Annalena Baerbock beim Klimadialog
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Als "größte Sicherheitsherausforderung unserer Zeit" bezeichnete Annalena Baerbock die Klimakrise beim Petersberger Klimadialog.

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Klimadialog: Milliarden-Zusage für arme Länder in Reichweite

Wie lässt sich das 1,5-Grad-Ziel doch noch erreichen? Der Klimadialog bringt neue Vorschläge und Forderungen - und eine gute Nachricht: Die versprochene Klima-Finanz-Zusage der Industrieländer für ärmere Länder könnte 2023 erstmals erreicht werden.

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Erstmals wird das Milliarden-Versprechen wohl eingelöst werden: Reichere Industrieländer werden die Summe zur finanziellen Unterstützung ärmerer Staaten beim Klimaschutz wohl in diesem Jahr einhalten. "Die gute Nachricht ist: So wie es jetzt aussieht, sind wir auf einem Weg, dass wir dieses Jahr endlich die Summe von 100 Milliarden US-Dollar erreichen können", sagte Außenministerin Annalena Baerbock beim Petersberger Klimadialog in Berlin.

Der Petersberger Klimadialog ist 2010 auf Anregung der damaligen Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) als informelle Runde ins Leben gerufen worden, nachdem ein Jahr zuvor bei einer UN-Klimakonferenz in Kopenhagen Verhandlungen für ein weltweites Klimaabkommen vorerst gescheitert waren. Der Name geht auf den Ort des ersten Treffens zurück, den Petersberg bei Bonn.

Versprochene Hilfen für ärmere Länder: Massive private Mittel nötig

2009 hatten die Industrieländer in Kopenhagen versprochen, bis zum Jahr 2020 jährlich 100 Milliarden US-Dollar aus öffentlichen und privaten Quellen für Klimaschutz in Entwicklungsländern zu mobilisieren, was bisher nicht gelang. Deutschland habe bereits zugesagt, den eigenen Beitrag zur internationalen Klimafinanzierung auf mindestens sechs Milliarden Euro zu erhöhen, sagte Baerbock.

Es brauche aber auch massive private Mittel, weshalb sich Deutschland gemeinsam mit den USA für Reformen beim Internationalen Währungsfonds (IWF) und der Weltbank einsetze. Bundesentwicklungsministerin Svenja Schulze (SPD) bekannte sich laut Redemanuskript zu dem 100-Milliarden-Dollar-Ziel. Ein wichtiger Schritt dahin sei die zweite Auffüllung des Grünen Klimafonds, sagte sie.

Derzeit wohl Erwärmung von fast drei Grad: 1,5-Grad-Ziel noch erreichbar?

Baerbock betonte die existenzbedrohenden Auswirkungen des Klimawandels auf manche Länder und erklärte: "Für uns alle ist diese Krise die größte Sicherheitsherausforderung unserer Zeit." Beim Klimadialog in Berlin bereiten Vertreter von mehr als 40 Staaten die Weltklimakonferenz vor, die am Jahresende in Dubai stattfinden wird. Einig waren sich die Rednerinnen und Redner, dass es im Kampf gegen den Klimawandel viel zu langsam vorangeht. Das Ziel, die Erderwärmung auf 1,5 Grad im Vergleich zur vorindustriellen Zeit zu begrenzen, gilt angesichts der bisherigen Klimaschutzbemühungen als zunehmend unrealistisch.

Aktuell steuert die Welt auf eine Erderwärmung um fast drei Grad Celsius zu. Mit dem massiven Ausbau erneuerbarer Energien, insbesondere auch in Afrika, könne der 1,5-Grad-Pfad doch noch erreicht werden, "der unsere Lebensversicherung als Weltgemeinschaft ist", sagte Baerbock. Sie betonte, dass der Energiesektor mehr als 40 Prozent der weltweiten CO2-Emissionen verursache. Schätzungen zufolge müsse die Kapazität der erneuerbaren Energien verdreifacht werden, um die Erderwärmung auf 1,5 Grad Celsius zu begrenzen. "Es reicht nicht, zu beschreiben, dass wir unsere Ziele nicht einhalten. Wir müssen sagen, wie wir den Kurs ändern wollen."

