Der Republikaner Kevin McCarthy bei der verpatzten Wahl zum Sprecher des Repräsentantenhauses.
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USA: Wahldebakel offenbart tiefe Spaltung der Republikaner

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USA: Wahldebakel offenbart tiefe Spaltung der Republikaner

Der Streit in den USA zwischen Hardlinern und gemäßigten Republikanern schwelt seit Jahren. Doch wie sehr die Partei gespalten ist, offenbart sich mit dem Wahldebakel um McCarthy als Sprecher des Repräsentantenhauses. Ein Drama mit offenem Ende.

Bei der Wahl zum Vorsitz des US-Repräsentantenhauses ist der republikanische Abgeordnete Kevin McCarthy dreimal hintereinander gescheitert, und zwar am Widerstand aus den eigenen Reihen.

Das Wahldebakel stürzt die Republikaner immer tiefer ins Chaos und verursacht einen politischen Stillstand in den USA. Denn solange kein Vorsitzender gewählt ist, kann das Repräsentantenhaus de facto seine Arbeit nicht aufnehmen. Damit liegt automatisch auch die Gesetzgebung brach.

Schlimmste Vorhersagen eingetreten

Es ist vollkommen ungewiss, wie viele Wahlgänge benötigt werden, bis ein neuer Vorsitzender des Repräsentantenhauses feststeht. Derzeit jedenfalls scheinen weder Unterstützer noch Gegner McCarthys bereit zu sein, von ihrer bisherigen Position abzurücken. Vieles hänge nun davon ab – so der Tenor in Washington – welche Seite zuerst zermürbt ist und so im Sinne des Ansehens der Partei einlenkt.

Mit McCarthys Wahldebakel sind somit die schlimmsten Vorhersagen eingetreten. Dem Fraktionschef verweigerten sogar mehr Abgeordnete die Gefolgschaft als anfangs spekuliert worden war. Eine Gruppe von 20 rechten Hardlinern innerhalb der Republikaner stellte sich gegen McCarthy. Das sind 15 mehr als ursprünglich angenommen.

McCarthy ist den Hardlinern zu gemäßigt

Über die Hälfte der Abgeordneten, die gegen McCarthy stimmten, leugnen bis heute ausdrücklich die Ergebnisse der Präsidentenwahl von 2020. Ihrer Ansicht nach sei die Abstimmung manipuliert worden und Donald Trump der rechtmäßige Gewinner des Urnengangs. Und das obwohl Joe Biden sieben Millionen mehr Stimmen und 74 mehr Wahlmänner als Trump erhielt.

Gleichgültig wie viele Zugeständnisse Kevin McCarthy im Vorfeld der Abstimmung seinen Partei internen Kritikern gegenüber auch machte, sie votierten dennoch gegen ihn. Dabei zeigte sich McCarthy sogar bereit, die Hürden für die Abberufung des Vorsitzenden im Repräsentantenhaus deutlich zu senken. Womit er seinen Gegnern ein starkes Druckmittel gab, ihn nach Belieben wieder aus dem Amt des Sprechers entfernen zu können. Doch selbst das besänftigte seine Kritiker nicht.

Da half auch die Unterstützung von Donald Trump wenig. Der harte Kern der rechten Hardliner hält McCarthy für zu gemäßigt. Dem 57-Jährigen wird vorgeworfen, in seiner Zeit als Minderheitsanführer im Repräsentantenhaus nicht aggressiv genug den Demokraten die Stirn geboten zu haben. Einige Republikaner halten ihn zudem für zu wankelmütig.

Dritthöchster Posten im Staat

Bei der Kongresswahl im November hatten die Republikaner erstmals seit vier Jahren wieder die Mehrheit im Repräsentantenhaus erobert. Mit 222 zu 212 Mandaten fällt diese zwar knapp aus. Dennoch sollte die Wahl des Sprechers des Repräsentantenhauses wie in den vergangenen Jahrzehnten eigentlich für die tonangebende Partei kaum mehr als eine Formalie sein, bei der sie sich keine Blamage erlaubt. Schließlich geht es beim Sprecher des Repräsentantenhauses um den dritthöchsten Posten im Staat, nach dem Präsidenten- und dem Vizepräsidentenamt.

