Auch acht Tage nachdem US-Medien Joe Biden zum nächsten Präsidenten ausgerufen haben, macht Donald Trump keine Anstalten, seine Niederlage anzuerkennen. Zwar ist ihm bei einem Pressestatement fast ein Satz herausgerutscht, der in diese Richtung gehen würde. Und auch einen Tweet über Biden fing Trump heute mit den Worten "He won" (Er hat gewonnen ...) an, allerdings mit dem Zusatz, dass die Abstimmung manipuliert gewesen sei.
In einem weiteren Tweet schrieb Trump: "Er (Biden) hat nur in den Augen der Fake News Medien gewonnen. Ich räume nichts ein!" Vielleicht ist es ein erster Schritt dahin gehend, dass er demnächst einen Rückzug ankündigen könnte. Vielleicht aber auch nur ein weiterer Tweet zu vermeintlichen Manipulationen. Denn von diesen gab es viele in den letzten Tagen: Immer wieder schrieb Trump auf Twitter beharrlich, dass er sich für den wahren Wahlsieger hält.
Die meisten überrascht das nicht: Trump erklärte schon vor der Wahl 2016 und auch vor dieser Abstimmung, dass er eine Niederlage nicht ohne Weiteres akzeptieren werde. Was dagegen viele Beobachter nicht nachvollziehen können, ist, warum die Republikaner trotz des klaren Ergebnisses und ohne Beweise für Wahlbetrug weiter beharrlich an seiner Seite stehen.
Republikaner: Biden gratulieren oder Trump anfeuern?
Es gibt drei Gruppen bei den Republikanern: Die, den Biden-Sieg akzeptieren; diejenigen, die zumindest symbolisch Unterstützung für Trump zeigen; und die, die den Noch-Präsidenten ermutigen, die haltlosen Betrugsvorwürfe weiterzuverfolgen.
Erst vier republikanische Senatoren haben dem Demokraten Biden zu seinem Wahlsieg gratuliert – Mitt Romney (Utah), Susan Collins (Maine), Lisa Murkowski (Alaska) und Ben Sasse (Nebraska). Es sind alles Politiker, die schon in den vergangenen vier Jahren mehr als einmal mit Trump aneinandergeraten sind.
Mehrheitsführer im Senat spricht von "vorläufige Ergebnissen"
Anders geht Mitch McConnell vor. Der Senator aus Kentucky ist republikanischer Mehrheitsführer im Senat und könnte wohl ein schnelleres Ende der Wahlbetrugs-Debatte herbeiführen. Bei einer Rede im Senat jedoch lobte er die Wahlergebnisse, bei den Republikanern ihre Senatsposten verteidigt oder Sitze im Repräsentantenhaus gewonnen haben. Diese Resultate scheint er zu akzeptieren und für rechtmäßig zu halten – im Gegensatz zum Rennen um das Weiße Haus. Da würde es nur "vorläufige Ergebnisse" geben. "Präsident Trump hat hundertprozentig das Recht, Vorwürfe über Unregelmäßigkeiten zu untersuchen und seine rechtlichen Optionen zu prüfen", erklärte McConnell weiter.
So gehen aktuell mehrere Republikaner vor: Politiker wie der einflussreiche Senator aus Florida, Marco Rubio, signalisieren ihre Unterstützung für Trump. Aber sie sprechen nicht von Wahlbetrug, sondern erklären lediglich, dass legale Stimmen gezählt und illegale Stimmen nicht gezählt werden sollten. Eine Forderung, der wahrscheinlich auch kein Demokrat widersprechen würde. Verbunden mit der Tatsache, dass Rubio und viele andere sie den Biden-Sieg nicht anerkennen, billigen sie Trumps Vorgehen.
Cruz und Graham sprechen von Betrug
Und dann gibt es noch jene Republikaner, die Trump ermutigen, seinen Kampf gegen angeblichen Wahlbetrug fortzuführen. South Carolinas Senator Lindsey Graham sprach von Betrügereien und verbreitete die Verschwörungstheorie, dass bei der Wahl Tote abgestimmt hätten. Auf Fox News feuerte er Trump an, weiter gegen das Wahlergebnis vorzugehen. Die Klagen der Republikaner wurden allerdings allesamt bisher abgewiesen.
