Gemälde von Lorenzo Lotto in der Ausstellung "Venezia 500"
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Lorenzo Lotto, Bildnis des Giovanni della Volta mit Frau und Kindern, 1547

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Große Kunst aus Venedig: Tizian und Tintoretto in München

Giorgione, Tizian, Tintoretto haben im 16. Jahrhundert in Venedig die Malerei revolutioniert. Die Lagunenstadt war das Zentrum ihres Schaffens. Die Alte Pinakothek in München widmet ihnen nun eine große Ausstellung.

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Wasserplätschern. Handwerker bei der Arbeit. Vogelgezwitscher. Und dazwischen auch mal ein Flötensolo. Eine venezianische Klanglandschaft begleitet die Besucherinnen und Besucher durch die Ausstellung. Diese Klanglandschaft ersetzt in "Venezia 500" die berühmteste Stadtansicht der Welt: Den Dogenpalast, den Markusplatz und den Campanile von San Marco vom Wasser aus, sie gibt es hier nicht zu sehen. Denn: In Venedig um 1500 bewegten die Künstler andere Themen. Und die möchte Andreas Schumacher, Kurator der Ausstellung, in der Ausstellung ins Zentrum rücken. Und deshalb stehen Porträt- und Landschaftsmalerei der ersten Jahre des 16. Jahrhunderts im Mittelpunkt, nie die Stadt und nur ganz selten Wasserlandschaften oder eine Hafenlandschaft.

Bilder von Menschen, nicht Landschaften

Die Terraferma, das fruchtbare Festland bei Venedig, ist bisweilen als Hintergrund von Porträts durch offene Fenster zu sehen. Doch selten bis nie das legendäre Labyrinth aus Gassen, Brücken und kleinen Plätzen, in dem sich die Touristen bis heute in der Altstadt verirren. Im Unterschied zu Florenz ist Venedig um 1500 kein Fürstentum, sondern eine wirtschaftlich erfolgreiche Republik. Die reichen Bürger begegnen den hochgebildeten Malern auf Augenhöhe. Doppelbegabungen wie der große Giorgione, neben Tizian der wichtigste Künstler der Ausstellung, oder Sebastiano del Piombo lernen ihre späteren Auftraggeber als talentierte Musiker kennen.

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Tiziano Vecellio, gen. Tizian, Junge Frau bei der Toilette, um 1515

Dialoge zwischen Bild und Betrachter

Bei Abendgesellschaften wird aus antiken Heldenepen und aus Verszyklen rezitiert. In den frühesten Gemälden von Giovanni Bellini schweift der Blick noch rund um Heiligenfiguren über blühende Landschaften, später bei Giorgione und Tizian sehen uns natürliche Menschen an. Von Auge zu Auge, durchdringend, gegenwärtig. Das macht nach Ansicht von Kurator Andreas Schumacher die große Porträtmalerei von Tizian oder Lorenzo Lotto aus. Es geht nicht mehr nur um das Aussehen, um den Status, um den Berufsstand, sondern es geht darum, Persönlichkeit und Charakter abzubilden.

Herausragende Bilder von Tizian und Giorgione

Nur eine Weltinstitution wie die Alte Pinakothek in München schafft es, so eine kunsthistorische Entwicklung mit herausragenden Leihgaben aus aller Welt belegen zu können. Im Vorbeigehen fällt einem auf, dass das goldene Armband bei Tizians "Dame in Weiß" aus Dresden plastisch dreidimensional herausgearbeitet ist. Dabei muss der Künstler das Schmuckstück aus dem noch frischen Farbbrei herausgeformt haben. Bei der Vorbereitung der Ausstellung erhielten die Bayerischen Staatsgemäldesammlungen sogar noch einen fast sensationellen Zuwachs: Bisher hing das Doppelbildnis des Giovanni Borgherini und des Trifone Gabriele fast versteckt in den Grünen Zimmern der Münchner Residenz. Der Maler: Unklar. Jetzt gilt das ausdrucksvolle Gemälde von Meister und Schüler als starker Verdachtsfall: Das könnte wirklich ein weiterer Giorgione sein. Noch steht ein Fragezeichen hinter dem Namen.

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Giorgio da Castelfranco, gen. Giorgione, Bildnis des Giovanni Borgherini und des Trifone Gabriele, 1509/10

Im Wettstreit der Künste

Neben der Porträtmalerei trifft der Blick auch immer wieder auf zauberhafte Festlands-Landschaften. Eine Flucht der venezianischen Stadtkinder nach Arkadien? Es sind eher Sehnsuchtsorte. Vor allem aber: auch die Landschaftsbilder in der Porträtmalerei zeigen immer wieder, wozu die Malerei in der Lage ist: Eben nicht nur Persönlichkeit und Charakter auch darzustellen, nicht nur den Menschen, sondern auch die ihn umgebende Natur. Und auch in dieser Weise kommt in einer Form des Paragone gerne dann Landschaft noch mal als ein besonderes malerisches Qualitätszeichen dazu. Im Paragone, also im Wettstreit der Künste. In der Ausstellung "Venezia 500" gewinnt ihn ganz eindeutig die Malerei.

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