Merkel verband ihre Kürzungsforderung mit scharfer Kritik an der Lage von Demokratie und Menschenrechten in der Türkei. Die diesbezügliche Entwicklung sei "sehr negativ einzuschätzen", sagte die Kanzlerin.
"Nicht nur, dass viele Deutsche verhaftet sind, sondern die gesamte rechtsstaatliche Entwicklung in der Türkei bewegt sich nach meiner Auffassung in die falsche Richtung, und wir haben hier sehr große Sorgen." Angela Merkel (CDU), Bundeskanzlerin
Die EU zahlt die Hilfen an Beitrittskandidaten, um ihnen die Anpassung an EU-Standards zu erleichtern. Für Ankara sind dabei im Zeitraum von 2014 bis 2020 4,45 Milliarden Euro vorgesehen. Ausgezahlt sind bisher gut 258 Millionen Euro.
Flüchtlingshilfen sind ausgenommen
Die Kanzlerin betonte in Brüssel aber auch, dass ihre Forderung nach Kürzungen der Vorbeitrittshilfen keinesfalls die Gelder betreffen solle, welche die EU dem Land im Rahmen des Flüchtlingsabkommens zahle. Die EU stehe zu ihrem Versprechen, den schon weitgehend ausgezahlten drei Milliarden Euro für die Flüchtlingshilfe eine weitere Tranche in gleicher Höhe folgen zu lassen.
"Dieses Geld kommt den Flüchtlingen zugute, die zum Teil unter sehr schwierigen Bedingungen leben. Die Türkei leistet hier Herausragendes." Angela Merkel (CDU), Bundeskanzlerin
Zustimmung aus Österreich
Unterstützung erhielt Merkel vom österreichischen Außenminister Sebastian Kurz. Der ÖVP-Chef, der nach seinem Wahlsieg als künftiger Kanzler gehandelt wird, bekräftigte in Brüssel die Forderung nach einem kompletten Stopp der Beitrittsverhandlungen mit der Türkei: In diesem Fall könne sich die EU auch die Vorbeitrittshilfen "sparen".
"Die Türkei hat keinen Platz in der Europäischen Union", sagte Kurz. Die härtere Haltung Merkels gegenüber der Türkei begrüßte er:
"Ich bin froh, dass sich in Deutschland und anderen Staaten die Linie etwas verändert hat." Sebastian Kurz ÖVP), österreichischer Außenminister
Merkel war im Bundestagswahlkampf auf Distanz zu den Beitrittsverhandlungen mit der Türkei gegangen. Sie hatte angekündigt, mit den EU-Partnern über eine Beendigung dieser Gespräche reden zu wollen. Für einen Abbruch tritt offen bislang aber nur Österreich ein.