Jella Haase blickt in der Rolle der Stasi-Agentin Kleo hoch in die Kamera mit blutverschmiertem Gesicht
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Jella Haase als Stasi-Agentin Kleo in der gleichnamigen Netflix-Serie

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Netflix-Serie "KLEO": Jella Haase nimmt Rache als Stasi-Killerin

Als verratene DDR-Agentin Kleo könnte sich Jella Haase endlich von der Kultfigur "Chantal" in "Fack Ju Göthe" emanzipieren. Die Serie ist stylish und toll besetzt, schafft aber den Spagat zwischen Comedy und Agententhriller nicht immer.

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Sie hat viele Namen und genauso viele Gesichter – aktenkundig ist sie als Kleo Straub: Stasi-Agentin, berüchtigte Auftragskillerin und Enkelin eines Stasi-Funktionärs. Trotzdem bringt sie ihr letzter Auftrag ins DDR-Gefängnis: 1987 tötet sie in einer Disco in Westberlin einen Mann – alles läuft wie geschmiert. Und doch landet Kleo – verraten? – einen Tag später hinter Gittern.

Als die Mauer zwei Jahre später fällt, spaziert Kleo im Chaos der Wendezeit einfach aus dem Hochsicherheitstrakt. Sie will wissen, warum sie aus dem Weg geräumt wurde und schwört Rache an ihren ehemaligen Genossen. In Westberlin ist Kleo ein Polizist auf der Spur: Sven Petzold (Dimitrij Schaad), Abteilung für Betrugsfälle. 1987 hat er Kleo in der Disco gesehen. Aber weil er – wie so oft – betrunken war, nimmt ihn keiner so richtig ernst.

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Für Polizist Sven Petzold (Dimitrij Schaad) wird Kleo zur Obsession.

Nachwende-Zeit im überdrehten Comic-Style

Um tatsächliche Stasi-Killer und klandestine DDR-Verbrechen geht es in „KLEO“ nicht. Die Serie ist nicht realistisch und soll es auch nicht sein. Hanno Hackfort, Richard Kropf und Bob Konrad sind die Serienschöpfer und haben die Serie gemeinsam mit Elena Senft geschrieben. Zusammen sind sie als Autorentrio „HaRiBo“ bekannt. Mit „KLEO“ wollten sie eine Art Comic-Version vom Berlin Anfang der 90er Jahre erschaffen, so Bob Konrad: „Als wir begonnen haben uns mit der Zeit zu beschäftigen sind so viele Erinnerungen hochgekommen, die wir uns gegenseitig erzählt haben. Und wir dachten irgendwann, wir wollen nicht die DDR erzählen, wie sie war, sondern wie sie sich angefühlt hat. Und die DDR war eben damals, zumal kurz nach dem Mauerfall und in diesem verrückten Jahr zwischen Mauerfall und Wiedervereinigung, nicht grau. Das war wahnsinnig bunt.“

Auf den Bildschirm übersetzt bedeutet das: knallige kontrastreiche Farben, eine aufwändig gestaltete 90er-Kulisse und Kostüme mit Signalwirkung. Die Nachwendezeit in „KLEO“ sieht stylish und wild aus und erinnert an Tarantino-Filme. Auch, weil die Serie manchmal ziemlich brutal ist: Kleo verzieht keine Miene, wenn sie eine Geheimdienstlerin mit dem Kopf in einen Haken rammt.

Katharina Witt als Inspiration

Jella Haase verkörpert die denunzierte Agentin mit einer kindlichen Verletzlichkeit und Offenheit, die trotzig brummend auf den Boden stampft und vor einem Rachemord auch mal eine Tanzperformance einlegt. Jella Haase durfte ihre Rolle von Motivation über Gestik bis hin zu ihren Catch-Phrases mitgestalten. Eine große Inspiration für die Figur Kleo sei die Eiskunstläuferin Katharina Witt – erklärt Jella Haase, die selbst als Kind Eiskunstlauf übte: „Ich hab‘ ein bisschen in ihrem Ehrgeiz, ihrer Disziplin und auch in ihrer Korrektheit ein Rollenvorbild gesucht. Oder ich hab gesagt, Kleo, die will ja eigentlich diesen Beruf nicht weiter machen, die geht in die Kaderschmiede für Eiskunstlauf, solche Sachen. Dann stellt sie sich ja einmal auch als Katharina Litt vor. So Kleinigkeiten."

