Traktor sprüht Pestizide im Weingarten
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Parkinsonerkrankung: Sind Landwirte stärker gefährdet?

In Frankreich und Italien ist Parkinson als Berufskrankheit bei Landwirten anerkannt. Ursache ist der oft jahrelange direkte Kontakt mit Pestiziden. In Deutschland gehen betroffene Landwirte bisher leer aus.

Über dieses Thema berichtet: Notizbuch am .

In Deutschland warten an Parkinson erkrankte Landwirte seit Jahrzehnten darauf, dass ihre Erkrankung als Berufskrankheit anerkannt wird. Denn nur dann gibt es auch eine entsprechende, bessere ärztliche Versorgung, Entschädigung oder Rente. Voraussetzung dafür ist allerdings, dass die Krankheit auf der Liste der anerkannter Berufskrankheiten des Arbeitsministeriums steht. Dort aber ist "Parkinson durch Pestizide" bis heute nicht aufgeführt.

Zahl der Parkinson-Fälle steigt

Und das, obwohl die Zahl der Parkinsonerkrankungen zunimmt und der Zusammenhang mit Pestiziden wissenschaftlich unbestritten ist. Parkinson ist eine Erkrankung des zentralen Nervensystems. Typische Symptome sind Bewegungsstörungen wie Verlangsamung, steife Muskeln, Zittern und eine instabile Körperhaltung. Meist tritt Parkinson erst jenseits der 50 auf.

Parkinson bisher keine Berufskrankheit

Entscheidend ist das Votum des Ärztliche Sachverständigenbeirats "Berufskrankheiten" beim Bundesarbeitsministerium. Langjähriges Mitglied dieses Beirats ist Professor Hans Drexler, der Direktor des Instituts und der Poliklinik für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin der Universität Erlangen-Nürnberg. In einem Gespräch mit dem Bayern-2-Notizbuch macht er betroffenen Landwirten jetzt Hoffnungen: "Das ist alles nicht aussichtslos. Da arbeitet der Sachverständigenbeirat dran und ich bin ganz zuversichtlich, dass in den nächsten zwei, drei Jahren hier eine Entscheidung fallen wird".

Entscheidung dauert schon zwölf Jahre

Der Sachverständigenbeirat - ein ehrenamtlich arbeitendes Gremium, das mögliche Berufskrankheiten in allen Branchen beurteilt - arbeitet bereits seit zwölf Jahren an der Beurteilung der Frage, ob Landwirte einem erhöhten Parkinsonrisiko ausgesetzt sind.

Kritiker sprechen angesichts der wissenschaftlichen Datengrundlage und der Beurteilung in anderen Ländern von einer Verzögerungstaktik. Das weist Hans Drexler zurück. In Deutschland gebe es eine hohe Anforderung an die sogenannte "Kausalität", es komme auf das Erkrankungsrisiko und nicht auf die Exposition an. Die Frage sei, welche Pestizide, in welcher Einwirkung, mit welcher Wahrscheinlichkeit Parkinson auslösen können. Es seien eben nur einzelne Stoffe. Und das mache die Beurteilung extrem schwierig, "denn natürlich weiß kein Landwirt mehr, was er in den letzten 30, 40 Jahren eingesetzt hat."

Zahlungen in Frankreich sind gering

In Frankreich ist die landwirtschaftliche Sozialkasse die "Mutualité social agricole" MSA für Berufskrankheiten im Agrarsektor zuständig. Das System ist aber völlig anders als in Deutschland. Dort gibt es eine Tabelle, in der Krankheitsbilder, berufliche Rahmenbedingungen und Zeitspannen verzeichnet sind. Wer die Kriterien erfüllt, hat Anspruch auf Anerkennung seiner Erkrankung als Berufskrankheit und muss dafür auch keine Expertisen oder Gutachten mehr vorweisen. Allerdings: die Beträge, die von der MSA zum Beispiel auch an Landwirte ausgezahlt werden, die an Parkinson leiden, sind gering.

"Keine medizinische, sondern eine sozialpolitische Frage"

Professor Drexler hält deshalb das deutsche System zumindest nicht für schlechter. Die hohe Beweisnorm führe zwar dazu, dass es weniger Anspruchsberechtigte gebe, dafür sei deren Versorgung dann aber sehr viel besser. Zudem: "Wenn man sehr großzügig ist, wird die Gemeinschaft aller Versicherten mehr bezahlen. Wenn man sagt, wir entschädigen nur dort, wo man den Nachweis wirklich erbringen kann, dann wird die Versicherung für alle billiger. Also das ist eigentlich keine medizinische Fragestellung, sondern eine sozialpolitische."

In Deutschland sind derzeit 80 Krankheiten als Berufskrankheiten anerkannt. Am bekanntesten sind die Asbestose oder die Lärmschwerhörigkeit. Starke Zuwachszahlen hat "Hautkrebs durch UV-Bestrahlung", sprich Sonnenlicht. Davon sind auch viele Landwirte betroffen.

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