Karl-Valentin-Brunnen am Viktualienmarkt in München. Erbaut von Ernst Andreas Rauch.
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Karl Valentin

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Passte in keine Schublade: Komiker Karl Valentin und die Politik

Seine populärsten Werke sind während der Nazi-Zeit entstanden. Hat Karl Valentin – ähnlich wie sein Antipode Weiß Ferdl – mit den Nationalsozialisten sympathisiert? Unser Valentin-Podcast beleuchtet die politischen Ansichten des Komikers näher.

Über dieses Thema berichtet: kulturWelt am .

Liesl Karlstadt fragte den berühmten Komiker Karl Valentin in einem Sketch einmal nach seiner Einschätzung der gegenwärtigen politischen Lage – und so direkt wie ihre Frage, so umständlich und gewunden fällt Valentins Antwort aus: Er hält einen Unsinns-Vortrag, in dem er eine Worthülse an die nächste reiht.

Valentins Ausführungen sind eine Parodie auf inhaltsleeres Gefasel, das sich mit hochtrabenden Floskeln tarnt. Das ist zeitlos gut beobachtet. Und doch kann man dahinter auch so etwas wie eine zeitbedingte Strategie erkennen: Valentins Persiflage nichtssagenden Daherredens erlaubt es ihm ja auch selbst, nichts zu sagen. Nicht Farbe bekennen zu müssen. Sich rauszuhalten. War Karl Valentin also ein Unpolitischer?

Expertin: "Politik war nicht sein Fokus"

"Politik war nicht sein Fokus, wenn es nicht ums eigene Überleben ging, sagt Sabine Rinberger, Direktorin des Valentin-Karlstadt-Museums im Münchner Isartor. Der Komiker habe in keine Schublade gepasst. Er sei weder der Widerstandsheld gewesen, den manche vielleicht gern in ihm sehen würden, noch ein klassischer Mitläufer oder Opportunist, und schon gar kein glühender Anhänger der Nationalsozialisten, wie auch Kabarettist Christian Springer betont: "Er war auf gar keinen Fall einer. Und dass es dann drei, vier Punkte vielleicht gibt, die einen braunen Fleck auf einer weißen Weste machen könnten, ja, das ist dieser langen Zeit auch geschuldet. Aber politisch war er ganz woanders gestanden". Entgegen der alten Gerüchteküche, die den Komiker unter Verdacht stellt, betont Springer: "Es gibt überhaupt keine Belege, dass er irgendeine Nähe zu dieser Ideologie gehabt hätte."

Reserve gegen die braune Ideologie

Christian Springer ist nicht nur Mitglied im Valentin-Förderverein Saubande, er hat sich auch eingehend mit Valentins Antipoden, mit dem Weiß Ferdl, beschäftigt, der bereits vor der Machtübernahme der Nazis unverblümt mit Hitler sympathisiert hatte.

Von Karl Valentin ist nichts dergleichen bekannt. Zwar sind etliche von dessen populärsten Schallplatten, Film- oder Funkproduktionen während des sogenannten "Dritten Reichs" entstanden. Bei genauem Hinsehen beziehungsweise Hinhören aber lässt sich bei vielen davon eine innere Reserviertheit gegen die braune Ideologie erkennen. Etwa in dem Dialog "Die Fremden"

Im Video: "Die Fremden" von Karl Valentin

"Fremd ist der Fremde nur in der Fremde": Dass dieser Dialog beispielsweise 1940 aufgenommen wurde, als das NS-Regime auf seinem Höhepunkt war und alles Fremde potentiell als undeutsch galt, wird gern übersehen. Der Entstehungskontext indes lässt diesen Valentin-Karlstadt-Klassiker in einem völlig anderen Licht erscheinen. Die Zensur, sagt Sabine Rinberger, nahm es bei Valentin offenbar nicht immer gar so genau. Valentin habe tatsächlich aus irgendeinem Grund Narrenfreiheit bis zu einem gewissen Grad gehabt. Es seien sogar Valentin-Witze erzählt worden, die gar keine Valentin-Witze waren, weil man gewusst habe, dass man die Witze besser erzählen konnte, wenn man sie Valentin-Witze nannte.

Verboten und lange verschollen: das Bayerische Soldatenlied

Das Bayerisches Soldatenlied allerdings ließen die Zensoren selbst Valentin nicht durchgehen. Wie Valentin hier das Soldatenleben im seinem ganzen Schmutz und Elend sarkastisch besingt – das dürfte als "wehrkraftzersetzend" eingestuft worden sein. Die Aufnahme wurde jedenfalls sofort nach ihrer Entstehung in den Giftschrank gesperrt und tauchte erst in den 1990ern im deutschen Rundfunkarchiv in Frankfurt am Main wieder auf. Ansonsten mied Karl Valentin weitgehend die offene Opposition.

In einem Fragebogen zur Entnazifizierung im Herbst 1945 machte Karl Valentin – durchaus wahrheitsgemäß – die Angabe: "unparteiisch". Nachträglich zum Helden stilisiert hat er sich nicht. Er habe eben nicht in das Fahrwasser kommen wollen, in dem viele waren, die sich selber nur als Widerständler angesehen haben, was sie nie waren, meint Christian Springer. "Da wollte er auch nicht dazugehören."

NSDAP-Mitglied? "Nein"

In einem späten Interview bekannte Valentin sogar, hätte man ihn gezwungen, Parteimitglied zu werden, er wäre aus schierer Angst beigetreten. Weil das aber nicht geschah, konnten sich er und Liesl Karlstadt nach dem Krieg guten Gewissens wechselseitig versichern, nie in der NSDAP gewesen zu sein: "Warst aa dabei? Nein – Na also!"

Ab heute ist die 2.Staffel von "Karl Valentin – Der Podcast mit der Komikerlegende“"online. Zu finden wie auch Staffel 1 in der ARD Audiothek, mit kundigen Gesprächen über den Volkskomiker und jeder Menge Original-Ton-Material.

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