Grenze zwischen Serbien und dem Kosvo in Nord-Mitrowica.
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Archivbild von 2017: Grenze zwischen Serbien und dem Kosvo in Nord-Mitrowica.

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Kosovaren in Bayern: Zehntausende Menschen und eine Sehnsucht

Zehntausende Menschen mit kosovarischer Staatsangehörigkeit leben in Bayern. Viele davon sehnen sich nach ihrer alten Heimat und hoffen, irgendwann wieder dort in Frieden leben zu können. Aber immer wieder eskaliert die Gewalt im Kosovo.

Über dieses Thema berichtet: BR24 am .

Der 12. September ist ein ganz besonderer Tag für die 27-jährige Edita und ihre Geschwister. Die junge Mutter möchte anonym bleiben, daher haben wir ihren Namen geändert. Sie hat Familie im Kosovo, ist regelmäßig in ihrer Heimat und möchte keine Schwierigkeiten bei der Einreise bekommen.

Vor genau 30 Jahren, am 12. September, gelang Editas Eltern die Flucht aus der Stadt Ferizaj im Süden des Kosovos. Nur einen Tag später wurde ihr Haus zerstört, brannte komplett nieder. Die Mutter hochschwanger und mit sechs kleinen Kindern tagelang unterwegs, ging damals nach Deutschland – in der Hoffnung auf ein besseres, auf ein sicheres Leben ohne Krieg.

Rund 70.000 Menschen aus dem Kosovo leben in Bayern

In Bayern leben 67.930 Menschen mit kosovarischer Staatsangehörigkeit. Viele haben noch Familie in der alten Heimat, reisen mehrmals jährlich in das Land. Auch Edita hat den Sommer im Kosovo verbracht. Die Familie ihres Mannes wohnt dort – nur sieben Kilometer von der serbischen Grenze entfernt. Die Stimmung in diesen Tagen ist aufgewühlt. Heute vormittag telefonierte sie mit ihrer Schwiegermutter.

Zwar hat sich die Situation seit dem Wochenende wieder etwas beruhigt, aber die Sorgen sind groß. Sorgen davor, dass die Lage eskalieren könnte. Wer den Kosovo-Krieg damals miterlebt hat, sagt sie, weiß, wie schnell es gehen kann. Dann, so erzählt sie, würde sie die Familie sofort nach Deutschland holen: "Wir haben extra eine Drei-Zimmer-Wohnung. Sollte wieder Krieg in der Heimat ausbrechen, steht hier immer ein Zimmer frei. Dann schlafen die Kinder halt bei uns im Schlafzimmer."

Bewaffnete Auseinandersetzungen mit Serben

Der Konflikt zwischen dem Kosovo und Serbien schwelt seit vielen Jahren, gerade im Norden des Landes. Am Wochenende ist es dort erneut zu schweren Zusammenstößen gekommen. Mehrere Menschen kamen ums Leben. 30 bewaffnete Serben hatten sich am Sonntag in einem Kloster in Nordkosovo verschanzt. Zuvor war ein Polizist durch Schüsse gestorben.

Das Kosovo mit seiner mehrheitlich albanischen Bevölkerung hatte im Jahr 2008 seine Unabhängigkeit von Serbien erklärt, wird aber von Belgrad bis heute als serbische Provinz betrachtet. Zu den rund 1,8 Millionen Einwohnern des Kosovo zählen etwa 120.000 Serben, die vor allem im Norden des Landes leben.

Seit Monaten nehmen die Spannungen dort wieder zu. Die letzten größeren Ausschreitungen gab es im Mai. Damals lieferten sich serbische Demonstranten Straßenschlachten mit der Polizei und den Nato-Soldaten der KFOR-Friedenstruppe. Der Protest richtete sich gegen die neuen albanischen Bürgermeister im Nordkosovo. Sie hatten die zurückgetretenen serbischen Bürgermeister ersetzt, wurden jedoch nur von einer kleinen Minderheit gewählt.

Menschen im Kosovo wollen Frieden

Auch Lendite Musliu denkt oft an ihre Heimat. Sie kam 1993 im Alter von fünf Jahren mit ihrer Familie nach Deutschland. Ihr Zuhause ist München, dennoch reist sie mehrmals im Jahr in das Kosovo. Nächsten Mittwoch fliegt sie für ein paar Tage zu ihrem Bruder. Er lebt mit seiner Familie im Süden des Landes, nahe der Grenze zu Serbien. Das Leben mit der Angst kennt man auch dort. Nicht nur deswegen telefonieren sie mehrmals täglich. "Meine Mutter wird unruhig, wenn er sich nicht in der Früh und am Abend meldet", sagt Lendite. "Das ist längst zur Routine geworden."

Die Sorge um Verwandte, das Land und die eigene Bevölkerung begleitet die 35-Jährige jeden Tag. Vor einigen Jahren war sie selbst vor Ort, als Unruhen ausbrachen, wollte nur noch weg in ihr sicheres zu Hause nach Deutschland. Hier setzt sie sich in ihrer Freizeit unermüdlich für den Dialog beider Länder ein, hat auch serbische Freunde. Sie sagt, die Menschen wollen keinen Krieg, sondern einfach nur in Frieden leben.

Frieden im Kosovo wünscht sich auch Edita. Seit Jahren spart sie Geld und baut zusammen mit ihrem Mann ein Haus in ihrer Heimat – mitten im Grünen, mit viel Land und einem Schlafzimmer im Erdgeschoss. "Für den Ruhestand" sagt sie, "falls wir dann keine Treppen mehr steigen können", vor allem aber für ihre Kinder. Ihre Hoffnung ist es, dorthin irgendwann einmal mit der ganzen Familie zurückzukehren und dauerhaft dort zu leben – ohne Angst vor Krieg und Gewalt.

Zum Video: Tote bei Zusammenstößen in Kosovo

Serben mit militärischer Ausrüstung hatten im Nord-Kosovo eine Straßensperre errichtet. Bei einem Schusswechsel mit der Polizei gab es vier Tote.
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Serben mit militärischer Ausrüstung hatten im Nord-Kosovo eine Straßensperre errichtet. Bei einem Schusswechsel mit der Polizei gab es vier Tote.

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