An Preisen hat er abgeräumt, was Sing-a-Song-Writer-Kabarettisten abräumen können, von Prix Pantheon bis Salzburger Stier, vom Bayerischen Kabarettpreis bis zum Deutschen Kleinkunstpreis. Zuletzt hatte sich Rainald Grebe zurückgezogen, jetzt aber ist seine neue CD "Albanien" herausgekommen. Der Titelsong und das Land Albanien stehen für die Sehnsucht nach Ursprünglichkeit und Authentizität.
"Ich nehm' zu und das Leben nimmt ab"
Rainald Grebe lässt sich nur schwer in Schubladen stecken. Seine Texte werfen mehr Fragen auf, als sie Antworten geben. Grebes Blick ist analytisch wie der eines Soziologen. Seine Songs werfen Blitzlichter auf die Gesellschaft und unsere Rollen darin, darunter keimen Traum, Unsicherheit, Verzweiflung.
"Wenn ich was vergesse, dann denke ich, war das jetzt Desinteresse oder sind das Alterungsprozesse? Da wachsen Haare aus dem Rücken, aus der Nase und aus dem Ohr. Liebe Haare, was ist euch wichtig? Und sie sagen: Jui, Schlafkomfort! Ich war noch nie blabla auf dem Himalaya und was hab' ich auch davon? Man steht vor irgendeinem Panoramama und beglotzt den Horizont. Jaja, den Gral, den wollte ich mal finden, ist ganz normal, doch die Mühle macht klipp klapp. Jetzt steh' ich da und meine Tage verschwinden, ich nehm' zu und das Leben nimmt ab. Der Hase läuft, der Mensch, der rennt, André Schürrle wieder mal ein belebendes Element, Liebe, die kann man nicht kaufen. Und die Null muss stehen und der Bass muss laufen." Rainald Grebe, CD Albanien
Wo findet sich Sicherheit in all dem? Am ehesten noch in der Musik, seien es ein rockiger Generalbass oder die Harmonien eines Kinderlieds. Oder diese Sicherheit findet sich paradoxerweise im Unsicheren, im Relativen, im Vergleich, in der Erinnerung an eine magische Vergangenheit, die im Rückblick nostalgisch beschworen werden kann, weil das Leben des Kindes besaß, was dem Erwachsenen trotz seiner digital getakteten Umgebung womöglich fehlt: Struktur und Klarheit.
Brüche und Widersprüche machen uns authentisch
Grebe bringt in seinen bildstarken Texten nicht zusammen, was zusammengehört, sondern er zeigt, dass das, woran wir uns erinnern, eigentlich nicht zu dem passt, wie wir leben. Aber genau diese Brüche und Widersprüche machen uns authentisch, weil sie zeigen: Wir haben gelebt.
"Meine Mutter hatte noch eine Agfa Klack. Was? Klack. Die hatte zwei Einstellungen: sonnig und bewölkt. Im Urlaub schrieb man eine Karte, ansonsten war man weg. Und die Karte, die kam an, da war man längst zurück. Ana ana. Irgendwann da bin ich nicht mehr da. Bei Revolutionen, da rollen Köpfe, das blutet so smart. Oh weißt du wann, weißt du wann, weißt du wann? Oh weißt du, wann das begann, wann das anfing mit dem, das mit dem ana und dem digi, dem ana und dem digi, dem ana-digi-Ding?" Rainald Grebe, CD Albanien
Rainald Grebes Lieder sind witzig, frei, wild und voller poetischer Leerstellen. Sie brauchen ein Publikum, das mitdenkt. Dass es auch mitsingen und -tanzen kann, ist ein besonderer Bonus.
Rainald Grebes neue CD "Albanien" ist erschienen in Hamburg bei "Brokensilence" und kostet 14,99 Euro. In Bayern tritt Grebe das nächste Mal am 25. Oktober 2019 in Bayreuth auf - dann mit seinem Soloprogramm "Das Elfenbeinkonzert".