Adventskranz von  Johann Hinrich Wichern
Bildrechte: "Rauhes Haus", Hamburg

Adventskranz von Johann Hinrich Wichern

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Wieso wir im Advent Kerzen an einem Kranz anzünden

Mit dem Aufstellen des Adventskranzes stimmen sich nicht nur Christen Jahr für Jahr auf Weihnachten ein. Für die meisten Deutschen ist das adventliche Gesteck mit vier Kerzen aus den Wohnzimmern nicht mehr weg zu denken. Doch woher stammt der Brauch?

Ob schlicht, individuell oder elegant: Der Brauch des Adventskranzes ist noch vergleichsweise jung - noch nicht einmal 200 Jahre alt. Den ersten Adventskranz "erfand" ein evangelischer Theologe in Hamburg, um den ihm anvertrauten Kindern das Warten auf Weihnachten zu verkürzen.

Hamburger Religionslehrer "erfindet" Adventskranz

Dieser erste Adventskranz hatte nur entfernt Ähnlichkeit mit dem, was wir heute unter einem ordentlichen Adventskranz verstehen. Grüne Zweige hatte der Hamburger "Prototyp" des Theologen Johann Hinrich Wichern nämlich keine.

Wichern gründete im 19. Jahrhundert das "Rauhe Haus", ein Heim für Kinder aus Hamburger Elendsvierteln. Um denen das Warten auf das Weihnachtsfest leichter zu machen, hängte der Pfarrer am 1. Advent 1839 ein zwei Meter großes hölzernes Wagenrad als Leuchter an die Decke.

Wagenrad mit vielen roten und vier weißen Kerzen

Auf dem Rad platzierte er zahlreiche Kerzen - so viele, wie Tage im Advent: kleine rote für die Werktage, vier große in weiß für die Adventssonntage.

"Der Adventskranz soll natürlich das Warten verkürzen und soll vor allem den Kindern ja auch so eine Zeitlichkeit vorgeben. Ich denke, das war eine große pädagogische Erfindung für die Kinder." Daniela Sandner

Dazu kommt die Bedeutung des Lichtes in der dunklen Jahreszeit, weiß Daniela Sandner vom Bayerischen Landesverein für Heimatpflege: Für Christen ist Christus das Licht des Lebens. Die Kreisform des Kranzes soll die Ewigkeit, das ewige Leben darstellen.

In Altbayern und Österreich: Paradeisl statt Adventskranz

Erst in den 1930er Jahren hielt der Adventskranz Einzug in die bürgerlichen Wohnstuben, doch in einer abgewandelten Form. Denn nicht nur die Größe sondern auch die Anzahl der Kerzen musste reduziert werden: Vier große Adventskerzen – für jeden Sonntag vor Weihnachten eine.

Und das Wagenrad Wicherns wurde allmählich durch das Tannengrün abgelöst oder ergänzt. Nur in Altbayern und Österreich gab es noch eine Alternative zum grünen Kranz. Dort strahlte ein "Paradeisl" auf dem Stubentisch.

Das Paradeisl ist ein pyramidenförmiger Aufbau bestehend aus Stäben und vier Äpfeln und auf den Äpfeln sind vier Kerzen, erklärt Daniela Sandner. Die habe man dann in der Vorweihnachtszeit entzündet: "Das ist eine ganz frühe Form des Adventskranzes, aber es hat sich dann am Ende doch die protestantische Form von Wichern durchgesetzt."

Verweltlichung der Bräuche: Adventskranz als Deko-Objekt

Heute gibt es Adventskränze in vielen Farben und mit allerlei Deko-Artikeln. Sie sollen zur Einrichtung der Wohnung passen oder den individuellen Style hervorheben. Laut Brauch ist der Adventskranz aber eher schlicht und dreifarbig: Neben dem Grün als Farbe der Hoffnung, dem Rot für das Blut Christi sollte auch Violett als liturgische Farbe für Weihnachten einen Adventskranz schmücken.

Regionale Zusätze, wie gedrechselte Holzfiguren im Erzgebirge oder Naturmaterialien wie Zitrusfrüchte oder Nüsse geben besonders den individuellen Einzelstücken den letzten Schliff. "Natürlich ist es so, dass der Adventkranz mittlerweile ein Deko-Objekt ist", sagt Heimatpflegerin Sandner.

"Was man auf alle Fälle erkennen kann, ist dass bei der großen und üppigen Dekoration einfach eine Verweltlichung der Bräuche zu beobachten ist wie bei anderen Bräuchen auch, weil liturgische Bezüge immer weniger eine Rolle spielen in unserem Leben." Daniela Sandner

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