Die Fahne der Ukraine weht zwischen einer EU- und einer deutschen Fahne vor dem Bundeskanzleramt
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Eine EU-, eine ukrainische und eine deutsche Fahne vor dem Kanzleramt

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Streit und Machtworte: Wie Putins Krieg Deutschland verändert

Streit und Machtworte: Wie Putins Krieg Deutschland verändert

Inflation, Energiekrise und Kriegsangst beherrschen die Tagespolitik. Die Politologin Astrid Séville sagt: Die Regierung braucht eine starke Kommunikationsstrategie, um ihren Kurs zu erklären und nicht weite Teile der Bevölkerung zu verlieren.

Über dieses Thema berichtet: Dossier Politik am .

Sind der AKW-Streit und das Kanzler-Machtwort ein Zeichen der Schwäche der Ampelkoalition? Oder einfach etwas, das früher oder später zu erwarten war in einem Dreierbündnis?

Für die Politologin Astrid Séville, die gerade zum Verhältnis von Demokratie und Populismus an der TU München forscht, ist eine "gewisse Atonalität" in einer Konstellation wie der derzeitigen Ampel keine Überraschung, da vor allem Grüne und FDP politisch und ideologisch sehr weit auseinanderliegen.

Atomkraft-Streit wundert Politologin nicht

In der Energiekrise, die durch das fehlende russische Gas entstanden ist, geht es für die Parteien der Ampelkoalition damit nicht nur um aktuelle Probleme, die schnell gelöst werden müssen. Es geht um nichts weniger als die Kernsubstanz der Parteien: Gerade für die Grünen ist der Ausstieg aus der Atomkraft Teil der politischen Identität. Mit der Laufzeitverlängerung fürchtet die Partei nun, dass der Ausstieg vom Ausstieg kommen könnte. Dass sich ausgerechnet der Streit um die AKWs so verhärtet hat, wundert die Politologin deshalb nicht.

Habeck als Gegenmodel zu Merkel

Andererseits: Womöglich haben wir in den langen Jahren mit einer Politikerfigur wie Angela Merkel an der Spitze vielleicht auch ein wenig verlernt, Streit auszuhalten, meint die Expertin. Ein Politiker wie Robert Habeck, der bewusst seine inneren Konflikte nach außen trage, sei das Gegenmodell zu Angela Merkel, die viele ihrer Entscheidungen als alternativlos begründet und durchgesetzt habe.

Eine Demokratie, sagt die Politologin, lebe von Kontroversen. Lösungsorientierter und produktiver Streit sei gut - es den Wählern recht zu machen, aber nicht einfach: "Bürgerinnen und Bürger wünschen sich Koalitionen, in denen Konflikte reibungslos aufgelöst werden. Gleichzeitig beklagen sie sich dann aber über Alternativlosigkeit und zu wenig Streitkultur."

Politologin: Bundestag repräsentiert nicht alle Gruppen in Bevölkerung

Insgesamt beobachtet Séville eine "Repräsentationslücke in der deutschen Politik": Im Bundestag sitzen kaum Geringverdiener und Menschen, die sich die Preissteigerungen nicht leisten können.

Aufgabe der demokratischen Parteien sei es nun, diesen Menschen klar zu machen, dass sie gesehen werden und sie mit konkreten Maßnahmen zu unterstützen. Solches Handeln sei Kennzeichen einer starken Demokratie und wichtig, um Populisten, die die Ängste für sich nutzen wollen, das Wasser abzugraben.

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"Demokratie kein Geschenk, sondern etwas, das man sich erkämpft hat"

Auf der anderen Seite ist für Séville aber eine klare Kommunikation nötig: Bürgerinnen und Bürgern, die im Moment Seite an Seite mit Rechten demonstrierten, müsse deutlich gemacht werden, wie sich ihr Leben verändern würde, wenn wir nicht mehr in einer liberalen Demokratie leben würden: "Wir können demonstrieren gehen, wir können Eliten verunglimpfen und werden dafür nicht in Folterknäste gesteckt. Das sind Dinge, die es zu verteidigen gilt. Demokratie ist kein Geschenk, sondern etwas, das man sich erkämpft hat und das es zu verteidigen gilt."

Auch wenn das Aushandeln von Kompromissen, Debatten und Streit eine Demokratie manchmal langsam und schwerfällig erscheinen lassen – Zeichen von wehrhafter Demokratie sei es, den Bürgern die Vorteile dieser Staatsform zu vermitteln. Und das, so die Politologin, sei wiederum "wahrscheinlich noch nie so 'leicht' gewesen wie in Zeiten eines Krieges von Putin in der Ukraine".