Rammstein-Sänger Till Lindemann während des Songs "Mein Teil".
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Immer neue Vorwürfe werden gegen die Band Rammstein und Sänger Till Lindemann laut. (Symbolbild)

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Rammstein - Neue ausführliche Vorwürfe von Influencerin

Immer neue Vorwürfe gegen Rammstein-Sänger Till Lindemann: Nun macht eine Influencerin publik, wie durch die Row Zero Frauen scheinbar gezielt missbraucht werden. Superbloom-Chefin Szép bestätigt: Prinzipiell gibt es solche gesonderten Gästebereiche.

Über dieses Thema berichtet: kulturWelt am .

Zahlreiche Frauen haben in der vergangenen Woche Anschuldigungen gegen Rammstein-Sänger Till Lindemann erhoben - nun kommt eine weitere hinzu. Die Influencerin und Modedesignerin Kayla Shyx hat auf YouTube ein 36-minütiges Video hochgeladen, in dem sie schildert, wie sie für die Row Zero "gecasted" wurde.

Sie sei von einer Frau namens Alena M. angesprochen und anschließend zur Rammstein-Afterparty gebracht worden. Dabei sei es aber nicht geblieben. "Ich war eine von Tills Girls", sagt Shyx.

Die Systematik der "Row Zero"

Am 04. Juni 2022 hätten sie und eine andere Frau ein Rammstein-Konzert im Berliner Olympiastadion besucht – in der Row Zero. Dort sei sie von der besagten Alena M. angesprochen worden, die auf Instagram angibt, mit Rammstein-Sänger Till Lindemann auf Tour zu sein. Kayla Shyx, damals 20 Jahre alt, erzählt, ihnen sei der Zutritt zur Afterparty angeboten worden – sie würden Till Lindemann dort treffen.

M. selbst sammelt in den sozialen Netzwerken Geschichten von Frauen, die angeben, dass ihnen bei den Rammstein-Partys und mit der Row Zero Träume erfüllt wurden. "Wir wurden nie gezwungen Alkohol zu trinken, es war die beste Partynacht unseres Lebens", schildert dort zum Beispiel ein Fan. Aus Kreisen der Band wurde gegenüber BR24 nun bestätigt, dass es eine russische Dame gegeben habe. Sie habe nicht im Namen der Band gehandelt, aber die Frauen in die Row Zero eingeladen. Das Instagram-Profil von Makeeva wurde nach dem Erscheinen von Shyx' Video auf privat gestellt.

An diesem 04. Juni 2022, sagt Shyx, sei es nach dem Konzert nicht auf die offizielle Afterparty gegangen. Mit einer Gruppe von jungen Frauen sei sie in einen separaten Raum gelotst worden. Ihre Handys hätten die Frauen abgeben müssen. M. habe sie beruhigt: Die Party sei ein wenig privater, deswegen müssten die Handys draußen bleiben. Schon hier habe sie sich unter Druck gesetzt und unwohl gefühlt, sagt Shyx.

"Die ganze Atmosphäre war seltsam"

Laut Kayla Shyx sei es folgendermaßen weitergegangen: In dem kleinen Raum habe es nur zwei Sofas, einen Tisch und Alkohol gegeben. "Die ganze Atmosphäre war seltsam", sagt Shyx. Bei einem Gang zur Toilette habe ihr dann ein anderes Mädchen erzählt, dass Till Lindemann sich die Frauen schon bei einer Pre-Party angeschaut und dann ein Mädchen ausgewählt habe.

Das angebliche Vorhaben: Sex während des Konzerts. "Er hat sich halt die eine ausgesucht und die wurde mitten im Set rausgezogen, um ihm unter der Bühne einen zu blasen", zitiert Shyx die Frau. Sie habe daraufhin Reißaus genommen, so Shyx, sei aber von der Situation verstört gewesen. Später habe sie mitbekommen, dass der Rest der Gruppe zu Till Lindemanns Hotel gefahren worden sei.

Shyx: Es wird verschwiegen, dass es zu Sex kommen soll

Der Punkt, den Shyx aber immer wieder betont: Zu keinem Zeitpunkt sei sie informiert worden, dass sexuelle Handlungen im Raum stünden. "Es wird kommuniziert, dass es eine normale Party ist. Selbst wenn man aktiv nachfragt, ob es in die Richtung Sex geht (…) wird dir gesagt ‚Nein‘." Diesen Ablauf hat auch Shelby Lynn so geschildert, die Frau, die als erste ihre Vorwürfe öffentlich machte. Auch Lynn beschrieb, dass sie vorher explizit nachgefragt habe, wieso sie Lindemann treffen sollte. Dieser habe dann entgegen der Aussage von Band-Vertrauten Sex von ihr erwartet.

Shyx sagt, sie habe mit anderen Frauen gesprochen, die auf Rammstein-Konzerten waren und andere Erfahrungsberichte gelesen. Es gebe ein regelmäßiges, immer wiederkehrendes Muster: Frauen werden de facto gescoutet, zu Afterpartys gelotst, dort gebe es Alkohol und Drogen. Das Ziel sei, Till Lindemann Frauen für Sex zuzuführen – ohne vorherige Information.

