Pulpul (Roberto Gañán Ojea), Sänger von SKA-P, Ska Band, bei einem Auftritt am 24.06.2023 in Berlin.
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Pulpul (Roberto Gañán Ojea), Sänger von SKA-P, Ska Band, bei einem Auftritt im am 24.06.2023 in Berlin.

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Antisemitismus-Vorwurf: Tollwood verweist auf Kunstfreiheit

Ein Bündnis fordert die Absage des Konzerts von "Ska-P" am 15. Juli auf dem Münchner Tollwood-Festival. Sie werfen der Band Antisemitismus und Antiziganismus vor. Die Veranstalter distanzieren sich von einem Liedtext, sagen das Konzert aber nicht ab.

In einem offenen Brief an die Veranstalter hat ein Bündnis die Absage des für diesen Samstag geplanten Konzerts der Band Ska-P auf dem Münchner Tollwood-Festival gefordert. Sie werfen der Band Antisemitismus und Antiziganismus vor.

Zu den Unterzeichnern zählen Das Linke Bündnis gegen Antisemitismus München (LBGA), der Verband Jüdischer Studenten in Bayern (VJSB), der Verband Deutscher Sinti und Roma in Bayern und das Junge Forum der Deutsch-Israelischen Gesellschaft München (JuFo). Die Tollwood-Veranstalter haben BR24 gegenüber erklärt, man stelle sich allgemein gegen jede Form der Diskriminierung. Toleranz, Internationalität und Offenheit seien die Grundpfeiler eines jeden Festivals, aber: "Darüber hinaus stehen die Festivals für Meinungs- und Kunstfreiheit im demokratischen Rahmen."

Veranstalter: "Begrenzte Handhabe bei der inhaltlichen Gestaltung"

Eine Absage des Konzerts erwägt der Veranstalter eigenen Angaben zufolge nicht. Grund dafür sei auch "eine begrenzte Handhabe in der inhaltlichen Gestaltung der Konzerte, die in der Tollwood Musik-Arena stattfinden". Man habe Verträge abgeschlossen, aus denen man nicht einfach aussteigen könne.

Die Unterzeichner des offenen Briefs kritisierten insbesondere den Song "Intifada". Dabei handele es sich, so die Sprecherin des Münchner Festivals, lediglich um einen Song aus dem gesamten Werk von Ska-P, einer "linksorientierten Band mit sozialkritischen Texten". Und weiter: "Der Song steht auch nicht auf dem Index." Dennoch könne man nach einer intensiveren Auseinandersetzung mit dem Inhalt die Kritik des Bündnisses nachvollziehen. Man habe die Band darum gebeten, den Song auf dem Konzert nicht zu spielen, sagte die Festival-Sprecherin. Die Band habe bislang aber nicht auf diese Bitte reagiert.

Das Bündnis versteht den Liedtext von "Intifada" als "ein Paradebeispiel für linken israelbezogenen Antisemitismus". Im offenen Brief wird unter anderem folgende Liedzeile in deutscher Übersetzung zitiert: "Die Opfer sind zu Henkern geworden, sie kehren ihr Inneres nach außen". Das sei eine "Stilisierung der jüdischen Opfer der Shoa zu Tätern und Täterinnen", so der Vorwurf. Die Opfer des Nationalsozialismus und ihre Nachkommen würden auf diese Weise "für eine 'Kolonisierung' Palästinas verantwortlich gemacht".

LBGA: "Völlig inakzeptabel, vor allem in München"

"Das ist völlig inakzeptabel, vor allem in München, 50 Jahre nach dem Olympia-Attentat", sagte ein Sprecher von Das Linke Bündnis gegen Antisemitismus München (LBGA) gegenüber BR24. Der positive Bezug auf die Intifada durch den Song-Titel vertiefe die antisemitische Dimension des Songs.

Außerdem kritisieren die Bündnisgruppen, zu denen auch der Verband Deutscher Sinti und Roma in Bayern gehört, ein Element der Bühnenshow als antiziganistisch: Bei einem Konzert in Augsburg habe sich ein Bandmitglied ein paar Minuten lang während eines Liedes als stereotypische "Zigeunerin" mit Glaskugel verkleidet.

Diese Bühnenshow sei völlig unverantwortlich, bedenke man, welches Leid Sinti und Roma während des Dritten Reiches erleben mussten und welcher Diskriminierung sie bis heute ausgesetzt seien, so der Sprecher des LBGA: "Vor diesem Hintergrund ist auch inakzeptabel, dass dieser Band in München eine Bühne geboten wird." Die Veranstalter des Tollwoods haben das deutsche Management von Ska-P deshalb auch gebeten, auf diesen Teil der Bühnenshow zu verzichten - ohne bisher eine Antwort bekommen zu haben. Ein Grund, das Konzert abzusagen, ist die kritisierte Showeinlage für die Tollwood-Veranstalter jedoch ebenfalls nicht.

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