In einem Pflegeheim hält eine Altenpflegerin die Hand eines Bewohners.
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In einem Pflegeheim hält eine Altenpflegerin die Hand eines Bewohners.

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Lauterbach gegen Söder: Bund pocht auf Impfpflicht

Minister Lauterbach hat kein Verständnis für das Abrücken von der einrichtungsbezogenen Impfpflicht. Er kritisiert Ministerpräsident Söder und weitere Unionspolitiker. Sie unterschätzten die Gefahr von Omikron. Experten warnen vor neuen Mutationen.

Wie ein Paukenschlag kam am Montag die Nachricht aus München: Bayern will bei der einrichtungsbezogenen Impfpflicht vorerst nicht mitmachen. Hinter dieser Entscheidung stehe die ganze Union, ergänzte anschließend CDU-Chef Friedrich Merz.

Merz: Impfpflicht bundesweit aussetzen

Der Parteivorsitzende forderte die Bundesregierung auf, die Impfpflicht für die Beschäftigten in Pflege-, Betreuungs- und weiteren Gesundheitseinrichtungen bundesweit auszusetzen. Die Fraktionschefs der Unionsparteien in den Landtagen hätten sich dieser Forderung "ohne Ausnahme" angeschlossen.

  • Zum Artikel "Teil-Impfpflicht: Söder-Vertrauter warb noch am Freitag dafür"

Lauterbach: Aussetzen wäre großer Fehler

Für Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach wäre ein Aussetzen der einrichtungsbezogenen Impfpflicht ein großer Fehler. Diese Impfpflicht "ist keine Schikane gegen das Personal, welches in diesen Einrichtungen arbeitet", betont Lauterbach heute in Berlin. Es gehe um den Schutz von pflegebedürftigen Menschen. Jeder habe noch die dramatische Lage in Erinnerung, als in den Pflegeeinrichtungen tausende Menschen starben. "Sowohl in den Pflegeeinrichtungen wie auch in den Einrichtungen der Eingliederungshilfe und in den Kliniken" seien die Menschen durch ungeimpfte Beschäftigte großen Gefahren ausgesetzt, so der Minister.

Union sende falsche und gefährliche Signale

Der SPD-Politiker hält das Vorgehen der Union für ein völlig falsches Signal. In der Bevölkerung entstehe der Eindruck, der Protest gegen eine Impfpflicht sei der Politik wichtiger als der Schutz der Risikogruppen. Lauterbach: "Das kann nicht die richtige Priorität sein." Zudem entstehe der Eindruck, es würden Gesetze auf Bundesebene gemacht, aber die Ministerpräsidenten in den Ländern müssten diese nicht umsetzen. "Das ist eine Botschaft, die schwer zu vermitteln ist", sagt Lauterbach. "Wir verlangen seit vielen Monaten von den Menschen Einschränkungen, die in ihre Grundfreiheiten hineingehen" und man erwarte stets, dass die Menschen sich an die Maßnahmen halten. "Und jetzt macht das den Eindruck, als würde das für die Ministerpräsidenten nicht gelten. Das finde ich persönlich, ein sehr gefährliches Signal", kritisiert der Bundesgesundheitsminister.

Wer die Impfpflicht nicht wolle, unterschätze die Gefahr von Omikron. Man müsse weiterhin – auch kurzfristig – mit neuen Virusvarianten rechnen, warnt Lauterbach. Wenn man in Kürze Maßnahmen lockere, könnte es zudem sein, dass gerade bei den älteren Menschen die Fallzahlen wieder steigen.

Experten warnen vor neuen Virusvarianten

Dafür bekommt er von Lothar Wieler, Chef des Robert Koch-Instituts, und dem Bioinformatiker Rolf Apweiler Unterstützung. Der Höhepunkt der Omikronwelle sei noch nicht erreicht, erklärt Wieler. In den vergangenen sieben Tagen seien 1,2 Millionen Infektionsfälle an das RKI übermittelt worden. Aktuell würden immer noch 100 bis 150 Menschen täglich mit oder an Corona sterben. Somit gelte weiterhin: "Je langsamer sich SARS-CoV-2 ausbreitet und je mehr Menschen sich noch impfen lassen, desto besser schützen wir die verletzlichen Mitmenschen."