Angebliche Gerüchte und Gerede um Rammstein-Konzerte

Shyx sagt in ihrem Video auch, dass es über diese Vorgänge um Lindemann schon Gerüchte und Informationen gegeben habe: "Als ich angefangen habe, Leuten davon zu erzählen, haben sie so getan, als wäre das keine Überraschung." Sie habe mit anderen Frauen gesprochen, denen gesagt worden sei, sie dürften nicht über ihre Erlebnisse reden.

Sie selbst habe direkt nach dem Konzert öffentlich darüber sprechen wollen. Doch eine entsprechende Story auf ihrem Instagram-Account habe sie gleich wieder gelöscht. Ihr altes Management habe sie dazu gedrängt. Laut Shyx kein Einzelfall: "Und egal, wem ich von dieser Erfahrung erzählt habe in der Industrie, hat mir jeder basically (deutsch: im Grunde) gesagt: ‚Nicht drüber reden‘."

Superbloom-Direktorin: Row Zero gibt es nur in seltenen Fällen

Aus Bandkreisen heißt es unterdessen zu den Vorwürfen, dass es nicht nur bei Rammstein eine Row Zero gebe, sondern ebenso bei anderen Bands. Treffen mit Mick Jagger könnten gekauft werden, dafür müsste man aber mehr als 1.000 Euro zahlen.

Auch die Direktorin des Superbloom-Festivals in München, Fruzsina Szép, bestätigt, dass der berüchtigte Bereich der Row Zero bei Konzerten in Deutschland grundsätzlich existiere, aber selten sei. Im Interview mit Bayern 2 sagte Szép: "Ja, die Row Zero gibt es. Aber ich würde mal sagen, dass es sehr, sehr wenige Festivals gibt, die so etwas machen."

Szép, die auch im Vorstand von "Yourope", der "European Festival Association" ist, betonte: "Wir sind da sehr sensibilisiert und schauen, dass unsere Festivals so sicher und so gut organisiert sind, wie es nur geht." Zugleich stellte sie klar, dass es bei "ihrem" Festival in München keinen Extrabereich für eingeladene Frauen gebe: "Nein, den gibt es nicht und den wird es auch nicht geben. Es ist Teil meiner Persönlichkeit, dass mir die Frauen innerhalb der Musikszene, innerhalb der Branche und auf unseren Bühnen und hinter den Bühnen und in unseren Teams sehr wichtig sind."

Licht und Schatten des Groupietums

Derweil führen viele Fans zur Verteidigung von Rammstein an, dass es im Umfeld von Bands schon immer Groupies gegeben habe - was diese teils auch öffentlich sehr positiv dargestellt hätten. Frauen wie Uschi Obermaier feierten sich für Affären mit Jimi Hendrix, Mick Jagger und Keith Richards und verstanden das als weibliche Emanzipation.

Andererseits gab es ebenso Missbrauchsskandale im Zusammenhang mit Groupies - etwa gegen Aerosmith-Sänger Steven Tyler. Gegen ihn wurde rückwirkend Klage wegen eines mutmaßlichen Missbrauchsfalls in den 1970ern eingereicht.

Im Fall Rammstein schockiert viele die mutmaßliche Systematik des Castings der Frauen für die Row Zero. Das könnte allerdings in der Rockbranche System haben, wie es das Statement aus Bandkreisen andeutet. Die Aktivistin und Kulturwissenschaftlerin Reyhan Şahin, alias Lady Bitch Ray, schreibt dazu auf Twitter: "Gezielte Rekrutierung auf Konzerten von (meist jungen) Frauen für Sex wird oftmals vonseiten der Manager für die männlichen Acts durchgeführt und ist ein ziemlich gängiges Ding in der Pop-, Rock- & Deutschrap-Szene."

Keine Groupies mehr in Row Zero

Grundsätzlich gilt sowohl für Rammstein als auch für die Personen, die Anschuldigungen erhoben haben, die Unschuldsvermutung. Auch die Band hatte in einem Statement dazu aufgerufen, niemanden vorzuverurteilen. Bei den bevorstehenden Rammstein-Konzerten werde es die Row Zero in dieser Form nun nicht mehr geben.

Aus Sicherheitsgründen müsse sie aber als Reihe bestehen bleiben, es würden jedoch keine Groupies mehr dorthin eingeladen, heißt es aus Kreisen der Band gegenüber dem BR. Auch Afterpartys würden in Zukunft noch veranstaltet, allerdings in kleineren Runden. Außerdem habe das Management nach dem Konzert in Vilnius eine interne Befragung der Crew gestartet und eine externe Anwaltskanzlei beauftragt. Mit Ergebnissen sei in den nächsten Tagen zu rechnen.

Hinweis der Redaktion: Wir haben einen früheren Titel des Artikels geändert, der missverständlich erscheinen könnte. Die Direktorin des Superbloom-Festivals, Fruzsina Szép, drückt mit ihren Aussagen lediglich aus, dass es prinzipiell auch bei anderen Veranstaltungen bestimmte, gesonderte Gästebereiche namens "Row Zero" gibt. Dies ist keine Aussage zu den Vorwürfen gegen Rammstein oder darüber, was in diesen Bereichen passiert. (15:05 Uhr)

Rammstein-Sänger Till Lindemann während des Songs "Mein Teil"
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