Globales Erneuerbaren-Ziel: Baerbock macht neuen Vorschlag

Die Bundesregierung strebt für die diesjährige internationale Klimakonferenz in Dubai die Vereinbarung eines globalen Ziels für den Ausbau erneuerbarer Energien an. Zum Auftakt des Petersberger Klimadialogs sagte Baerbock, sie wolle die Debatte darüber eröffnen, ob bei der nächsten Weltklimakonferenz nicht ein "Erneuerbaren-Ziel" vereinbart werden könne.

Der designierte Präsident der Klimakonferenz in Dubai, Ahmed al-Dschaber, bekannte sich in Berlin zum rapiden Ausbau erneuerbarer Energien weltweit. "Wir werden die Umsetzung beschleunigen in Bereichen wie den Erneuerbaren, die ihre Kapazität bis 2030 verdreifachen müssen und bis 2040 noch einmal verdoppeln", sagte der Sultan. Man wolle kluge Regulierung zur Förderung von Wasserstoff unterstützen und die kommerzielle Speicherung von klimaschädlichem Kohlendioxid ermöglichen.

"Augenblick der Klarheit": Präsident der Klimakonferenz in Dubai fordert Bilanz

Gerade den ärmsten Ländern werde ein Umsteuern ohne finanzielle Unterstützung aber nicht gelingen, warnte Al-Dschaber. "Die ärmsten Länder machen mehr als die Hälfte der Weltbevölkerung aus, tragen aber nur 12 Prozent der globalen Emissionen bei, während 800 Millionen Menschen keinerlei Zugang zu Energie haben." Diese Menschen wollten und verdienten ein besseres Leben. "Wenn es der Welt nicht gelinge, diese Menschen im Sinne des Klimaschutzes finanziell zu unterstützen, hätten sie keine andere Wahl als sich in Richtung eines hohen CO2-Ausstoßes zu entwickeln. Es gibt sehr hohe Erwartungen und sehr wenig Vertrauen." Er forderte, dass reiche Staaten ihrer Verantwortung gegenüber armen Staaten gerecht werden müssten.

Bei der Konferenz in Dubai soll die Weltgemeinschaft eine Bilanz ihrer bisherigen Klimaschutzbemühungen ziehen und sie an den 2015 bei der Pariser Klimakonferenz vereinbarten Zielen messen. "Dies ist ein Augenblick der Klarheit, dem wir alle uns mit kompletter Ehrlichkeit stellen müssen", sagte Al-Dschaber. Al-Dschaber ist Industrieminister der Vereinigten Arabischen Emirate und zugleich Chef des staatlichen Ölkonzerns Adnoc, was Klimaschützer kritisieren. Er hat 2006 allerdings auch das staatliche Erneuerbare-Energien-Unternehmen Masdar mit Sitz in Abu Dhabi gegründet und geleitet, das Wind- und Solarprojekte in mehr als 40 Ländern mit angeschoben hat.

Greenpeace: Schon jetzt Verbot von Öl und Gas ankündigen

Der geschäftsführende Vorstand von Greenpeace Deutschland, Martin Kaiser, sagte, wenn Baerbock und Kanzler Olaf Scholz (SPD) der kommenden Klimakonferenz zum Erfolg verhelfen wollten, müssten sie schon jetzt klar sagen, dass dort die Verbrennung von Öl und Gas beendet werden müsse. "Ein Aufweichen dieser überfälligen Ankündigung durch den gastgebenden Golfstaat muss unbedingt verhindert werden, um im 1,5-Grad-Limit zu bleiben."

Die Klimaaktivistin Luisa Neubauer drängte die Teilnehmer beim Petersberger Dialog zum Handeln. "Verzögerung bedeutet heute nur eins: Zerstörung", sagte sie nach einem Transkript ihrer nicht öffentlich gehaltenen Rede, das 'Fridays for Future' zur Verfügung stellte. Einwänden, dass radikale Klimaschutzmaßnahmen nicht realistisch seien, hielt Neubauer demnach entgegen: "Es ist nicht realistisch, in friedlichen Demokratien zu leben, wenn Lebensunterhalte wegbrechen. Es ist nicht realistisch, dass sich Volkswirtschaften irgendwo entwickeln, wenn die Welt in Flammen steht."

Mit Informationen von dpa und epd

Interview mit Prof. Claudia Kemfert vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung zum Thema Klimadialog
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Interview mit Prof. Claudia Kemfert vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung zum Thema Klimadialog

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