Eine Frau läuft auf ein Krankenhaus zu.
Bildrechte: Zentropa/Christian Geisnaes

Ist Frau Drusse denn da? Szene aus Lars von Triers Grusel-Serie "Geister – Exodus"

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Handgemachter Horror: "Geister – Exodus" von Lars von Trier

Nach 25 Jahren setzt Lars von Trier seine gefeierte Serie "Hospital der Geister" fort. Staffel 3 heißt "Geister – Exodus". Sie begeistert durch Wahnwitz, die großartigen Schauspieler und die raue, ungemein intensive Art der Inszenierung.

Über dieses Thema berichtet: kulturWelt am .

Eine alte Frau verlässt nachts im Morgenrock ihr Haus, eine Schlafwandlerin. Seltsamerweise steht ein Taxi vor der Tür. Aber sie habe doch gar keines bestellt, sagt sie, und der Fahrer antwortet: "Keine Sorge, ich bringe Sie." Das Taxi hält vor dem Reichskrankenhaus in Kopenhagen – die alte Frau geht zur Pforte. Sie sagt, sie würde gerne Frau Drusse sprechen. Der Pförtner reagiert ungehalten. "Hören Sie gut zu", sagt er, "Frau Drusse existiert nicht. Das hat sich nur dieser Idiot, Lars von Trier, in dieser verdammten Fernsehserie zusammengereimt. Frau Drusse ist Fiktion".

Frau Drusse war eine der Hauptfiguren in von Triers ersten beiden Staffeln seiner legendären Krankenhausserie "The Kingdom – Hospital der Geister" aus den 1990er-Jahren. Sie stand damals im Mittelpunkt des Kampfes zwischen Dämonen, einem monströsen Riesenbaby, gespielt von Udo Kier, und den Insassen des Krankenhauses. Von Trier schuf damals – man kann sagen: prophetisch – als die Welt noch halbwegs in Ordnung schien, eine Fernsehserie über unterbewusste Ängste. Inspiriert wurde er durch David Lynchs "Twin Peaks" – und erhielt in Deutschland 1996 für die erste Staffel den Adolf-Grimme-Preis. Nun also die Fortsetzung, die wieder auf dem Mythos basiert, das königlich dänische Reichskrankenhaus stehe auf Sumpfland, und in uralten Zeiten hätten die Bleicher dort ihre Färberteiche betrieben.

Eine Serie über menschliche Hybris

Jahrhunderte später wichen die Bleicher den Ärzten und Forschern. Das Reichskrankenhaus wurde gebaut. "Vielleicht wurden die Wissenschaftler zu anmaßend in ihrer hartnäckigen Leugnung der spirituellen Welt", heißt es im Vorspann, "so werden allmählich erste kleine Ermüdungsrisse sichtbar in dem so modernen und scheinbar soliden Gebäude".

"Geister – Exodus" ist vor allem eine Serie über menschliche Hybris sowie Individuen, die nur an sich selbst denken. Sie passt prima in eine Zeit identitärer Bewegungen, eine Zeit der Klimaleugner, Impfgegner und politischen Hasardeure. Mit selbstreferenzieller Ironie, trashiger Melancholie und mit absurder Tollkühnheit erzählt Lars von Trier von Eitelkeiten. Etwa vom schwedischen Oberarzt Helmer, der aufs Dach des Krankenhauses steigt, Richtung Heimat blickt und über die Dächer Kopenhagens brüllt: "Dänischer Abschaum!" Die dänische Belegschaft des Hospitals wiederum macht ihn in angeblich traditionellen Ratespielen zum Einstand gnadenlos betrunken.

Viele verrückte Regieeinfälle

"Geister – Exodus" begeistert durch seinen Wahnwitz, die großartigen Schauspieler, die raue, ungemein intensive Art der Inszenierung und viele verrückte Regieeinfälle. Der Horror wirkt angenehm handgemacht – statt um Geister geht es mehr um überzogenen Nationalismus, um MeToo, um Genderabsurditäten. Frau Drusse existiert nicht mehr, dafür jetzt die Frau im Morgenrock.

Und wie schon in den Vorgänger-Staffeln lässt es sich der Regisseur nicht nehmen, am Ende, im Abspann, auch noch seinen Senf dazuzugeben und "ein paar klugscheißerische Bemerkungen" anzufügen. "Eitelkeit", sagt von Trier, sei "die Triebfeder aller Menschen im Reichskrankenhaus. Das Gleiche kann man auch von der realen Welt sagen, in der wir leben". Den Zuschauern ruft er noch zu: "Seien Sie bereit für das Gute und das Böse."

Zu sehen in ausgewählten Kinos - unter anderem

  • morgen (Dienstag) um 19 Uhr im Studio Isabella in München-Schwabing und
  • heute (Montag) sowie Mittwoch jeweils um 18 Uhr im Cinecitta in Nürnberg.

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