Medienmarke und geklautem Videomaterial wirbt der Clip für zweifelhafte Casino-Apps. Ein #Faktenfuchs.

Über dieses Thema berichtet: radioWelt am .

Darum geht’s:

  • Ein gefälschter Nachrichtenbeitrag der "Welt" wurde als Werbung bei Youtube ausgespielt
  • Beworben wurden Casino-Apps, die mittlerweile aus App- und Playstore entfernt wurden und mit der Werbung wohl gegen deutsches Recht verstoßen haben
  • Google ist laut eigener Aussage wegen der Werbeclips aktiv geworden. Dem Axel-Springer-Konzern ist das Phänomen bekannt, in der Regel werde Anzeige erstattet.

Dass vor Videos auf Youtube ein oder zwei Werbeclips abgespielt werden, ist in den vergangenen Jahren zur Normalität geworden. In den zurückliegenden Wochen wurde dabei immer wieder ein Werbeclip gezeigt, der sich bei genauer Betrachtung als irreführende Fälschung herausstellt:

Zu Beginn ist eine Moderatorin des TV-Senders "Welt" zu sehen, die scheinbar einen Nachrichtenbeitrag ankündigt. Eine Tipperin aus Baden-Württemberg habe 42,5 Millionen Euro gewonnen, sagt eine weibliche Stimme.

Anschließend startet der angebliche Beitrag. Zu sehen ist eine junge Frau, die sich augenscheinlich freut und vor einem teuren Auto steht. Außerdem zeigt der Werbespot, wie der Gewinn einer Casino-App in eine Banking-App übertragen wird.

Eine männliche Stimme, die zu den Bildern spricht, behauptet, eine Stuttgarterin namens Michelle Denker sei über Facebook auf die App gestoßen und habe mit einem Einsatz von 28 Euro "noch am selben Tag mehr als 42 Millionen Euro gewonnen".

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Diese Ausschnitte stammen aus dem Video, das vorgibt ein Nachrichtenbeitrag der "Welt" zu sein.

App-Werbespot suggeriert Nachrichtenbeitrag der “Welt” zu sein

Was zu gut klingt, um wahr zu sein, ist genau das: ein Fake. Das Video verwendet echte Ausschnitte aus einer Nachrichtensendung der "Welt"; der ursprüngliche Text der Moderatorin im Studio wurde neu synchronisiert und über die eigentliche Moderation gelegt. Die Einblendung zeigt das Logo der "Welt". Der animierte Ticker, in dem Nachrichten als Textband durchlaufen, wurde inhaltlich so bearbeitet, dass er zur Geschichte des angeblichen Jackpot-Gewinns passt.

Der #Faktenfuchs hat zwei solcher Videos auf Youtube gefunden, die ähnlich aufgebaut sind. Die verwendeten Bilder, sowohl aus dem Studio der "Welt", als auch im angeblichen Beitrag unterscheiden sich etwas, der Sprechertext ist derselbe. Mit derselben Tonspur werden also unterschiedliche, aber sehr ähnliche Casino-Apps beworben.

Im Fake-Beitrag einer der vom #Faktenfuchs untersuchten Werbeanzeigen handelt es sich bei der gezeigten Frau, die sich freut, um eine US-amerikanische Influencerin. Das Videomaterial stammt aus einem Video der Influencerin von Anfang April 2022. Auch die anderen Videoausschnitte scheinen aus anderen Videos kopiert worden zu sein.

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Links der Ausschnitt aus dem Fake-Nachrichtenbeitrag, rechts das Originalvideo der Influencerin

Fälscher nutzen Glaubwürdigkeit einer etablierten Medienmarke

Dass mit einem gefälschten Nachrichtenbeitrag Werbung gemacht wird, ist für den Kommunikationswissenschaftler Michael Harnischmacher von der Universität Passau ein neues Phänomen. "Hier wird die Marke 'Welt' dafür benutzt, den Anstrich von Seriosität zu geben", sagt Harnischmacher im Gespräch mit dem #Faktenfuchs.