Auch Ted Cruz, Senator aus Texas, bezeichnete das Zählen von Briefwahlstimmen in Pennsylvania – dort reichte ein Poststempel am Wahltag für eine gültige Stimme – als "parteiisch, politisch und gesetzeswidrig". Die Demokraten würden versuchen, die Wahl vom Präsidenten und Abermillionen Amerikanern zu stehlen.
Sowohl Cruz als auch Rubio und Graham traten 2016 gegen Donald Trump im Vorwahlkampf der Republikaner an. Den ersten Staat – Iowa – gewann seiner Zeit Cruz. Ironischerweise warf Trump damals wiederum seinem Parteikollegen Betrug vor und schrieb auf Twitter: "Ted Cruz hat Iowa nicht gewonnen, er die Wahl gestohlen."
Warum stehen die Republikaner weiter an Trumps Seite?
Nicht wenige fragen sich, warum die Spitze der Partei nicht erklärt, dass Biden die Wahl gewonnen hat und dass man jetzt nach vorne schauen müsse – in eine Zeit nach Trump. Doch viele in der Partei haben Gründe, warum sie derzeit nicht aus der republikanischen Reihe tanzen wollen. Dass sie dabei das Vertrauen in den demokratischen Prozess und die Rechtmäßigkeit von Wahlen in den USA untergraben, nehmen sie offenbar in Kauf.
Es glaubt wohl kaum jemand, dass sich am Ergebnis etwas ändert. Ein namentlich nicht genannter Republikaner aus der Parteispitze erklärte gegenüber der Washington Post über die Unterstützung für Trump: "Wo ist der Nachteil, wenn wir ihn noch etwas unterhalten für die kurze Zeit? Niemand denkt wirklich, dass sich das Resultat noch ändern wird."
Der Kampf um Georgia
Für McConnell geht es offenbar in erster Linie um die Mehrheit im Senat. Nach den Wahlergebnissen steht es dort 50 zu 48 für die Republikaner. Zwei Senatsrennen sind noch ausstehend, beide in Georgia. Dort gibt es die Regel, dass ein Kandidat mehr als 50 Prozent braucht, weswegen es um beide Posten eine Stichwahl gibt.
Sollten die Demokraten beide Rennen gewinnen, gibt es einen Gleichstand im Senat. Sollte es dann bei Gesetzesabstimmungen 50 zu 50 stehen, entscheidet die Stimme des Vizepräsidenten – das wird ab Januar voraussichtlich die der Demokratin Kamala Harris sein. Gewinnen die Republikaner mindestens eine der beiden Wahlen, kann Joe Biden nicht an ihnen vorbei regieren. Für beide Parteien steht deswegen eine Menge auf dem Spiel in Georgia. McConnell will offenbar keinen Zwist zwischen Noch-Präsident und Partei haben, um die republikanischen Wähler bei diesen wichtigen Abstimmungen mobilisieren zu können.
Allerdings birgt die Taktik auch Risiken, Trump unwidersprochen seine Vorwürfe über Wahlbetrug wiederholen zu lassen. Zum einen kann sie genauso die demokratische Basis und manchen Nicht-Wähler an die Urne treiben, um den Republikanern einen Denkzettel für das Schauspiel zu verpassen. Zum anderen könnten sich republikanische Sympathisanten fragen: Wozu überhaupt wählen, wenn es doch angeblich überall Betrug gibt?
Angestachelt durch Trump machten auch die beiden republikanischen Senatskandidaten in Georgia - Kelly Loeffler and David Perdue – einen Vorstoß und forderten den Rücktritt des Secretary of State von Georgia, Brad Raffensperger – auch er ein Republikaner. Die beiden werfen ihm "Missmanagement" vor, ohne genauere Vorwürfe zu machen.
