Archivbild: UN-Generalsekretär António Guterres
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Kontroverse um UN-Generalsekretär nach Israel-Äußerung

Den Hamas-Angriff im Kontext der "56 Jahre erdrückenden Besatzung" sehen - die Meinung von UN-Generalsekretär Guterres hat in Israel große Empörung ausgelöst. Die Bundesregierung hält Rücktrittsforderungen jedoch für unangebracht.

Über dieses Thema berichtet: BR24 im BR Fernsehen am .

Die Äußerungen von UN-Generalsekretär Antonio Guterres zur Rolle Israels im Israel-Gaza-Krieg sorgen weiter für teils hitzige Reaktionen. "Die Abschlachtung der Juden durch die Hamas am 7. Oktober war in ihren Absichten völkermörderisch und in ihrer Form unermesslich brutal", sagte der Vorsitzende der Jerusalemer Holocaustgedenkstätte Yad Vashem, Dani Dayan, am Mittwoch in Jerusalem mit Blick auf die Angriffe der radikalislamischen Hamas. Anders als im Holocaust hätten Juden heute einen Staat und eine Armee, so Dayan weiter. "Wir sind nicht wehrlos und der Gnade ausgeliefert."

Es stelle jedoch die Aufrichtigkeit der Weltführer, Intellektuellen und Influencer auf die Probe, die nach Yad Vashem kämen und "Nie wieder" versprächen: "Diejenigen, die 'verstehen' wollen, nach einem rechtfertigenden Kontext suchen, die Täter nicht kategorisch verurteilen und nicht die bedingungslose und sofortige Freilassung der Entführten fordern - die werden durchfallen. UN-Generalsekretär Antonio Guterres hat den Test nicht bestanden", unterstrich Dayan.

Guterres: "Angriffe der Hamas nicht im luftleeren Raum"

Der Chef der Vereinten Nationen hatte in seiner Rede beim UN-Sicherheitsrat am Dienstagabend in New York zwar die terroristischen Attacken der Hamas verurteilt. Er sagte aber auch: "Es ist wichtig zu erkennen, dass die Angriffe der Hamas nicht im luftleeren Raum stattfanden." Guterres sprach von "56 Jahren erdrückender Besatzung" gegen das palästinensische Volk. Zudem warf er Israel "eindeutige Verstöße gegen das humanitäre Völkerrecht" im Gazastreifen vor.

Rücktrittsforderungen an UN-Generalsekretär aus Israel

Israel forderte daraufhin Guterres auf, sein Amt niederzulegen. "Er ist nicht geeignet, die UN zu leiten. Ich fordere ihn auf, sofort zurückzutreten", schrieb UN-Botschafter Gilad Erdan auf der Plattform X. Er warf Guterres vor, vollends den Bezug zur Realität im Krieg zwischen Israel und der palästinensischen Terrororganisation Hamas verloren zu haben.

Israels Außenminister Eli Cohen reagierte empört und sagte ein geplantes Treffen mit Guterres ab. Nach dem Massaker vom 7. Oktober gebe es keinen Platz für einen ausgewogenen Ansatz, so die Begründung.

Unterdessen droht Israel den Vereinten Nationen damit, UN-Mitarbeitern keine Visa mehr zu erteilen. "Es ist an der Zeit, ihnen eine Lektion zu erteilen", sagte Erdan laut einem Bericht der Zeitung "Times of Israel" im israelischen Armeeradio. Man habe bereits dem UN-Untergeneralsekretär für humanitäre Angelegenheiten, Martin Griffiths, das Visum verweigert, so der israelische Diplomat.

"Guterres ist ein sehr besonnener Mann"

Die Bundesregierung sprach Guterres das Vertrauen aus. Er habe nicht das Gefühl, dass Rücktrittsforderungen angebracht seien, sagte Regierungssprecher Steffen Hebestreit in Berlin.

Unterstützung für Guterres kam vom Chef der Münchner Sicherheitskonferenz, Christoph Heusgen: "Guterres ist ein sehr besonnener Mann", sagte Heusgen im ZDF. "Wenn er auf die (...) 56 Jahre Besatzung der Palästinenser-Gebiete hinweist, dann ist (das) genau das, was in geltendem Völkerrecht in Uno-Resolutionen genauso drinsteht. Die letzte Resolution sagt, dass die Besatzung eine flagrante Verletzung des Völkerrechts ist."

Beck: "Infame" Äußerungen

Der Präsident der Deutsch-Israelischen Gesellschaft, Volker Beck, wies indes Guterres' Aussagen als "infam" zurück. Die Bundesregierung solle Israel in der Auseinandersetzung mit Guterres unterstützen, forderte Beck am Mittwoch in Berlin.

Faktisch habe Guterres Israels Selbstverteidigungsrecht delegitimiert, sagte Beck. Die Rede vor dem UN-Sicherheitsrat sei inakzeptabel. "Es gibt keine Kollektivbestrafung der Palästinenser durch Israel." Beck sieht darin eine Relativierung der Verurteilung des Hamas-Terrors. "Man kann nicht einerseits sagen, der Terror sei durch nichts zu rechtfertigen und ihn dann andererseits doch indirekt entschuldigen", so Beck.

Guterres selbst äußerte sich auf der Plattform X am Mittwoch erneut zum Krieg. Der Groll der Palästinenser könne die "schrecklichen Angriffe der Hamas nicht rechtfertigen", gleichzeitig rechtfertigten diese Angriffe nicht "die kollektive Bestrafung des palästinensischen Volkes", so der UN-Generalsekretär.

Im Video: Erneut Angriffe der Hamas auf Israel

Die Hamas hat laut Israel erneut versucht, aus Gaza auf israelisches Gebiet vorzudringen. Man habe die Angreifer zurückgeschlagen.
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Die Hamas hat laut Israel erneut versucht, aus Gaza auf israelisches Gebiet vorzudringen. Man habe die Angreifer zurückgeschlagen.

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