Hardliner greifen eigene Parteiführung immer wieder an

Die jüngste Auseinandersetzung im Repräsentantenhaus und das damit ausgelöste Wahldebakel – konstatiert die Tageszeitung New York Times – sei zwar nicht der erste dafür aber der bisher deutlichste Angriff der republikanischen Hardlinern auf ihre eigene Führung im Kongress in den letzten Jahren.

So haben die Erzkonservativen bereits 2015 John A. Boehner von seinem Posten als Sprecher des Repräsentantenhauses vertrieben und verweigerten schon damals auch Kevin McCarthy ihre Stimmen, die für die Nachfolge von Boehner erforderlich waren. Ständigen Angriffen seitens der republikanischen Ultrarechten sah sich auch Boehners Nachfolger Paul D. Ryan ausgesetzt. Politische Attacken aus den eigenen Reihen, die dazu führten, dass der einst als einer der mächtigsten und prominentesten Politiker seiner Partei, dem nicht zuletzt ein sehr konfliktreiches Verhältnis zu Präsident Donald Trump nachgesagt wurde, 2018 seinen Rückzug aus dem Parlament beschloss.

Neuer Name im Machtkampf um Sprecherposten

Ungeachtet des bisherigen Wahldebakels und der damit einhergehenden politischen Demütigung hält Kevin McCarthy an seiner Kandidatur als künftiger Sprecher des Repräsentantenhauses dennoch weiterhin fest. Dabei kursieren bereits andere Namen für den Sprecherposten. Darunter jener des Abgeordneten aus Ohio, Jim Jordan, der bereits gestern von den Hardlinern favorisiert wurde. Auch wenn ihm dem Vernehmen nach bislang kaum realistische Chancen auf einen Wahlsieg eingeräumt werden.

Der 58-Jährige Jordan wird im rechten Lager geschätzt und ist ein erklärter Anhänger Trumps. Beim dritten Wahlgang am Dienstag wurde er von den Hardlinern als Alternative aufgestellt und erhielt prompt die 20 Stimmen, die McCarthy für einen Erfolg fehlten.

Doch selbst wenn sich McCarthy am Ende durchsetzen sollte, wird er aus der Abstimmung stark geschwächt hervorgehen. Mehr noch: Er wird fortan gezwungen sein, den tiefen Graben innerhalb seiner Partei zu überbrücken, statt sich darauf konzentrieren zu können, dem demokratischen Präsidenten Biden das Leben politisch schwerzumachen.

Trump ruft Republikaner auf McCarthy zu wählen

Dessen ungeachtet hat der frühere US-Präsident Donald Trump alle Republikaner im Repräsentantenhaus dazu aufgerufen, Kevin McCarthy zum neuen Vorsitzenden der Kongresskammer zu wählen. Trump lancierte den Appell am Mittwoch in seinem Onlinenetzwerk Truth Social, nachdem McCarthy am Vortag in drei Wahlrunden nicht die erforderliche Mehrheit der Stimmen erhalten hatte. Trump schrieb nun dazu unter Bezug auf die Mehrheit in der Kongresskammer, die seine Partei bei den Zwischenwahlen im November errungen hatte: "Republikaner, verwandelt einen großen Triumph nicht in eine gigantische und blamable Niederlage." Es sei nun für alle Republikaner an der Zeit für Kevin McCarthy zu stimmen, betont Trump.

Präsident Biden: Peinlicher Machtkampf

Joe Biden hat unterdessen den Machtkampf der Republikaner um den Vorsitz im Repräsentantenhaus als peinlich kritisiert. "Es ist nicht mein Problem", sagt Biden. Aber es sei "peinlich", dass es so lange dauere, einen neuen Vorsitzenden der Kongresskammer zu bestimmen. Der Rest der Welt schaue zu. "Ich konzentriere mich darauf, Dinge zu erledigen", betont der US-Präsident.

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