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Martin Schulz

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SPD vor GroKo-Verhandlungen: Die Probleme des Martin Schulz

Mit welcher Strategie gehen die Sozialdemokraten in die Koalitionsverhandlungen mit CDU und CSU? Diese Frage will die SPD heute auf einer Klausur klären. Schulz muss versuchen, für seine Partei noch einiges herauszuholen – das wird nicht einfach.

Über dieses Thema berichtet: BR24 im Radio am .

Das knappe Ergebnis auf dem Parteitag für die Aufnahme von GroKo-Verhandlungen hat es gezeigt: Die Partei ist in dieser Frage tief gespalten – wie viel Rückhalt hat Martin Schulz also noch?

Problem 1: Die GroKo-Gegner

Parteilinke wie die Jusos wollen eine Neuauflage der Großen Koalition unbedingt verhindern. Der Juso-Vorsitzende Kevin Kühnert hat seinen Standpunkt schon im Dezember deutlich gemacht.

"Wir haben ein Interesse daran, dass hier noch was übrig bleibt von diesem Laden, verdammt noch mal. Und ich sehe im Moment nicht, dass wir Strategien fahren, bei denen noch was übrig bleibt." Kevin Kühnert, Bundesvorsitzender der Jusos

Jusos kämpfen für Erneuerung der Partei in der Opposition

SPD-Kernforderungen sieht Kühnert im Sondierungspapier nicht umgesetzt. Er kämpft für eine Erneuerung seiner Partei in der Opposition. Und der Kampf ist noch nicht zu Ende: Wenn die SPD-Basis dem Koalitionsvertrag nicht zustimmt, ist das Bündnis gescheitert.

Schon 2013 ließ der damalige Parteichef Sigmar Gabriel am Ende die Basis über den GroKo-Vertrag abstimmen – drei Viertel der Mitglieder sagten "Ja". Doch es gibt einen Unterschied: Damals kam die SPD aus der Opposition, jetzt geht es um eine Neuauflage der Großen Koalition nach einem historisch schlechten Wahlergebnis.

Problem 2: Der Schlingerkurs

Zuerst reagierte Martin Schulz ähnlich wie die jetzigen GroKo-Gegner: Noch am Wahlabend kündigte er an, dass die Zusammenarbeit mit der CDU/CSU in der Großen Koalition beendet sei. Nach dem Scheitern von Jamaika ließ er sich von Bundespräsident Steinmeier umstimmen – und klang ganz anders.

"Wir müssen nicht um jeden Preis regieren"

"Wir müssen nicht um jeden Preis regieren – aber wir dürfen auch nicht um jeden Preis nicht regieren wollen." Martin Schulz, SPD-Vorsitzender

Schnell waren Sondierungen mit der Union anberaumt, vergleichsweise schnell waren sie abgeschlossen. Erfolgreich für die SPD? Martin Schulz zeigte sich in seinem Statement nach der Einigung überzeugt davon.

Stegner sorgte für Empörung

Doch schnell kam Kritik aus den eigenen Reihen, die SPD habe schlecht verhandelt. Parteivize Stegner sorgte für Empörung bei der Union, als er Nachverhandlungen forderte. Aber Schulz stellte sich hinter Stegner und sprach in Bezug auf die Koalitionsverhandlungen von einem neuen Verhandlungsbeginn.

Während die CDU sich in Teilen kompromissbereit zeigt, sieht die CSU keinen Verhandlungsspielraum mehr: Das Sondierungspapier bezeichnete Generalsekretär Scheuer als Vor-Vertrag. Wie verlässlich kann Martin Schulz also mit der Union verhandeln?

Problem 3: Schlechtes Sondierungsergebnis

Union und SPD haben ihren Rahmen sehr genau abgesteckt, was die strittigen Themen angeht. Martin Schulz konnte sich mit einigen zentralen Wahlversprechen nicht durchsetzen: Die Bürgerversicherung wird es laut Sondierungspapier nicht geben. Dafür ist vereinbart, dass bei den Krankenkassenbeiträgen Arbeitgeber wieder genau so viel zahlen wie Arbeitnehmer. Zwar ein Erfolg für die SPD, doch noch längst nicht das Ende der Zwei-Klassen-Medizin.

Noch weniger Möglichkeiten dürfte die SPD beim Familiennachzug von Flüchtlingen haben: Dass künftig mehr Härtefälle zugelassen werden, lehnt die CSU strikt ab.

Schlechte Sondierungsnoten

Was hat die SPD also erreicht? Der erste Punkt, den Fraktionschefin Nahles auf diese Frage nannte: Das Rentenniveau werde in den nächsten acht Jahren auf heutigem Niveau gesichert.

Aber Kritiker sprechen von einer Mogelpackung. Die Garantie für das Rentenniveau sei bedeutungslos, weil es bis 2025 wohl sowieso nicht unter den Wert von 48 Prozent rutschen werde. Das bestätigte – zumindest für die nächsten vier Jahre – auch die Deutsche Rentenversicherung.

Schlechte Sondierungsnoten für Martin Schulz kommen auch aus der Bevölkerung: In einer repräsentativen Umfrage für den BR sehen lediglich 15 Prozent die SPD im Vorteil.

Problem 4: Wer sind eigentlich die SPD-Anhänger?

Eine klassische Arbeiterpartei ist die SPD längst nicht mehr. In einem Bericht des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung heißt es: Die Wählerschaft hat sich bei den Sozialdemokraten am stärksten verändert.

"Bei der SPD hat sich die Wählerstruktur stark von der Arbeiterschaft hin zu Angestellten und Personen im Ruhestand verschoben. Nicht zuletzt deshalb haben sich die Wählerstrukturen von SPD und CDU/CSU einander angeglichen." Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung, 19.7.17

Wo ist also das sozialdemokratische Gewinner-Thema? Eines wie den Mindestlohn 2013 hat es schon im Wahlkampf nicht gegeben und gibt es bis heute nicht. Umso schwieriger, die Basis zu überzeugen, für eine Große Koalition zu stimmen.