Der Kampf um die Nachfolge
Neben den Partei-Rebellen um Romney und Co könnten einige Republikaner deswegen vor einem Bruch mit Trump zurückschrecken, weil sie um ihr Standing in der Partei fürchten – vor allem mit Hinblick auf 2024. Rubio und Cruz beispielsweise wollten schon 2016 Präsidentschaftskandidat der Republikaner werden und scheiterten an Trump. Beiden wird nachgesagt, es 2024 noch mal versuchen zu wollen. Würden sie nun mit zu den Ersten gehören, die sich in dieser Sache öffentlich gegen den Präsidenten stellen, könnte das ihrem Ansehen in der Partei schaden – und damit auch ihren Chancen in einem Vorwahlkampf 2024.
Dasselbe gilt für Vizepräsident Mike Pence, die ehemalige UN-Botschafterin Nikki Haley und Außenminister Mike Pompeo. Letzterer verkündete vor Kurzem auf einer Pressekonferenz – vermeintlich halb scherzhaft -, dass es einen geordneten Machtübergang zu einer zweiten Trump-Administration geben werde. Auch bei diesen drei Top-Republikanern heißt es, dass sie sich Chancen auf eine Kandidatur in 2024 ausrechnen. Ein Bruch mit Trump würde ihnen dabei womöglich nicht helfen, solange der Präsident so viele Unterstützer in der Partei hat.
Eventuell haben sie aber auch 2024 einen mächtigen Gegner vor sich: Donald Trump ließ laut Medienberichten durchblicken, dass er sich vorstellen kann, bei der nächsten Wahl noch mal anzutreten. Und sollte er es nicht tun, stünde dem Vernehmen nach auch sein Sohn Donald junior bereit, um in die Fußstapfen seines Vaters zu treten.
Der Kampf um die Basis
Viele Beobachter in Washington gehen davon aus, dass Trump auf Zeit spielt, um möglichst gesichtswahrend aus der aktuellen Situation herauszukommen. Schon kurz nach der Wahl erklärte beispielsweise Rick Hasen, Jura-Professor und Experte für CNN, dem Sender, dass er die Klagen des Trump-Lagers mehr als PR-Maßnahme denn als seriöse Streitsache sehe. Demnach könnte Trump schon bald erklären, dass er zwar nach wie vor glaube, die Wahl gewonnen zu haben, dass er den Kampf gegen das Ergebnis aber aufgeben werde.
Sollte es so kommen, wird Trumps Einfluss bei den Republikanern trotzdem allgegenwärtig bleiben. Über 73 Millionen US-Amerikaner haben bei der Wahl für ihn gestimmt, er konnte nicht nur seine Basis mobilisieren, sondern nach vier turbulenten Jahren im Amt auch Wähler hinzugewinnen. Zudem hat er auf Twitter fast 90 Millionen Follower. Die Partei wird die nächsten Jahre auf dieses Potential bauen wollen. Die Gefahr ist da, Teil davon zu verlieren, wenn man sich gegen Trump stellt.
Dass Trump sich still und leise aus der Politik verabschiedet, gilt aus ausgeschlossen. Der 74-Jährige dürfte auch in den nächsten Jahren eine laute Stimme sein. Angeblich plant er die Gründung eines eigenen TV-Senders, um den bei ihm in Ungnade gefallenen Sender Fox News Konkurrenz zu machen. Er wird in jedem Fall genügend Plattformen haben, um politische Gegner anzugreifen - egal ob bei den Demokraten oder in der eigenen Partei. Schon seit Beginn seiner Amtszeit hat sich Trump in Rennen um Posten eingemischt und Republikaner wie Jeff Flake oder John McCain diskreditiert, die ihn kritisiert hatten.
Viele Republikaner dürften deswegen fürchten, in ihrem nächsten Wahlkampf nicht nur gegen einen Demokraten, sondern auch gegen den Widerstand von Trump und seinen Anhängern kämpfen zu müssen. Dass der Noch-Präsident nachtragend, ist bekannt. Auch das dürfte viele davor zurückschrecken lassen, Trump offen zu widersprechen.
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