Eine Autorenserie nach dem Showrunner-Konzept

Der Trailer zur Serie verspricht eine schnell geschnittene, blutige Agentenkomödie. Das ist „KLEO“ aber nicht. Die Actionszenen sind immer begleitet von einer absurden Komik und gerade deshalb so effektiv, weil sie so sparsam dosiert sind. Die Mischung zwischen Rachethriller, absurder Komik und Comic-Action geht zumindest in der ersten Hälfte der Staffel noch nicht komplett auf.

Das Autorentrio HaRiBo hat mit ihrer Serie „4Blocks“ den Serien-Boom auch in Deutschland gestartet. „KLEO“ ist nun die erste Serie, in der sie als Serienschöpfer im Intro direkt unter dem Titel genannt werden. Denn mit der Abgabe der Drehbücher ist ihre Arbeit im Gegensatz zu den meisten anderen Serien- und Filmproduktionen in Deutschland nicht getan. Die HaRiBos sind Showrunner und die kreative Teamarbeit am Set folgt ihrer Vision – nicht wie sonst in Deutschland üblich der des Regisseurs. „Wir waren die letztendlich Verantwortlichen in kreativer Hinsicht. Was bedeutet, dass wir natürlich mit Elena (Senft) zusammen die Bücher geschrieben haben, aber eben auch in allen Phasen der Entstehung in verantwortlicher Position beteiligt waren. Sprich vom Casting bis zur Auswahl der Regie, wir waren jeden Tag beim Drehen am Set. Wir haben bis zum letzten Tag der Mischung alles mit betreut. Also sehr umfangreich,“ erklärt Hanno Hackfort.

Tolle Figuren machen die Serie sehenswert

KLEO ist historische Fantasy und es ist nicht immer leicht zu unterscheiden, was wirklich passiert ist und was nicht. Der rote Koffer, in dem Kleo die geheimen Akten über ihren Fall vermutet, den gab es wirklich – Stasichef Erich Mielke ist allerdings nicht von einer Ex-Agentin im Krankenhaus erschossen worden. Das Spiel mit der Wahrheit ist besonders dann reizvoll, wenn man die tatsächliche Geschichte kennt, die Anspielungen versteht. Aber auch ohne dieses Wissen ist KLEO dank der vielen spleenigen Charaktere sehr unterhaltsam.

Echtes Spin-Off-Potenzial hätte Kleos Mitbewohner Thilo, gespielt von Julius Feldmeier. Thilo ist ein völlig verstrahlter aber extrem liebenswürdiger Raver aus dem Westen, der Kleos Ost-Bude besetzt hat und glaubt, ein Außerirdischer zu sein. Durch ihn lernen wir Kleo ohne Masken und Abwehrhaltung kennen.

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Raver Thilo (Julius Feldmeier) lockt Kleo aus der Reserve.

Dimitrij Schaad's Sven ist einfach herrlich hysterisch und der perfekte Gegenpart zu der berechnenden Kleo. Die Dynamik der beiden erinnert an alte Buddy-Comedies. Dass darin noch viel Stoff für eine zweite Staffel steckt, offenbart sich in den letzten Folgen, als Killerin Kleo und Polizist Sven gezwungenermaßen Seite an Seite arbeiten, um eine riesige internationale Verschwörung aufzudecken.

Wie in einem Comic ist auch in KLEO alles vollaufgedreht. Es braucht ein paar Folgen, sich an die schräge Tonalität der Serie zu gewöhnen – aber das Durchhalten lohnt sich.