Man wisse aus der Forschung zu Medienvertrauen, dass gerade die seriösen Medienmarken in Deutschland ein hohes Ansehen genießen, insbesondere auch bei jungen Menschen, die hier Zielgruppe zu sein scheinen, sagt Harnischmacher. "Das wird hier natürlich klar instrumentalisiert, indem ich einer gefälschten Werbebotschaft das Gewand eines seriösen Nachrichtenbeitrags gebe."

"Google Trends" zeigt Suchen nach Inhalten des Werbeclips

Dass der Werbeclip in den vergangenen Wochen vielen Usern im Netz angezeigt wurde, lässt sich an den Statistiken von Google Trends ablesen. Google Trends gibt an, wie häufig nach einem bestimmten Begriff bei Google gesucht wird oder wurde.

Der Suchbegriff "Michelle Denker" wurde demnach insbesondere Anfang September häufig ins Google-Suchfeld eingegeben. Häufig wurde die Suchanfrage nach dem Namen auch noch um "Stuttgart" und "42 Millionen" ergänzt, also um Informationen, die in Zusammenhang mit dem Namen in dem Werbeclip genannt werden.

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Die Auswertung von "Google Trends" zeigt, dass nach Begriffen aus dem Video häufig gesucht wurde.

Ob die Werbung neben Youtube auch auf anderen Plattformen zu sehen war, ist dem #Faktenfuchs nicht bekannt. Dass es bereits über das gesamte vergangene Jahr entsprechende Suchanfragen bei Google gab, legt nahe, dass derartige Werbeclips mit der gleichen Synchronisation in der Vergangenheit bereits kursierten.

Casino-Apps nicht mehr in Stores von Apple und Google verfügbar

Die in den vergangenen Wochen in den Clips beworbenen Apps wurden - zumindest bis vor Kurzem - auf den App-Plattformen von Apple und Google zum Download angeboten. Dabei handelte es sich offensichtlich um Casino-Apps. Seit Ende September sind die Apps in den Stores von Apple und Google nicht mehr verfügbar.

Dass es sich bei den beworbenen Casino-Apps um mutmaßlich betrügerische Angebote gehandelt haben könnte, legen Kommentare auf den App-Plattformen nahe. Ein User schreibt: "Scam: Natürlich funktioniert das nicht so wie in der unseriösen Werbung".

Der #Faktenfuchs hat den Entwickler einer der beworbenen Apps kontaktiert und um Stellungnahme gebeten, jedoch keine Antwort bekommen.

Werbung, die vorgibt redaktioneller Inhalt zu sein, ist “unzulässig”

Da es sich um mutmaßliche Glücksspiel-Apps handelte, gelten auch juristisch zahlreiche Einschränkungen, insbesondere für Werbung. Rechtsanwalt Martin Bolm von der Wettbewerbszentrale hält die beworbenen Casino-Apps für erlaubnispflichtig.

So muss sich laut dem Glücksspielstaatsvertrag der Anbieter zunächst eine Erlaubnis vom Staat holen, bevor er werben darf. Ist das Glücksspiel zulässig, kann die Behörde Auflagen zur Einblendung bestimmter Warnhinweise machen.

Rechtsanwalt Bolm schreibt dem #Faktenfuchs: "Dass – jedenfalls in der Aufnahme, die Sie mir geschickt haben – keine Warnhinweise eingeblendet werden, kann ein Anzeichen dafür sein, dass der Betreiber keine Erlaubnis hat." Die Mail des #Faktenfuchs samt einer Frage zur Genehmigung beantwortete der Entwickler nicht.

"Selbst dann, wenn die App ein erlaubtes Glücksspiel wäre, halte ich die Werbung für unzulässig, weil sie eine Nachrichtensendung nachahmt", schreibt Bolm weiter. Der Grund: In Paragraf fünf des Glücksspielstaatsvertrags heißt es: "Werbung, die den Eindruck erweckt, ein redaktionell gestalteter Inhalt zu sein, ist unzulässig."

