Ein Arbeiter prüft einen Kaffeestrauch auf einer Plantage in Kolumbien (Archivbild)
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Ein Arbeiter prüft einen Kaffeestrauch auf einer Plantage in Kolumbien (Archivbild)

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Kaffee statt Koka: Kirche hilft Bauern weg von Drogen-Pflanze

Für Kleinbauern in Kolumbien ist es ein Teufelskreis: Der Anbau der Drogen-Pflanze Koka endet für sie immer wieder tödlich. Gleichzeitig ist es der einzige Weg aus der Armut. Das kirchliche Hilfswerk Misereor will dies ändern – mit Bio-Kaffee.

Über dieses Thema berichtet: Theo.Logik am .

Pablo Escobar machte Kolumbien in den 1980er- und 1990er-Jahren berüchtigt für den Drogenhandel. Auch heute bauen immer noch Tausende von Bauern in Kolumbien Koka an: Die Pflanze ist der Grundstoff, aus dem Kokain hergestellt wird. Zuletzt wurde in Kolumbien sogar noch mehr Koka angebaut als in den Jahren zuvor. Jungen Landwirte steigen ein, weil die Drogen-Pflanze schnelles Geld verspricht und als unkompliziert gilt.

Eine mögliche Alternative für die Koka-Bauern ist Bio-Kaffee. Beim Umstellen von Koka auf Kaffee helfen die Mitarbeiter der katholischen Landpastoral der Diözese Pasto. Sie werden mitfinanziert von deutschen Spenderinnen und Spendern des Hilfswerks Misereor, das in seiner diesjährigen Fastenaktion das Projekt in den Mittelpunkt stellt.

"Kaffee ist ein wichtiges Produkt für die Familien"

Rafael Jurado ist Mitarbeiter der "pastoral social", der Landpastoral der Diözese Pasto im Südwesten Kolumbiens. Seine Aufgabe ist es, Kleinbauern zu beraten. So besucht er seit Jahren den kleinen Hof von Maria Cecilia Jimenez, die mit ihrem Mann, ihrer Tochter und ihren zwei Enkelkindern in einem Lehmhaus mit Wellblechdach an einem steilen Hang auf 1.900 Metern Höhe wohnt.

Rafael Jurado und die 66-jährige Bäuerin begutachten die Kaffeesträucher am Hang vor dem Haus. Zwischen den grünen Arabica-Bohnen leuchten manche schon in Rot – müssen bald geerntet werden. "Der Kaffee ist ein wichtiges Produkt für die Familien, er gibt ihnen zusätzliche Einnahmen, mit denen sie beispielsweise ihr Haus verbessern, etwas für ihre Gesundheit kaufen oder das Studium der Kinder finanzieren können", erklärt Jurado. "Der Kaffee ist daher sehr wichtig."

Die Vision: Nachhaltige Bewirtschaftung in erster Linie für den Eigenkonsum

Die Familie von Maria Cecilia ist eine von 500, die im Rahmen des kirchlichen Programms von der Landpastoral beraten wurden. Etwa, was sie auf ihren zweieinhalb Hektar nachhaltig und gesund anbauen können. Dazu wird das gesamte Grundstück analysiert – was wächst hier, wie kann Regenwasser aufgefangen und gespeichert werden, welche Tiere braucht es, um eigenen Biodünger herzustellen.

Maria Cecilia öffnet die Tür zu einem Stall, darin quieken zufrieden mehr als 300 Meerschweinchen. Ihr Mist wird auf einem Kompost zu Biodünger, der den Boden fruchtbar macht. Die Vision: eine nachhaltige Bewirtschaftung in erster Linie für den Eigenkonsum der Familie und der Nachbarschaft. "Die Beratung hat uns enorm geholfen", sagt Maria Cecilia. "Die Sozialpastoral hat uns neun junge Meerschweinchen gegeben und sieh dir an, wie viele wir jetzt haben …"

Gegend im Süden Kolumbiens heiß umkämpft

Das Leben in den Anden scheint friedlich und ruhig, doch in Wahrheit ist die Gegend im Süden Kolumbiens an der Grenze zu Ecuador heiß umkämpft. Bewaffnete Gruppen liefern sich seit Jahrzehnten einen tödlichen Kampf um die Vorherrschaft in der Provinz Nariño, denn: In den entlegenen Tälern wird Koka angebaut. Die Basis für Kokain, das teuer in den USA und Europa verkauft wird.

