Das AKW Saporischschja
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"Spiel mit dem Feuer": AKW Saporischschja erneut beschossen

Russland und die Ukraine weisen sich gegenseitig die Schuld zu: Das Atomkraftwerk Saporischschja ist erneut beschossen worden, Explosionen erschütterten das Gelände. Die Lage sei "extrem beunruhigend", erklärt die Internationale Atomenergiebehörde.

Über dieses Thema berichtet: BR24 im BR Fernsehen am .

Das von Russland kontrollierte Atomkraftwerk Saporischschja in der Ukraine ist nach Angaben beider Seiten erneut beschossen worden. "Auf dem Gelände dieses großen Kernkraftwerks ist es zu Explosionen gekommen, was völlig inakzeptabel ist", sagte der Generaldirektor der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA), Rafael Grossi. Messungen zufolge ist zwar keine radioaktive Strahlung ausgetreten. Einige Gebäude, Systeme und Ausrüstung in der Anlage sollen jedoch beschädigt worden sein.

Grossi warnte eindringlich vor den Risiken, die Vorgänge seien "extrem beunruhigend". Wer auch immer dahinter stecke, "muss sofort aufhören", sagte er. "Sie spielen mit dem Feuer." Wer für die Angriffe verantwortlich ist, blieb unklar. Grossi appellierte erneut an Russland und die Ukraine, eine Sicherheitszone um die Anlage einzurichten, in denen von Angriffen und Kämpfen abgesehen wird.

Mehr als ein Dutzend Explosionen auf AKW-Gelände

Am Samstagabend und am Sonntagmorgen kam es nach Erkenntnissen der IAEA zu mehr als einem Dutzend Explosionen. Die Organisation berief sich auf vor Ort befindliche Mitarbeiter. Der ukrainische Versorger Energoatom sprach von mindestens zwölf Treffern auf Infrastrukturanlagen des Kraftwerkes.

Die beschädigten Geräte deuteten darauf hin, dass die Angreifer "genau die Infrastruktur angegriffen und deaktiviert haben, die für den Neustart der fünften und sechsten Kraftwerkseinheit erforderlich war" und damit für die Wiederherstellung der Stromerzeugung für die Ukraine.

Russland und Ukraine beschuldigen sich gegenseitig

Russland hingegen machte die Ukraine für den Beschuss verantwortlich. Nach Angaben von Renat Kartschaa, einem Berater des Rosenergoatom-Chefs, sollen 15 Granaten abgefeuert worden sein. "Sie haben nicht nur gestern, sondern auch heute geschossen", erklärte Kartschaa der staatlichen Nachrichtenagentur Tass zufolge. Granaten seien in der Nähe eines Lagers für trockene nukleare Abfälle und eines Gebäudes, in dem frische abgebrannte Brennelemente gelagert werden, eingeschlagen.

Die Anlage in Saporischschja, die Russland kurz nach seinem Einmarsch in die Ukraine besetzt hatte, wird wiederholt beschossen. Kiew und Moskau bezichtigten sich dabei gegenseitig der Angriffe. Das größte Kernkraftwerk Europas liegt in der von Russland für annektiert erklärten Region Saporischschja nicht weit von der Front entfernt. Im Oktober hatte der russische Präsident Wladimir Putin das Atomkraftwerk per Dekret unter russische Verwaltung gestellt.

Karte: Die militärische Lage in der Ukraine

Ukraine lehnt Verhandlungen mit Russland ab

Die Ukraine hat unterdessen Vorschläge zu Verhandlungen mit Russland erneut zurückgewiesen. "Wenn man auf dem Schlachtfeld die Initiative ergreift, ist es ein wenig bizarr, Vorschläge zu erhalten wie: 'Ihr werdet sowieso nicht alles mit militärischen Mitteln erreichen, ihr müsst verhandeln'", sagte der ukrainische Präsidentenberater Mychailo Podoljak im Interview mit der Nachrichtenagentur AFP in Kiew. Dies würde bedeuten, dass das Land, "das seine Gebiete zurückgewinnt, vor dem Land kapitulieren muss, das verliert".

US-Medien hatten kürzlich berichtet, hochrangige US-Vertreter würden die Ukraine zunehmend dazu drängen, Verhandlungen mit Russland in Erwägung zu ziehen. Der ukrainische Präsidenten Wolodymyr Selenskyj hat entsprechende Vorschläge ohne einen vorherigen Rückzug der russischen Truppen aus der gesamten Ukraine bislang abgelehnt. US-Generalstabschef Mark Milley hatte zudem kürzlich gesagt, ein militärischer Sieg sei wahrscheinlich nicht mit militärischen Mitteln zu erreichen.

Bislang "kein direkter Vorschlag" für Friedensgespräche

Podoljak zufolge hat Moskau Kiew bislang "keinen direkten Vorschlag" für Friedensgespräche unterbreitet. Stattdessen ziehe Russland es vor, diese über Vermittler zu überbringen und einen Waffenstillstand ins Gespräch zu bringen. Kiew betrachtet solche Gespräche als Manöver Moskaus, um Zeit zu gewinnen und eine neue Offensive vorzubereiten. "Russland will keine Verhandlungen. Russland führt eine als 'Verhandlungen' bezeichnete Kommunikationskampagne", sagte Podoljak.

Die Ukraine hatte Ende August eine Gegenoffensive begonnen. Seitdem konnte die ukrainische Armee einige Gebiete von Russland zurückerobern, darunter die strategisch wichtige Regionalhauptstadt Cherson im Süden des Landes. Russland griff zuletzt wiederholt die Energie-Infrastruktur der Ukraine an. Dabei kam es immer wieder in vielen Teilen des Landes zu Stromausfällen.

Mit Informationen von Reuters, dpa und AFP

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