Freddie Mercury  in gelber Jacke
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Freddie Mercury 1986

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Wenn Freddie Mercury "Yesterday" singt: KI krempelt die Musik um

Nach Radio, Musikfernsehen, Napster und Streaming sorgt KI für den nächsten großen Wandel, vielleicht sogar für den größten überhaupt. So groß Unsicherheit und Kritik sind, viele Musiker setzen auf die Möglichkeiten der KI.

Über dieses Thema berichtet: kulturWelt am .

"Yesterday" ..., aber Moment mal, etwas stimmt da nicht. Das ist nicht die Stimme von Paul McCartney, sondern die von Queen-Frontmann Freddie Mercury. Und nein, das ist keine nie veröffentlichte Demo-Version oder Kollaboration der beiden legendären Bands, sondern ein mit Hilfe von Künstlicher Intelligenz erstellter Titel. KI generierte Songs sind grade ein großer Trend im Internet.

Cover-Songs per KI: Simpel zu generieren

KI-Cover-Songs funktionieren eigentlich relativ simpel: Man gebe einem Programm einen Song als Referenz für das Cover, zum Beispiel "Yesterday", und lädt dazu verschiedene Stimmproben von Freddie Mercury hoch und schon passt die KI die Stimmen einander an. Aber wenn man schon Zugang zu den Stimmen der bekanntesten Musiker der Welt hat, warum dann nicht noch einen Schritt weitergehen und eigene Songs produzieren?

"Heart On My Sleeve", ein AI-generierter Track von Drake featuring The Weeknd ist wohl der KI-Song, über den in den vergangenen Wochen am meisten debattiert wurde. "Kurzzeitig entstand der Eindruck, es handele sich um eine geleakte Demo von zwei der einflussreichsten Musiker unserer Zeit. Der Song wurde so oft geteilt, dass sich The Weeknd selbst zu Wort melden musste. Und auch das Label der Künstler, Universal, hat einen offenen Brief gegen KIs in der Musikbranche verfasst. Darin wird unter anderem gefragt, auf welcher Seite der Geschichte man steht – der der Fans, der menschlichen Kreativität oder der, der Deepfakes und des Betruges.

Geschichte der Musik relativiert Befürchtungen

Dabei hat das Label einen wichtigen Punkt getroffen, denn zu den Fragen, die man sich in Zukunft stellen muss, gehören solche wie: Wer hat die Rechte an der Stimme? Machen KIs Künstler obsolet? Der Musikwissenschaftler Nikita Braguinski rät aber vor Verteufelung der modernen Technologie ab: "Da will ich auf die Geschichte verweisen. Wenn man mal bedenkt, dass die Musikproduktion ja eigentlich seit Jahrzehnten sehr technisch vermittelt ist, man denke: Die Beatles haben in den 60er- Jahren mit Mehrspuraufnahmen gearbeitet, später Synthesizer. All das ist fester Bestandteil der Musikproduktion seit Jahrzehnten – mehrfach mit sich selbst zu singen, das war auch Science-Fiction damals. Und jetzt ist es für uns völlig normal und die Musikindustrie ist nicht weggegangen – sie ist immer noch da."

KIs werden immer perfekter. Es wird in Zukunft möglich sein, Hitmelodien innerhalb von Sekunden zu produzieren. Stücke, die sich nicht mehr von Original-Aufnahmen unterscheiden lassen. Dieser Meinung ist der Münchener Musiker Angela Aux, auf seinem jüngsten Album hat er auch mit KI produziert. Er sagt, Künstler müssten mit der Technologie arbeiten und sich nicht querstellen. "Wir haben das benutzt, damit verschiedene Instrumente sich zueinander auf eine gewisse Art und Weise verhalten. Es war spannend, was dabei passierte, aber es war dann eine Entscheidung zu sagen, wir wollen gar nicht, dass das wirklich hörbar ist", so Aux. Sonst würde der ganze Song zu einem Joke. Aber man könne natürlich spannende Sachen machen, es gebe bestimmt Tausende Leute, die einfach einen Coding-Background haben, also wenn sie programmieren können. "Wenn man sich wirklich Dinge hin- coden kann, dann wird's glaube ich ganz anders spannend."

KI macht Künstler nicht obsolet

Auch andere Musiker sind mit ihren Plänen schon weiter als Universal und heißen diesen Paradigmen-Wechsel sehr willkommen. So hat zum Beispiel Grimes bekannt gegeben, dass sie Aufnahmen ihrer Stimme frei für alle zur Verfügung stellt.

Aber die Angst, dass KI Künstlerinnen und Künstler obsolet machen würde, hat Musiker Angela Aux nicht: "Man wird nicht mit denen konkurrieren können, man wird halt einfach auf sich selber schauen können. Und ich glaube, genauso wenig wie das Internet Bücher obsolet macht, werden Menschen sich noch Menschen anschauen, die singen oder Gitarre spielen oder Klavier spielen. Das wird nicht weniger spannend sein, ganz im Gegenteil."

Wohin sich Künstliche Intelligenz entwickeln und welche Gesetze und Regulierungen es geben wird, ist im Augenblick noch offen. Klar ist: KI steckt noch in den Kinderschuhen. Sie wird immer perfekter und besser werden.

Im Video: Drake ft. The Weeknd - Heart On My Sleeve (AI / Official Audio)

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