Lockerungen noch vor Ostern

Lothar Wieler macht aber auch Hoffnung: In den nächsten Wochen würden die Zahlen zurückgehen und die Welle überstanden sein, so der RKI-Chef. "Bleiben wir ruhig, achtsam und aufmerksam – dann können wir uns entspannt auf Ostern freuen." Auch Lauterbach will noch vor Ostern Maßnahmen lockern.

Impfkampagne müsse weltweit gestärkt werden

Sowohl Lothar Wieler als auch Rolf Apweiler, Direktor am Institut des Europäischen Laboratoriums für Molekularbiologie (EMBL) in Cambridge, sehen künftig neue Virusvarianten auf uns zu kommen. "Je mehr Menschen weltweit nicht geimpft sind, desto mehr Infektionen und umso rascher bilden sich neue besorgniserregende Varianten", sagt Apweiler. Man müsse weiterhin mit Überraschungen rechnen. Daher müssten die Bemühungen, die Weltbevölkerung zu impfen, unbedingt verstärkt werden. Apweiler: "Keiner ist auf diesem Planeten sicher, wenn nicht alle auf diesem Planeten sicher sind."

Lauterbach hält an Impfpflicht fest

Lauterbach will hierzulande weiterhin für eine Impfpflicht kämpfen. In Bezug auf die einrichtungsbezogene Impfpflicht sagt er aber auch: Für den Vollzug des Gesetzes seien die Länder zuständig. Sein Ministerium könne bei allen Fragen helfen und unterstützen. Konkrete Anfragen aus Bayern oder von der CDU hätten ihn jedoch nicht erreicht, so Lauterbach. Er vermutet: Man wolle sich offenbar dauerhaft von dem Gesetz verabschieden.

Bundesländer zur Umsetzung verpflichtet

Doch einzelne Bundesländer wie Bayern können die Impfpflicht für Beschäftigte im Gesundheitswesen nicht einfach stoppen. Schließlich ist das Ganze in einem Bundesgesetz geregelt – dem Infektionsschutzgesetz. Im Zweifel kann ein Streit zwischen Bund und Ländern über die Umsetzung von Bundesgesetzen bis vor das Bundesverfassungsgericht getragen werden.

Bayern befürchtet Personalnot in der Pflege

Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) sagte gestern, die einrichtungsbezogene Impfpflicht sei in der aktuellen Omikronwelle keine Hilfe mehr. Sie könne aber "leider ein Instrument sein", um die Situation in der Pflege deutlich zu verschlechtern, vor allem wegen der drohenden Abwanderung von ungeimpften Pflegekräften.

Auch der bayerische Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU) kritisierte die Bundesregierung. Sie hätte es bis heute nicht geschafft, die erforderlichen Regeln für die Umsetzung dieser Impfpflicht vorzulegen.

Staatskanzleichef Florian Herrmann (CSU) bekräftigte nach einer Kabinettssitzung in München: "Der Bund hat eine Regelung geschaffen, die, wenn man sie laufen ließe, ins Chaos führen würde." Eine Umsetzung würde über Monate hinweg die Gesundheitsämter und Gerichte befassen, da diese in allen Einzelfällen gemeldeten Mitarbeitern ohne eine Corona-Impfung nachgehen müssten.

Mehrere Bundesländer halten an Gesetz fest

Im Dezember hatten Bundestag und Bundesrat die Impfpflicht für die Beschäftigten in Kliniken, Rettungsdiensten, Arztpraxen und Pflegeeinrichtungen beschlossen – mit der Zustimmung von Bayern und weiteren unionsgeführten Bundesländern. Mitte März soll das Gesetz eigentlich in Kraft treten. Mehrere Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten kündigten heute an, an diesem Termin und der einrichtungsbezogenen Impfpflicht festhalten zu wollen.

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