Patienten sollen künftig zu Voruntersuchungen müssen
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Patienten sollen künftig zu Voruntersuchungen müssen

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Können Patienten Therapeuten bald nicht mehr selbst aussuchen?

In Bayern macht ein Kettenbrief auf Whatsapp die Runde. Er warnt vor einem Gesetzentwurf von Minister Spahn - und wirbt um Unterschriften für eine Petition. Und das sehr erfolgreich. Der #Faktenfuchs erklärt, worum es geht.

Einen Psychotherapeuten zu bekommen, ist häufig ohnehin nicht einfach. Nun befürchten viele, dass Patienten bald vor einer weiteren Hürde stehen. Ein Kettenbrief auf Whatsapp, der auch in Bayern die Runde macht, warnt vor einem "schwerwiegenden Angriff" auf die Psychotherapie - von Seiten von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU). Eine Petition gegen einen Abschnitt im Entwurf hat bereits viele Unterstützer.

Was ist der Kern des Streits?

Therapeuten sind verärgert

Gesetzlich Versicherte sollen schneller Arzttermine bekommen. Das ist laut Bundesgesundheitsministerium das Ziel des Terminservice- und Versorgungsgesetzes (TSVG). Der Entwurf passierte das Bundeskabinett am 26. September, am kommenden Donnerstag behandelt ihn der Bundestag in 1. Lesung.

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Doch ein Abschnitt in dem Entwurf erregt den Ärger von Psychotherapeuten und Patienten.

Deshalb starteten die Psychotherapeuten-Verbände "Bundesverband der Vertragspsychotherapeuten" (bvvp), "Deutsche PsychotherapeutenVereinigung" (DPtV) und "Vereinigung Analytischer Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten" (VAKJP) eine Petition. Bis Freitagmittag hatten fast 90.000 Menschen unterzeichnet.

Die Petition ruft den Bundestag dazu auf, den Entwurf abzulehnen.

Der Grund: Die Therapeuten sehen in dem geplanten Gesetz eine Gefahr für die freie Arztwahl und das Erstzugangsrecht zum Psychotherapeuten. Denn psychisch kranke Menschen sollen demnach "gestuft gesteuert" werden.

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Ausschnitt aus dem Kettenbrief auf Whatsapp

In dem Gesetzentwurf heißt es in einem kurzen Abschnitt:

Der Gemeinsame Bundesausschuss beschließt in den Richtlinien Regelungen für eine gestufte und gesteuerte Versorgung für die psychotherapeutische Behandlung einschließlich der Anforderungen an die Qualifikation der für die Behandlungssteuerung verantwortlichen Vertragsärzte und psychologischen Psychotherapeuten.

Die Initiatoren der Petition befürchten, dass psychisch kranke Patientinnen und Patienten künftig gezwungen wären, ihre oft schwerwiegenden Probleme einer Person zu erzählen, die sie sich nicht selbst ausgesucht haben und die sie dann auch nicht weiter behandelt, sondern weiterverweist. Somit werde ihnen ein Hürdenlauf zugemutet, der sie unnötig belaste und gegenüber anderen Patientengruppen benachteilige.

Kettenbrief auf Whatsapp nicht ganz präzise

Im Kettenbrief, der via Whatsapp auf die Petition aufmerksam macht, ist von einem "Patienten- und Therapieprüfer, der auch nicht (sic) weiter qualifiziert ist" die Rede. Im Gesetzentwurf und in der Original-Petition heißt es dagegen, dass die Weiterverweisung der Patienten immerhin von Vertragsärzten und psychologischen Psychotherapeuten übernommen werden soll - deren genauere Qualifikation allerdings tatsächlich erst beschlossen werden müsste.

"Wir werden alles dafür tun, dass dieses Gesetz so nicht verabschiedet wird", sagte Ariadne Sartorius vom bvvp, die die Petition im Deutschen Bundestag einreichte, laut einer Mitteilung.

Auch bayerischer Verband opponiert

Auch die Psychotherapeutenkammer Bayern will den Passus gestrichen sehen. "Denn dadurch werden neue Engpässe für psychisch kranke Menschen geschaffen", sagte Präsident Nikolaus Melcop gegenüber BR24.

Die Kammer bestätigt außerdem den Vorwurf, der im kursierenden Kettenbrief erhoben wird, dass die Verbände zu spät von der geplanten Ergänzung erfahren hätten.

"Sowohl die PTK Bayern als auch die Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK) haben über den Passus § 92 Abs. 6a SGB V im TSVG erst im vorgelegten Kabinettsentwurf erfahren", sagte Melcop. "Eine vorherige Stellungnahme oder Beratung dazu war nicht möglich." Die PTK Bayern habe danach das bayerische Gesundheitsministerium um eine Stellungnahme gebeten.

Ministerin Melanie Huml (CSU) setzte sich dann im Gesundheitsausschuss im Bundesrat dafür ein, dass der Abschnitt aus dem Entwurf ihres Unionskollegen gestrichen wird.

Bundesrat lehnt den Abschnitt ebenfalls ab

In der Stellungnahme des Bundesrats zum Entwurf findet sich die Kritik der Therapeuten auch wieder.

"Mit der vorgesehenen Regelung besteht die Gefahr, dass zusätzliche Hürden für psychisch kranke Menschen aufgebaut werden und dadurch der Zugang zur Psychotherapie eher noch erschwert wird", heißt es darin.

Die vom Ministerium vorgeschlagene Änderung von §92 des Fünften Buchs im Sozialgesetzbuch könne dazu führen, dass Patienten mit psychischen Erkrankungen insbesondere in ländlichen Regionen längere Versorgungswege zugemutet würden und der Zugang zur Versorgung für diese Patientengruppe damit nicht verbessert, sondern verschlechtert werde.

Der Bundesrat führt außerdem weitere Argumente auf, die sich mit dem Inhalt der Petition decken.

Das Gesundheitsministerium wollte zu der Petition keine Stellung nehmen. Die Frage, was das Ministerium auf den Vorwurf entgegne, zusätzliche Hürden zu schaffen, beantwortete es gegenüber BR24 ebenfalls nicht. Eine Gegenäußerung zur Stellungnahme des Bundesrates werde aktuell vorbereitet und erreiche vor der ersten Lesung das Kabinett, sagte ein Sprecher.

Fazit

Therapeutenverbände, rund 90.000 Unterzeichner einer Petition, die bayerische Gesundheitsministerin und der Bundesrat: Sie alle sind gegen einen umstrittenen Abschnitt in Spahns Gesetzentwurf. Die Befürchtung: Für psychisch Kranke könnte die Versorgung komplizierter werden.

Spahns Ministerium hat eine Antwort angekündigt - will vor der 1. Lesung im Bundestag aber nichts Genaues dazu sagen.