Ältere Frau telefoniert
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Enkeltrick

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Enkeltrick-Betrüger: KI macht sie noch erfolgreicher

Kriminellen gehen immer wieder vor allem ältere Menschen in die Falle, denen sie vorgaukeln, ein Enkel sei in Not und brauche Geld. KI eröffnet den Verbrechern neue Möglichkeiten. Und: Die Opfer sind gerade zur Weihnachtszeit besonders anfällig.

Über dieses Thema berichtet: Computermagazin & Umbruch am .

Der sogenannte Enkeltrick hat inzwischen sehr viele Spielarten. Die simpelste Variante: Verbrecher rufen ältere Personen an, vorzugsweise Frauen, und geben sich als Verwandter aus, der in Not geraten ist, selbstverständlich unverschuldet. Bei der etwas ausgefeilteren Variante, ruft ein vermeintlicher Polizeibeamter an. Der teilt mit, dass die Enkelin angeblich in ein großes Unglück verwickelt ist. Sie hat zum Beispiel ohne Verschulden einen anderen Menschen getötet. Die Oma soll nun eine Kaution zahlen, um das Gröbste abzuwenden. Das ist der klassische Schockanruf.

Noch etwas perfider: Der Enkel hatte einen schweren Unfall im Ausland. Dort weigert sich ein Arzt im Krankenhaus, den jungen Verwandten zu operieren und vor dem Tod zu retten, solange nicht gezahlt wird. Alle drei Varianten gibt es in verschiedenen Kombinationen. Und es muss auch nicht unbedingt die Oma sein, auch Mütter werden von Verbrechern mit solchen Methoden angegangen.

Kriminelle nutzen Daten und KI

Verbrecher bedienen sich schon seit vielen Jahren der digitalen Technik, um mehr über ihre Opfer zu erfahren. Früher durchforsteten sie Telefonbuch-CDs, um anhand der Vornamen Menschen mit der passenden Altersgruppe herauszupicken. Seitdem in den Sozialen Medien viele Informationen preisgegeben werden, ist es auch leichter geworden, Details über die Enkelkinder zu erfahren.

Mit Künstlicher Intelligenz lässt sich nun zusätzlich Glaubwürdigkeit herstellen. Udo Schneider, vom Sicherheitsunternehmen Trend Micro verweist auf einen konkreten Fall: Dabei wurde eine Mutter angerufen, der ein Erpresser mitteilte, ihre Tochter entführt zu haben. Im Hintergrund waren Schreie zu hören, die sich anhörten, als kämen sie von der Tochter. Die Verbrecher hatten Sprechproben der Tochter verwendet, um daraus mit Hilfe von KI die Hilferufe authentisch klingen zu lassen. Solche sogenannten Deepfakes lassen sich laut Udo Schneider inzwischen ohne große Kenntnisse und ohne teures Equipment erstellen. Es brauche auch keine großartige Rechenleistung dafür. Simple Handy-Apps können innerhalb weniger Sekunden in Original-Stimme beliebige Dinge nachsprechen. Ein einzelnes TikTok Video liefert Betrügern ausreichend Trainingsmaterial für die KI.

Wenn Erpresser das Handy blockieren

Sicherheitsexperte Schneider berichtet auch von einem Fall aus diesem Sommer, bei dem eine erpresste Mutter versuchte, ihre Tochter zu erreichen, um zu prüfen, ob diese wirklich in Schwierigkeiten war. Doch der Anschluss der Tochter war nicht erreichbar. So kam der Verdacht auf, dass die Erpresser das Telefon der Tochter gehackt haben könnten. Auch wenn das nicht endgültig bewiesen werden konnte, denkbar wäre diese zusätzliche "Maßnahme" der Kriminellen ohne weiteres. Udo Schneider fragt sich allerdings, ob das aus Verbrechersicht wirklich sinnvoll wäre.

