Ein Mann sitzt zwischen Fußballspielern auf einem Stuhl.
Bildrechte: dpa-Bildfunk/Hilary Bronwyn Gayle

Michael Fassbender als Fußballtrainer Thomas Rongen in einer Szene des Films "Next Goal Wins"

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Riesiger Klamauk: Kinofilm "Next Goal Wins" von Taika Waititi

Amerikanisch Samoa verlor 2001 gegen Australien 31:0. Seither gilt die Nationalmannschaft der Pazifikinsel als schlechtestes Fußball-Team aller Zeiten. Regisseur und Oscarpreisträger Taika Waititi bringt seine Version der Geschichte nun ins Kino.

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Ob auf dem Spielfeld oder beim traditionellen Haka, der getanzten Kampfansage polynesischer Sportteams: Die Fußball-Nationalmannschaft von Amerikanisch Samoa ist eine Gurkentruppe. Seit ihrer legendären 31:0-Pleite gegen Australien 2001 bei der Qualifikation zur Fußball-Weltmeisterschaft 2002 lacht die ganze Welt über das Team. Zehn Jahre später, kurz vor der nächsten WM-Qualifikation, muss dringend eine Lösung her. Thomas Rongen, gebürtiger Niederländer und abgehalfterter Profitrainer, gespielt von Michael Fassbender, soll es richten.

Ein Retter, der selbst Hilfe braucht

"Next Goal Wins", die neue Komödie von Hollywoods Humor-Allzweckwaffe Taika Waititi, basiert lose auf wahren Begebenheiten und einer Dokumentation aus dem Jahr 2014. Einem Freundschaftsspiel ähnlich lässt der anarchische Freigeist Fakten und Fiktion gegeneinander antreten. Auf der einen Seite: die Nationalmannschaft mit der bittersten Match-Niederlage der Fußballgeschichte. Auf der anderen Seite: Waititis fröhliche Neuinterpretation der realen Ereignisse. Groß recherchiert habe er nicht, sagt Waititi, denn "es gibt ja schon eine Doku. Außerdem wusste ich bereits, wie ich die Figuren anlegen wollte: Thomas musste verloren sein, sollte seinen eigenen Weg finden".

Ein Retter, der selbst Hilfe braucht: In Waititis Version ist Trainer Thomas Rongen ein zynischer Einzelgänger mit massivem Alkoholproblem, den die "Schauen wir mal, dann sehen wir schon"-Mentalität der Samoaner auf die Palme bringt: "Eure Sitten sind scheiße! Ihr versagt! Diese Mannschaft zu trainieren, ist nichts anderes als Folter!"

Das Erlösermotiv wird dekonstruiert

Innerlich ist Rongen viel gebrochener als das Team, das er aufbauen soll. Warum – das erfährt das Kinopublikum erst gegen Filmende, wenn er sich während einer leidenschaftlichen Mannschaftsansprache öffnet. Ein Moment, der auch in der dem Spielfilm zugrundeliegenden Dokumentation vorkommt – und prototypischer Bestandteil klassischer Sportdramen ist. Dieses Filmgenre wiederum wird von Waititi in "Next Goal Wins" ebenso genüsslich dekonstruiert wie das Erlösermotiv. Es gehe darum, über wiederkehrende Filmmotive und Klischees zu lachen, sagt Waititi. "Wenn man so will, ist dieser Film eine Art 'Der mit dem Wolf tanzt' - nur eben mit Fußball."

Wie zuletzt in seinem Superhelden-Blockbuster "Thor: Love and Thunder" hat Waititi größten Spaß daran, überstrapazierte Filmregeln zu brechen. Drama wird durch Witz ersetzt, ungeschriebene Drehbuchgesetze wie die beliebte "Jeder verdient eine zweite Chance"-Erkenntnis wird im Film mit den Worten kommentiert: "Weiße lieben so etwas". Dazu setzt der Soundtrack auf bewusst unsubtile Songs wie ABBAs "Take a chance on me" oder den 80er-Jahre-Klassiker "Everybody wants to rule the world" von Tears for Fears.

Auch die Samoaner bekommen ihr Fett weg

Natürlich bekommen auch die Samoaner ihr Fett weg, denn Waititi macht sich gern über alles und jeden lustig, auch über sich. Die Inselbewohner werden als Nerds mit übertriebenem Religionsfimmel dargestellt, der neuseeländische Regisseur selbst hat einen kurzen Auftritt als Prediger mit Pornobart. Ein riesiger Klamauk also – der dazu führt, dass eine weitere Konstante in Waititis Schaffen in den Hintergrund tritt: das Repräsentieren von Minderheiten.

Ein wichtiger Teil der Geschichte ist nämlich die Diversität des Teams: Fußballerin Jaiyah war die erste Transfrau, die an einem WM-Qualifikationsspiel teilgenommen hat. Sie ist das Herz des Films. Doch so ehrlich und laut es auch pocht: gegen den diesmal unpassend aus dem Ruder gelaufenen Humor kann es sich nicht durchsetzen.

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