Die Demonstranten belagern Öl-Raffinerien, zünden Mülleimer an und behindern den Nah- und Fernverkehr: In Frankreich kommt es aktuell landesweit zu anhaltenden Demonstrationen und Krawallen. Die französische Regierung hatte am Donnerstag die umstrittene Rentenreform ohne finale Abstimmung mit Hilfe des Sonderartikels 49.3 durch das Parlament gedrückt. Ein Vorgehen, das von Gewerkschaften und Opposition als "Verneinung der Demokratie" kritisiert wurde. Nun wird befürchtet, dass sich die Proteste noch radikalisieren. Zudem muss sich die Regierung am Montag einem Misstrauensvotum stellen.
169 Festnahmen, davon 122 in Paris
Wie der Fernsehsender BFMTV unter Berufung auf das Innenministerium am Sonntag berichtete, sind am Samstag landesweit 169 Menschen festgenommen worden, davon 122 in Paris. Dort hatten Menschen Mülltonnen angezündet und versucht, Barrikaden aufzubauen. Die Polizei setzte Wasserwerfer und Tränengas ein. An der Kundgebung sollen 4.200 Demonstranten teilgenommen haben.
Gewerkschaften warnen vor radikalisierten Protesten
Viele befürchten, dass sich nach dem Vorgehen der Regierung im Parlament die Proteste verschärfen werden. Zweifellos habe das Vorgehen der Regierung große Wut ausgelöst, sagte Laurent Frajerman, Spezialist für radikale Bewegungen, bei BFMTV.
Die französischen Gewerkschaften hatten die Regierung schon vor Tagen gewarnt, dass sich der Protest radikalisieren werde. Seit Freitag liegt wegen der Belagerung durch Demonstranten die größte Raffinerie Frankreichs in der Nähe von Le Havre still. Die TotalEnergies-Raffinerie in Donges bei Nantes ist bereits seit dem 7. März außer Betrieb. Weitere Stilllegungen könnten nach Informationen der Regionalzeitung "Ouest-France" bis Montag folgen.
Mehrheit für Anträge wenig wahrscheinlich
Am Montag muss sich die Regierung wegen ihres Rückgriffs auf Artikel 49.3 zwei Misstrauensanträgen stellen. Es ist aber wenig wahrscheinlich, dass einer dieser Anträge bei der Abstimmung eine Mehrheit erhält und die Regierung von Premierministerin Élisabeth Borne gestürzt wird.
Für Donnerstag kündigten die Gewerkschaften einen großen Streiktag an. Seit Wochen schon protestieren sie mit Streiks und Massendemonstrationen gegen die Reform, die das Renteneintrittsalter von 62 auf 64 anhebt. In letzter Minute hatte die Regierung am Donnerstag die Sorge, dass nicht genügend Abgeordnete für sie stimmen könnten und griff deshalb zu dem Verfassungsartikel 49.3, mit dem sie das Vorhaben durchdrücken konnte. Die Rentenreform gilt als das wichtigste Reformprojekt von Präsident Macron.
Mit Informationen von dpa
Das ist die Europäische Perspektive bei BR24.
"Hier ist Bayern": Der BR24 Newsletter informiert Sie immer montags bis freitags zum Feierabend über das Wichtigste vom Tag auf einen Blick – kompakt und direkt in Ihrem privaten Postfach. Hier geht’s zur Anmeldung!