Boris Pistorius, Bundesminister der Verteidigung, empfing den französischen Verteidigungsminister Sébastien Lecornu.
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Boris Pistorius, Bundesminister der Verteidigung, empfing den französischen Verteidigungsminister Sébastien Lecornu.

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Berlin und Paris wollen "Kampfpanzer der Zukunft" bauen

Ob Marder, Leopard oder Puma – seit Beginn des Kriegs in der Ukraine ist das Interesse an Panzern auch in Deutschland sprunghaft gestiegen. Jetzt scheint ein Panzermodell für die Zukunft voranzukommen: MGCS. Boris Pistorius drückt aufs Tempo.

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Hohe Feuerkraft, unbemannte Begleitfahrzeuge, Drohnen-Unterstützung aus der Luft – und alles digital vernetzt: Deutschland und Frankreich wollen mit einem gemeinsamen Kampfpanzer-Projekt neue Maßstäbe setzen. Lange ging beim "Main Ground Combat System" (MGCS) nichts voran. Doch jetzt werden Fortschritte gemeldet. Berlin und Paris wollen das Milliardenvorhaben vorantreiben.

Als Verteidigungsminister Boris Pistorius zusammen mit seinem französischen Kollegen Sébastien Lecornu vergangene Woche vor die Presse tritt, scheint der SPD-Politiker fest entschlossen, die Sache zu drehen. Auch atmosphärisch. "Willkommen in Berlin", ruft Pistorius dem "lieben Sébastien" zu - auf Französisch. Er freue sich sehr über den Besuch aus Paris. Lecornu revanchiert sich, indem er die Herangehensweise des Gastgebers lobt. Der Franzose spricht von einer "Methode Pistorius", die er so zusammenfasst: "sehr direkt, sehr offen". Die Botschaft der beiden: Man konzentriere sich jetzt aufs Wesentliche, diplomatische Fragen würden ausgeklammert - wegen der Gefahr, sich darin zu verheddern.

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MGCS: Nachfolger für bisherige Kampfpanzer

Das MGCS-System soll einmal den deutschen Leopard-Panzer und das französische Modell Leclerc ablösen. Seit Jahren laufen die Verhandlungen. Aber zuletzt sah es so aus, als würden sie versanden. Hinter den Kulissen wurde darum gerungen, welche Seite bei dem Projekt den Hut aufhat. Und unter den beteiligten Rüstungsunternehmen aus beiden Ländern gab es dem Vernehmen nach Streit darüber, wie die zu vergebenden Aufträge verteilt werden.

"Jedenfalls konnte keine Einigung erzielt werden, welche Teilsysteme des Kampfpanzers der Zukunft in welchem Land und von welchem Industrieunternehmen entwickelt werden", sagt Jacob Ross, Frankreich-Experte von der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik. Als Beispiel nennt er im BR24-Interview die Frage, wer die Kanone bauen darf - und damit die "Hauptwaffe dieses Kampfpanzers". Auch bei Panzerung und Panzerwanne hätten beide Seiten bisher keine gemeinsame Linie gefunden.

Panzer-Kanone als Zankapfel

Pistorius schlägt beim gemeinsamen Auftritt mit Lecornu vor, zunächst zwei verschiedene Kanonen zu entwickeln und dann bei Bedarf zu entscheiden, welches System das bessere ist. Denkbar sei auch, auf Dauer mit zwei Waffensystemen zu arbeiten - allerdings auf der Grundlage eines gemeinsam entwickelten Panzerturms und einer gemeinsamen Wanne.

Aus Sicht des Frankreich-Experten Ross wäre das grundsätzlich ein gangbarer Weg. Allerdings sieht er darin eine Kompromisslösung für die nahe Zukunft, nicht unbedingt auf lange Sicht. "Denn eigentlich geht es ja darum, dass man gemeinsam ein System entwickelt", so Ross. "Wenn jetzt beide Seiten eine Version A und eine Version B entwickeln, mit einer französischen Hauptwaffe und einer deutschen Hauptwaffe, führt das die Ursprungsidee ein bisschen ad absurdum."

Deutschland hat bei MGCS-Panzer die Führungsrolle

Dass die Idee, bei der Entwicklung eines neuen Panzers an einem Strang zu ziehen, zeitweise in den Hintergrund gerückt ist, zeigt auch der Auftritt der beiden Minister in Berlin. Pistorius nutzt die Gelegenheit, um angesichts der zurückliegenden Diskussionen klarzustellen, wer die Führungsrolle bei dem Projekt habe: Deutschland. Im Gegenzug hätten die Franzosen bei einem anderen militärischen Großprojekt den Hut auf - beim geplanten Kampfjetsystem FCAS.

Auf Rückhalt in der Ampel-Koalition kann der SPD-Minister in Sachen MGCS setzen. Nach den Worten der Grünen-Politikerin Sara Nanni wird "die nächste Generation Kampfpanzer eine sehr hohe Investitionsleistung" erfordern. Insofern sei es "sinnvoll, sich zusammenzutun".

MGCS-Panzer: Kritik an unzureichender Finanzierung

Doch auch wenn Deutschland und Frankreich zusammenlegen, bleiben bei einem solchen Milliardenprojekt für beide Seiten noch große Summen übrig. Ein Problem, das aus Sicht der CDU/CSU-Fraktion ungelöst ist - auch wenn sie das Projekt an sich gut findet. Das macht der verteidigungspolitische Sprecher der Unionsfraktion, Florian Hahn, deutlich: "Dieses Panzerprojekt ist im Moment in keiner Weise irgendwie finanziert."

Ein Blick in den Wirtschaftsplan für das "Sondervermögen Bundeswehr" zeigt: Dort findet sich zwar ein Posten für das MGCS-System. Konkret sind Kreditoptionen von rund 1,1 Milliarden Euro vermerkt. In Sicherheitskreisen geht man aber davon aus, dass das Projekt deutlich teurer wird.

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