Verteidigungsministerin Lambrecht tritt zurück -
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Verteidigungsministerin Lambrecht tritt zurück - Nachfolge offen

Die seit Monaten in der Kritik stehende Verteidigungsministerin Christine Lambrecht zieht die Konsequenzen und tritt zurück. Bundeskanzler Scholz äußerte Respekt für ihre Entscheidung und kündigte an, die Nachfolge schnell zu regeln.

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Bundesverteidigungsministerin Christine Lambrecht hat wie erwartet ihren Rücktritt erklärt. Sie habe Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) um die Entlassung aus dem Amt gebeten, teilte die SPD-Politikerin am Vormittag in einer schriftlichen Erklärung bekannt. "Die monatelange mediale Fokussierung auf meine Person lässt eine sachliche Berichterstattung und Diskussion über die Soldatinnen und Soldaten, die Bundeswehr und sicherheitspolitische Weichenstellungen im Interesse der Bürgerinnen und Bürger Deutschlands kaum zu", beklagte sie.

Die wertvolle Arbeit der Soldatinnen und Soldaten sowie der vielen motivierten Menschen im Geschäftsbereich müsse im Vordergrund stehen. "Ich habe mich deshalb entschieden, mein Amt zur Verfügung zu stellen." Sie danke allen, "die sich jeden Tag für unsere Sicherheit engagieren und wünsche ihnen von Herzen alles erdenklich Gute für die Zukunft".

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Scholz hat "klare Vorstellung" für die Zukunft

Bundeskanzler Scholz äußerte "hohen Respekt" für Lambrechts Entscheidung und dankte seiner Parteifreundin für ihre Arbeit. Er habe viele Jahre "gut und gerne" mit ihr zusammengearbeitet, betonte er bei einem Besuch der Rüstungsfirma Hensoldt in Ulm. Auch nach dem Beginn des Angriffskriegs in der Ukraine habe Lambrecht sich als Verteidigungsministerin "mit ungeheurem Einsatz darum gekümmert, dass jahrzehntelang ausgetrampelte Pfade verlassen werden und wir den großen Aufbruch hinbekommen, der für unsere Landesverteidigung wichtig ist".

Zugleich kündigte der Kanzler eine schnelle Entscheidung über die Nachfolge an. Er habe eine sehr klare Vorstellung, wie, wie es weitergehen solle, sagte Scholz, ohne einen Namen zu nennen oder seine Pläne zu erläutern. Das Verteidigungsministerium und die Bundeswehr hätten verdient, "dass das schnell geklärt wird".

Spekulationen über Lambrecht-Nachfolge

Spekuliert wird, dass Kanzler Scholz den bisherigen Arbeitsminister Heil in das Verteidigungsressort versetzen könnte. Auch die Wehrbeauftragte Eva Högl und der SPD-Vorsitzende Lars Klingbeil wurden genannt. Grünen-Parteichef Omid Nouripour forderte in einem RTL-Interview, im Kabinett müssten weiter gleich viele Männer und Frauen vertreten sein.

Die FDP-Politikerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann forderte umgehend eine schnelle Nachfolgeregelung: "Ich erwarte von der Sozialdemokratie nun schnellstmöglich die Benennung einer Nachfolgerin oder eines Nachfolgers", sagte die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses des Bundestages am Vormittag des Rücktrittsgesuchs. Als Voraussetzungen für das Amt nannte Strack-Zimmermann Durchsetzungsstärke im Ministerium und "vor allem Verständnis und Herz für die Soldatinnen und Soldaten mitbringt".

Kritiker: Langsame Beschaffung und fehlende Sachkenntnis

Bereits am Freitagabend hatten mehrere Medien übereinstimmend berichtet, Lambrecht stehe vor einem Rückzug von ihrem Ministerposten. Lambrecht stand seit Monaten massiv in der Kritik. Ihr wurde mangelndes Interesse an der Bundeswehr vorgeworfen und zuletzt ein missglücktes Video mit einer Neujahrsbotschaft. Der CDU-Verteidigungspolitiker Kiesewetter kritisierte im BR-Interview dennoch den Zeitpunkt des Rücktritts kurz vor dem Treffen der westlichen Verbündeten in Ramstein. Das sei absolut schlecht für die Bundeswehr, aber auch für die Ukraine.

Vertreter der Opposition hatten immer wieder Lambrechts Rücktritt gefordert. Kritiker warfen ihr auch die schleppend angelaufene Beschaffung für die Bundeswehr oder fehlende Sachkenntnis, aber auch ihr Auftreten in der Öffentlichkeit vor. So machte ein Foto ihres Sohnes auf Mitreise in einem Bundeswehrhubschrauber Negativschlagzeilen. Jüngst sorgte sie für Irritationen mit ihrer auf Instagram verbreiteten Neujahrsbotschaft, in der sie begleitet von Silvesterfeuerwerk über den Ukraine-Krieg sprach.

Eine Reihe von Fehltritten zwang die Ministerin schließlich zum Rücktritt
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Eine Reihe von Fehltritten zwang die Ministerin schließlich zum Rücktritt

100-Milliarden-Euro-Programm für die Bundeswehr

Damit muss nun ein zentraler Posten im Ampel-Kabinett von Bundeskanzler Scholz neu besetzt werden. Das Verteidigungsministerium ist infolge des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine zusätzlich in den Fokus gerückt. Deutschland hat als Reaktion ein 100-Milliarden-Euro-Programm aufgelegt, um die Bundeswehr besser auszurüsten. Auch bei der Unterstützung der Ukraine spielt das Verteidigungsministerium eine wichtige Rolle.

Mitte Dezember hatte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) seine Verteidigungsministerin noch gegen Kritik in Schutz genommen: "Die Bundeswehr hat eine erstklassige Verteidigungsministerin", sagte Scholz damals der "Süddeutschen Zeitung". Und weiter: "Über manche Kritik kann ich mich nur wundern." Es gehe jetzt darum, die Bundeswehr langfristig zu stärken und sie verlässlich mit Waffen und Munition auszurüsten.

Karriere schon im Kabinett Merkel als Justizministerin

Lambrecht hatte mit dem Start der Ampel-Regierung Ende 2021 das Verteidigungsministerium übernommen. Zuvor war sie im letzten Kabinett von Angela Merkel (CDU) Bundesjustizministerin gewesen, nach dem Rücktritt von Franziska Giffey hatte sie zusätzlich das Familienministerium geführt.

Lambrecht ist die zweite Ministerin, die seit dem Start der Ampel-Regierung ihr Amt wieder abgibt. Sie war gut 13 Monate im Amt gewesen. Im vergangenen Jahr war die Grünen-Politikerin Anne Spiegel als Familienministerin zurückgetreten – wegen ihrer Rolle als rheinland-pfälzische Umweltministerin während der Flutkatastrophe im Ahrtal im Juli 2021.

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Mit Informationen von dpa, AFP und Reuters

Christine Lambrecht (SPD), Bundesministerin der Verteidigung, gibt am 13. Januar 2023 in Berlin ein Pressestatement zu den Pannen beim Schützenpanzer Puma.
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Christine Lambrecht (SPD), Bundesministerin der Verteidigung, am 13. Januar 2023 in Berlin.

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