Nicht mit einer Stimme - EU streitet über Nahostpolitik
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Nicht mit einer Stimme - EU streitet über Nahostpolitik

Die EU findet keine klare Linie zum Hamas-Überfall und zum Schutz der Zivilbevölkerung bei Israels Gegenschlägen. Die Mitgliedsstaaten stehen in unterschiedlichen Lagern.

Über dieses Thema berichtet: BR24 im BR Fernsehen am .

Das Treffen der EU-Außenministerinnen und –minister Anfang der Woche in Luxemburg hat bestätigt, was seit zwei Wochen offensichtlich ist: Die Europäische Union hat zum israelisch-palästinensischen Konflikt keinen gemeinsamen Standpunkt. Der Riss zieht sich durch die Mitgliedsstaaten und die EU-Institutionen und verhindert, dass die EU mit einer Stimme spricht.

Aus der EU-Kommission drangen nach dem Hamas-Überfall auf Israel tagelang unterschiedliche Botschaften, ob die humanitäre Hilfe für die Palästinenser fortgeführt wird und falls ja, in welchem Umfang. Schließlich entschied Brüssel, sie zu verdreifachen. Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen stellt sich im Namen der EU klar hinter Israel und betont dessen Recht auf Selbstverteidigung. Ratspräsident Charles Michel und der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell ermahnen Israel, sich bei seinen Gegenschlägen ans humanitäre Völkerrecht zu halten und die Zivilbevölkerung in Gaza zu schützen.

Grundsätzlich streiten Kommission und Rat darüber, wer außenpolitisch in der EU das Sagen hat. Die Debatte zieht sich bis in von der Leyens Behörde: Hunderte Kommissionsmitarbeiter haben in einer Erklärung die Israel-Politik ihrer eigenen Führung kritisiert.

Streit in Luxemburg

In Luxemburg entzweiten sich die Außenministerinnen und –minister über die Forderung von UN-Generalsekretär António Guterres nach einem sofortigen humanitären Waffenstillstand in Gaza. Der EU-Außenbeauftragte Borrell knüpfte daran an und sprach sich für eine humanitäre Feuerpause aus, also eine befristete Unterbrechung der Kampfhandlung, um die Zivilbevölkerung mit Hilfsgütern zu versorgen. Bundesaußenministerin Annalena Baerbock setzte einen anderen Schwerpunkt und erklärte, Frieden und Sicherheit für Israel und die Palästinenserinnen und Palästinenser werde es nur geben, wenn der Terrorismus bekämpft werde.

Deutsche Staatsräson

Für Deutschland ist die Solidarität mit Israel erklärtermaßen Staatsräson. Das ergibt sich aus der historischen Verantwortung infolge des Holocaust. Diese von Angela Merkel formulierte Sicherheitsgarantie hat sich auch ihr Nachfolger Olaf Scholz zu eigen gemacht. Österreich und Ungarn stellen sich ebenfalls eng an die Seite Israels. Das wird unter anderem damit begründet, dass deren Regierungschefs, Karl Nehammer und Viktor Orban, den Positionen des israelischen Premiers Benjamin Netanjahu nahestehen.

Sympathien für Palästinenser

Spanien, Frankreich, Irland, Luxemburg und Belgien haben deutlich mehr Sympathien für die Sache der Palästinenser. Auch die Regierungen dieser Staaten verurteilen die Taten der Hamas, die in der EU als Terrororganisation eingestuft ist, auf Schärfste. Sie betonen aber gleichzeitig nachdrücklich, dass die Zivilbevölkerung in Gaza geschützt werden müsse. Spanien fühlt sich aufgrund seiner Geschichte der muslimischen Welt verbunden und empfindet nach Jahrzehnten der Franco-Diktatur Sympathie für die Palästinenser. Frankreich unterhält als ehemalige Kolonialmacht enge Beziehungen zu muslimischen Ländern in (Nord-)Afrika. Viele Menschen in Frankreich und Belgien haben nordafrikanische Wurzeln. Irlands Position wird damit erklärt, dass man dort besonders den Kampf nach einem eigenen Staat nachvollziehen könne.  Luxemburgs Standpunkt wird geprägt von Außenminister Jean Asselborn, der sich seit Jahren für Palästina einsetzt. Acht EU-Länder haben Palästina als eigenen Staat anerkannt, zuletzt 2014 Schweden.

Beschränkter Handlungsspielraum

Auch im aktuellen Nahost-Konflikt zeigt der Vergleich mit den USA, wie beschränkt der außenpolitische Spielraum der Europäischen Union ist: US-Präsident Joe Biden hat bei einer Reise nach Israel zu vermitteln versucht, während Washington gleichzeitig zur Abschreckung Flugzeugträger in die Region schickt. Dagegen wurde die Israel-Reise von Kommissionschefin von der Leyen EU-intern und aus manchen Hauptstädten deutlich kritisiert, was den Eindruck erweckte (und nach Ansicht der Kritiker auch erwecken sollte), dass sie nicht im Namen Europas sprach.

Die EU zahlt zwar viel: Sie ist nach eigenen Angaben weltweit der größte Geldgeber für die palästinensischen Gebiete. Ein politischer Akteur mit einer Stimme von Gewicht ist sie nicht, eher ein vielstimmiger Chor mit entsprechend weniger politischem Einfluss. Sie verfügt außerdem nicht über militärische Mittel, die politische Maßnahmen begleiten könnten.

Was bringt der Gipfel?

Ende der Woche haben die 27 EU-Staats- und Regierungschefs und –chefinnen beim Gipfel in Brüssel Gelegenheit, sich über die jüngsten Ereignisse auszutauschen. Die Frage wird sein, wie belastbar die Abschlusserklärung ist. Kleinster gemeinsame Nenner ist bisher schon, den Hamas-Terror zu verurteilen sowie Israels Selbstverteidigungsrecht und den gebotenen Schutz von Zivilisten zu betonen. Aber darüber hinaus drängen sich mit Blick auf Israels Gegenschläge und die Folgen weitere Fragen auf: Wie weit darf die Bodenoffensive gehen? Wird es einen gemeinsamen Aufruf für eine Waffenruhe geben? Ob die 27 beim Gipfel darauf Antworten geben, ist offen.

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