Es gibt derzeit keine KI-Enkeltrick-Welle

Mit Hilfe von KI und anderen technischen Kniffs können Betrüger den Enkeltrick theoretisch sehr viel plausibler machen. Die Frage sei jedoch, ob es sich für Verbrecher lohnt, den gesamten IT-Werkzeugkasten einzusetzen. Warum sollten Betrüger so viel technischen Aufwand betreiben, wenn sie mit verstellter Stimme und ein wenig Überzeugungskraft am Telefon genauso weit kommen? Das ist aus Schneiders Sicht auch die Erklärung dafür, dass seinen Erkenntnissen zufolge momentan keine KI-gesteuerte Enkeltrick-Welle zu erkennen ist.

Grenzen der KI-Tricksereien

Mit Hilfe eines sogenannten Text-to-Speech-Generators lassen sich Sätze in einen Computer eintippen, die dann mit der gewünschten Stimme gesprochen werden. Diese Methode beherrschen verfügbare Mobil-Apps. Die andere Variante – die für Erpresser eigentlich interessantere – wäre gesprochene Sprache in Echtzeit umzuwandeln. So ließe sich ein echtes Gespräch mit dem Opfer führen, bei dem wirklich der Eindruck entstehe, dass der Enkel in der Leitung ist. So etwas, betonte Udo Schneider, funktioniere heute bereits im Labor, sei aber noch nicht alltagstauglich. Bei Apps für den Hausgebrauch ist man also noch darauf angewiesen, etwas einzutippen, was dann mit zwei, drei Sekunden Verzögerung als Sprachdatei ausgegeben werden kann. Für ein überzeugendes Gespräch mit der Großmutter ist diese Methode nicht geeignet.

Was kommen wird: Fake-Videos

Wer die Stimmen seiner Liebsten vorgespielt bekommt, neigt stark dazu, dem zu glauben, was er hört. Noch schlimmer sind: Videos. Sicherheitsexperte Schneider betont, Menschen hätten ein fast magisches Vertrauen in das, was sie sehen. Bei einem Hilferuf den Sohn oder die Enkeltochter auch noch zu sehen und dann einen klaren Kopf zu behalten, sei extrem schwer. Deshalb wird der nächste Trend beim Enkeltrick wahrscheinlich hin zu Fake-Videos gehen. Wirklich überzeugende Filme mit künstlich imitierten Personen lassen sich bislang nur mit hohem technischem Aufwand erstellen, erklärt Scheider. Innerhalb der nächsten Jahre werde sich das aber grundlegend ändern. Und da Deepfakes in Bild und Ton die Erfolgschancen deutlichen erhöhen, werden die Enkeltrick-Betrüger diese Möglichkeit wahrscheinlich auch ergreifen.

Weihnachten ist besonders sensible Zeit

In der Weihnachtszeit sind viele Menschen emotional anfälliger. Man hat womöglich etwas mehr Zeit und kommt ins Grübeln. Die Gedanken schweifen zu den Kindern oder Enkelkindern, mit denen man gerne feiern würde. Eine gute Ausgangssituation für Betrüger. In einer solchen Gefühlslage komme der psychologische Druck, den Enkeltrick-Betrüger aufbauen, deutlich mehr zum Tragen, sagt Schneider. Der Schock sei dann noch größer und damit auch die Wahrscheinlichkeit, dass die Opfer den Verstand ausschalten.

Die Weihnachtszeit könnte aber gerade auch eine gute Gelegenheit sein, um die eigene Verwandtschaft noch einmal zu warnen und Gegenmaßnahmen zu besprechen. So kann man zum Beispiel ein Code-Wort vereinbaren, mit dem sich die Kinder oder Enkelkinder bei einem Telefon-Gespräch identifizieren können.

Darüber hinaus hat der Sicherheitsexperte einen ganz simplen Tipp: möglichst wenige Daten von sich verfügbar machen. Für die Älteren bedeutet das: Telefonbucheinträge vermeiden. Für die Jüngeren: Eigene Videos - wenn überhaupt - nur einem engen privaten Freundeskreis zugänglich machen.

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