Auch die Gemeinsame Glücksspielbehörde der Länder geht davon aus, dass es sich bei den Angeboten um unerlaubtes Glücksspiel handeln dürfte. Die Behörde bündelt die Aufgaben der Länder zur Bekämpfung von illegalem länderübergreifendem Glücksspiel im Internet und der Werbung dafür.

Google wurde wegen Fake-Werbeanzeigen aktiv

Google, das Mutterunternehmen von Youtube, schreibt auf Anfrage des #Faktenfuchs, man sei wegen der Fake-"Welt"-Werbung aktiv geworden. Auf die Nachfrage, welche konkreten Maßnahmen man unternommen habe, geht das Unternehmen nicht ein. Auch auf die Frage, warum die App aus dem Playstore genommen wurde, gibt es keine Antwort.

Der Konzern verweist auf die "strikten Regeln", die allgemein im Zusammenhang mit Werbung gelten würden. Dazu gehöre, dass Werbung "klar und ehrlich" sein müsse. Irreführende Werbung sei nicht erlaubt und werde gelöscht. Außerdem gebe es spezielle Regeln für das Bewerben von Glücksspiel, wobei sich Google an den jeweiligen Länderbestimmungen, in Deutschland am Glücksspielstaatsvertrag, orientiert.

Dass viel Werbung, die über Google geschaltet wird, gegen die Richtlinien verstößt, zeigen die konzerneigenen Zahlen. 2021 löschte Google demnach 3,4 Milliarden Werbeanzeigen und sperrte 5,6 Millionen Werbekunden. Wie viel davon auf Youtube entfiel, geht aus dem Google-Report nicht hervor.

Auch auf die Frage, ob Google Werbeanzeigen bereits vor der Veröffentlichung prüfe, ging das Unternehmen nicht ein. Werbung auf Youtube kann vom User über einen Klick auf die drei Punkte neben dem Video und anschließend über das Feld "Warum sehe ich diese Werbung?" gemeldet werden.

Axel Springer stellt "in der Regel" Strafanzeige

Der Axel-Springer-Konzern, zu dem "Welt" gehört, beantwortet Fragen zum konkreten Fall - ob etwa gegen diese Werbeclips vorgegangen worden sei - nur allgemein. Diese Form der "Ad Scams" sei bereits bekannt und werde beobachtet.

"Bei Axel Springer gehen wir konsequent gegen diese Art der Nutzertäuschung vor, und zwar so, wie es im Einzelfall am effektivsten ist. In der Regel stellen wir Strafanzeige. Wenn möglich, leiten wir auch zivilrechtliche Schritte ein", schreibt eine Sprecherin auf #Faktenfuchs-Anfrage.

Man sei dazu auch mit den Plattformen sowie auch App-Stores im Austausch. "Das führt in der Regel dazu, dass einzelne Fake-Anzeigen wieder verschwinden. Das Phänomen der Ad Scams insgesamt aber leider nicht."

Fazit

Ein Werbeclip für Casino-Apps, der in mehreren Ausführungen über Youtube angezeigt wurde, gibt vor, ein Nachrichtenbeitrag der "Welt" zu sein. Dafür nutzt der Clip neu synchronisiertes Videomaterial sowie bearbeitete Logos und Banner der "Welt". Mit dem Fake-Beitrag wurden im Spätsommer 2022 mindestens zwei Casino-Apps beworben, die mittlerweile nicht mehr in den App-Stores verfügbar sind.

Derartige Werbung widerspricht laut Google den konzerneigenen Regeln für Werbung. Da der Glücksspielstaatsvertrag in Deutschland vorsieht, dass für das Bewerben von Glücksspiel eine Erlaubnis erforderlich ist, können Auflagen wie Einblendungen erteilt werden. Die Clips könnten also gegen deutsches Recht verstoßen haben, auch weil sie redaktionelle Inhalte nachahmen.

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