Bagger reißen ein Haus in Lützerath ab
Bildrechte: picture alliance/dpa | Roberto Pfeil

In Lützerath schreiten die Abrissarbeiten fort

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Reul: 102 Polizisten in Lützerath verletzt - 200 Strafanzeigen

Das Braunkohle-Dorf Lützerath ist geräumt, die Abrissarbeiten schreiten voran. Laut NRW-Innenminister Reul wurden bei dem Einsatz rund hundert Polizisten verletzt und etwa 200 Anzeigen erstellt. Scharfe Kritik übt er an Klimaaktivistin Neubauer.

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Nach den tagelangen Polizeieinsätzen zur Räumung des von Klimaaktivisten besetzten Braunkohle-Weilers Lützerath hat der nordrhein-westfälische Innenminister Herbert Reul (CDU) Bilanz gezogen. Insgesamt mehr als hundert Polizisten seien im Einsatz verletzt worden, sagte er am Dienstag. "Allerdings wurden viele nicht in Auseinandersetzungen verletzt", räumte er im Gespräch mit der "Bild"-Zeitung ein. Reul übte zudem scharfe Kritik an der Klimaaktivistin Luisa Neubauer.

In Nordrhein-Westfalen gehen die Proteste von Klimaaktivisten heute weiter: Die Polizei rechnet mit mehreren dezentralen Aktionen. Indessen werden Forderungen nach einer parlamentarischen Nachbearbeitung des Polizeieinsatzes in Lützerath laut.

  • Zum Artikel: Chaos in Lützerath: Gewalt zwischen Polizei und Demo-Teilnehmern

Rund 200 Strafanzeigen gegen Aktivisten

Mit dem Abzug der letzten Klimaaktivisten aus Lützerath war die Räumung des Braunkohleorts am Montag beendet worden. In den Tagen zuvor hatte es immer wieder gewaltsame Auseinandersetzungen zwischen Klimaaktivisten und der Polizei gegeben, insbesondere bei einer größeren Demonstration in der Nähe des Ortes am Samstag.

Reul zufolge wurden 102 Polizisten verletzt. Nicht immer sei das auf Auseinandersetzungen mit Aktivisten zurückzuführen: "Einige Verletzungen rühren schlicht von den örtlichen Gegebenheiten." Seit Beginn der Räumung, also nicht nur in der Vorwoche, habe die Polizei zudem rund 200 Anzeigen gegen Besetzer und Demonstranten geschrieben, ergänzte er. Das Spektrum der Straftaten umfasse Körperverletzung, Widerstand, Landfriedensbruch und Diebstahl.

Wie viele Verletzte es in den Reihen der Klimaaktivisten gab, ist derweil unklar. Nach Polizeiangaben sind neun Aktivisten mit Rettungswagen ins Krankenhaus gebracht worden. Laut Demonstranten gab es eine zwei- bis dreistellige Zahl von Verletzten.

Reul wirft Neubauer und Thunberg Nähe zu "Radikalen" vor

Der Aktivistin Luisa Neubauer warf Reul vor, sie habe am Samstag die Polizeiabsperrung durchbrochen und sei gegen die Absprachen zwischen Demonstrationsleitung und Polizei "mit nach vorn marschiert". "Die Versammlung war woanders, was macht sie da vorn?", fragte Reul und fügte hinzu: "Sie war bei den Radikalen."

Reul sagte, Neubauer und die schwedische Aktivistin Greta Thunberg hätten "offenbar" ein Problem mit der Abgrenzung von Radikalen. Beide träten "diesem Eindruck nicht entgegen", sondern "mit denen gemeinsam auf". Er sorge sich um die Zukunft der Gesellschaft, "wenn es nicht mehr gelingt, Kompromisse zu akzeptieren".

Die schwedische Klimaaktivistin Thunberg war von der Polizei von der Abbruchkante zum Braunkohletagebau Garzweiler weggetragen worden. Die Kante ist sehr scharf, der Aufenthalt dort ist gefährlich und verboten.

Forderung nach Aufarbeitung von Polizeieinsatz

Der Landesinnenminister warnte zudem vor "unbelegten" Gewaltvorwürfen gegen die Polizei. "Ich bin nicht bereit, diese pauschalen, unbelegten Schilderungen zu akzeptieren, die von Kopfschlägen gegen Demonstranten handeln - diese Vorwürfe muss man belegen", sagte er.

Die Vorsitzende der Grünen-Bundestagsfraktion, Katharina Dröge, forderte eine parlamentarische Nachbearbeitung des Polizeieinsatzes. "Es gibt Videos mit harten Bildern im Internet", sagte die Politikerin dem "Kölner Stadt-Anzeiger". Die Bilder zeigten einen "teilweise harten Polizeieinsatz". Videos allein seien aber "nicht ausreichend, um ein umfassendes Bild zu bekommen und um die Rechtmäßigkeit der getroffenen Maßnahmen zu beurteilen".

Proteste gehen weiter - Aktionen an mehreren Orten in NRW

Die Proteste gehen indessen weiter: Nach der Räumung von Lützerath haben Kohle-Gegner ihre Demonstrationen an mehreren Orten in Nordrhein-Westfalen fortgesetzt. Im Braunkohletagebau Inden wurde ein Schaufelradbagger besetzt, der daraufhin die Arbeit einstellen musste. Die Polizei Aachen sprach von etwa 20 beteiligten Aktivisten, ein RWE-Sprecher von 30 bis 40.

In der Nähe von Rommerskirchen hat nach Polizei- und RWE-Angaben zudem eine Gruppe von etwa 20 Aktivisten Werksbahnschienen zum Kraftwerk Neurath besetzt. Krawalle habe es zunächst an keinem Standort gegeben. "Hier fährt heute kein Kohlezug. Wir stellen uns der Zerstörung mit unseren Körpern in den Weg", twitterte das Bündnis "Ende Gelände" über einem Foto von Aktivisten in weißen Ganzkörperanzügen auf Bahngleisen. "Klimaschutz bleibt Handarbeit!"

Aktivisten besetzten auch zeitweise zwei Zufahrtsstraßen zum Tagebau Garzweiler. In Köln klebten sich Klimaaktivisten auf einer Straße fest und brachten damit den Berufsverkehr massiv ins Stocken.

Die Einsatzkräfte der Polizei richteten sich auf mehrere spontane, dezentrale Aktionen ein. Das Aktionsbündnis "Lützerath Unräumbar", zu dem auch Gruppen von Fridays For Future und Letzte Generation gehören, hatte zuvor für Dienstag zu einem gemeinsamen Aktionstag aufgerufen.

Mit Informationen von AFP und dpa

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