Radlwallfahrer in Südtirol
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Der Weg der Radlwallfahrer führt sie von München über Brixen nach Rom.

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Betroffene von sexuellem Missbrauch radeln von München nach Rom

1.100 Kilometer werden die Betroffenen von sexuellem Missbrauch und ihre Begleiter zurückgelegt haben, wenn sie am 17. Mai in Rom beim Papst ankommen. Mit der Radlwallfahrt wollen sie sich für mehr Prävention, Transparenz und Aufarbeitung einsetzen.

Über dieses Thema berichtet: BR24 im Radio am .

"Wir brechen auf! Kirche, bist Du dabei?", steht auf den T-Shirts der Wallfahrer. Unter diesem Motto pilgern Betroffene von sexuellem Missbrauch in der katholischen Kirche von München aus mit dem Fahrrad nach Rom. Mit ihrer Reise wollen die Radpilger mehr Transparenz in der Aufarbeitung von Missbrauchsfällen und einen anderen Umgang mit Betroffenen anmahnen. Am 17. Mai steht eine Generalaudienz mit Papst Franziskus in Rom an.

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Radtour soll Signal an Papst Franziskus sein

"Wir wollen dem Papst eine Botschaft überbringen, dass Missbrauchsopfer oft Schwierigkeiten haben in ihrem Leben und dass es nicht einfach ist, mit einem Kindesmissbrauch fertig zu werden, den alle von uns erlebt haben", sagt Dieter Achleitner. Der 80-Jährige war als Bub über Jahre hinweg von einem Priester missbraucht worden. Nun nimmt er an der rund 1.100 Kilometer langen Tour nach Rom teil. Zehn Tage dauert die Reise von Dieter Achleitner, den 14 anderen Missbrauchsbetroffenen und ihren solidarischen Begleiterinnen und Begleitern. Strapazen, die der passionierte Radfahrer Dieter Achleitner auch im hohen Alter noch auf sich nimmt.

Mit im Gepäck haben die Münchner Radpilger auch ein Mitbringsel für Papst Franziskus. Ein Kunstwerk, das sie ihm bei der Generalaudienz auf dem Petersplatz am 17. Mai überreichen wollen. Es ist eine circa fußballgroße Skulptur, aus dünnen, goldenen miteinander verwobenen Metallstäben: ein durchlöchertes Herz.

Es stehe symbolisch für das lebenslange seelische Leiden vieler Betroffener, sagt Richard Kick, Sprecher des Betroffenenbeirats im Erzbistum München: "Wir haben jahrelang darauf gewartet, dass die Kirche sich bewegt, proaktiv auf uns zukommt. Da sie es aber nicht tut, was bleibt uns anderes übrig?", fragt er und fügt hinzu: "Davonlaufen und nichts mehr tun? Das wollen wir nicht. Wir haben die Stärke, wir sind mutig und wir gehen jetzt auf die Kirche zu!" Die Radtour solle ein Zeichen an Papst Franziskus sein: "Er soll uns das Herz öffnen, die Kirche soll uns das Herz öffnen und soll anders mit uns umgehen als mit juristischer Spitzfindigkeit", sagt Kick.

Radfahrer machen Station in Bad Tölz: Hier war auch Peter H. tätig

Die erste Etappe der Radfahrer ging nach Bad Tölz. In der Pfarrei war von 2008 bis 2010 der mehrfach durch Oberbayern versetzte Missbrauchstäter Peter H. als Kurseelsorger tätig. Bis heute prägt das die Gemeinde, auch weil immer noch nicht abschließend geklärt ist, ob es in Bad Tölz zu Übergriffen kam.

Vom Stadtpfarrer Peter Demmelmair wollen die Radpilger deshalb wissen, ob vor Ort genug getan wurde, um mögliche Taten aufzuklären. "Ich glaube schon, dass von der Diözese sehr viele Gespräche unternommen wurden. Ich glaube auch, wenn Du betroffen bist, möchtest Du das aufarbeiten, wenn Du soweit bist. Aber es ist ja auch eine lange Zeit, bis Betroffene soweit sind", sagt Stadtpfarrer Peter Demmelmair.

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"Wir brechen auf! Kirche, bist du dabei?" Unter diesem Motto fahren Betroffene von sexuellem Missbrauch in der katholischen Kirche nach Rom.

Eine angemessene Anerkennung des Leids, mehr Transparenz in der Aufarbeitung und ein offener Umgang mit dem Thema Missbrauch, auch in den Pfarreien: Dafür wollen die Münchner Betroffenen auf ihrer Radreise werben. Auch in Italien: Am Montag wird die Gruppe vom Bischof von Bozen-Brixen, Ivo Muser, empfangen. Zu diesem Treffen wird auch der Erzbischof von München und Freising, Kardinal Reinhard Marx, anreisen.

Erzbistum München und Freising unterstützt Wallfahrer finanziell

Das Bistum Bozen-Brixen ist eines der wenigen in Italien, das inzwischen regelmäßig einen Bericht zu Fällen sexuellen Missbrauchs veröffentlicht und eine Anlaufstelle für Betroffene eingerichtet hat. Robert Köhler von der Ettaler Betroffenen-Initiative "Wir wissen Bescheid", sagt "Als Herr Achleitner gesagt hat, er will nach Rom fahren und den Papst treffen, fiel uns natürlich nach einer Weile auf, dass ein Großteil der Reise in Italien stattfindet. Und dann kam natürlich die Überlegung: Wir können als Betroffene nicht einfach durch Italien fahren und wieder verschwinden. Sondern wir sind da, wir sind selbstbewusst, und wir zeigen, dass wir als Menschen ansprechbar sind und auch gerne diskutieren wollen."

Das Erzbistum München und Freising unterstützt die Radpilgerreise der Betroffenen finanziell. "Sie haben eine Botschaft, hinter der wir auch ganz feste stehen. Dass wir eben dieses wichtige Thema der Prävention und Aufarbeitung präsent halten und da auch Schritte gehen", sagt Generalvikar Christoph Klingan, der das Anliegen der Betroffenen unterstützen will, in der Kirche etwas zu bewegen und anderen Betroffenen Mut zu machen.

Sexueller Missbrauch fand auch in anderen Institutionen statt

Auch der Münchner Oberbürgermeister Dieter Reiter verabschiedete die Radler bei ihrem Start am Münchner Marienplatz und sagte, die Reise sei ein starkes Zeichen dafür, dass die Zeit des Wegschauens und des Verschweigens vorbei sein müsse, in der Kirche wie in allen anderen Bereichen der Gesellschaft. "Es ist eben nicht so, dass das nur in kirchlichen Institutionen stattgefunden hat, sondern auch in anderen gesellschaftlichen Institutionen. Und auch für einige trägt die Stadt München Verantwortung, nämlich für unsere Kinderheime." Etwas bewegen und anderen Betroffenen Mut machen, das ist das erklärte Ziel der Münchner Radpilger. In zehn Tagen wollen die Radpilger mit ihrer Botschaft für Papst Franziskus in Rom eintreffen.

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