Maria Cecilia musste 2001 am eigenen Leib erfahren, wie grausam der interne Konflikt in Kolumbien wütete: "Sie haben meinen eigenen Sohn getötet. Er war 22 Jahre alt und wurde ermordet. Er war Sicherheitsmann in der Provinzstadt Pasto und hat eine Straße bewacht. Und wurde dort nachts erschossen, am nächsten Morgen haben sie ihn gefunden."

Wer ihren Sohn umgebracht hat und weshalb, das weiß die 66-Jährige bis heute nicht. Der Verlust hat sie schwer getroffen. Sie erlitt einen Schlaganfall, ihr Mann verfiel in Depressionen. Die Familie floh damals von der Finca, kam erst sechs Jahre später zurück. Von Koka will sie nichts wissen.

Koka-Anbau ist in Kolumbien illegal

Manche Bauern in der Region aber leben noch immer von der Pflanze, sagt Rafael Jurado, obwohl der Koka-Anbau gefährlich sei. "Da treten dann weitere Akteure auf: Zwischenhändler, Drogenbarone. Die Bauern werden unter Druck gesetzt von bewaffneten Gruppen. Sie können sogar in tödliche Auseinandersetzungen geraten."

Es ist nicht einfach, mit Koka-Bauern zu sprechen. Der Anbau in Kolumbien ist illegal und steht offiziell unter Strafe. In den vergangenen Jahren ging der Staat verstärkt gegen Drogen-Labore vor, aber nicht gegen Kleinbauern, die Koka pflanzen.

Andres Melo aus Guitara erklärt sich bereit, seine Koka-Plantage zu zeigen. Andres ist mit dem örtlichen Pfarrer befreundet. Er und sein Bruder pflanzen Koka auf drei Hektar. Schon seine Eltern haben von der Drogen-Pflanze gelebt, erzählt der 43-Jährige: "Dank dieser Pflanzen kann ich meine Tochter auf die Universität schicken, wir konnten das damals nicht. Sie studiert im dritten Semester Kommunikationswissenschaften. Für uns ging damit ein Traum in Erfüllung."

Koka-Bauern stecken in einem Dilemma

Andres hat noch einen zwölfjährigen Sohn. Der Koka-Bauer ist in einem Dilemma: Er weiß um die dunkle Seite seiner Pflanze: "Es ist kompliziert, wir hoffen immer, dass meiner Familie und mir wegen der Koka-Pflanzen nichts zustößt." Mehrere Koka-Bauern in seinem Bekanntenkreis mussten wegen Streitereien mit ihrem Leben bezahlen. Darum will Andres eigentlich umschwenken. Aktuell sieht er aber wenig Alternativen, die ihm ein gutes Auskommen sichern.

Seine Vision: eines Tages Kakao, Zitronen oder Bananen statt Koka anzubauen. Von der Höhe und der Bodenbeschaffenheit wäre das möglich, jedoch: "Immer wenn es zur Ernte kommt, beispielsweise von der Zitrone, kauft uns keiner die Zitronen ab, genauso bei den Bananen – also haben wir am Ende doch wieder Koka gesät."

Hier in den Andendörfern kommen staatliche Programme und Mittel nur spärlich an. Den Koka-Bauern fehlen ein klarer Weg und Geld, damit sie auf die gefährliche Pflanze endgültig verzichten. Dabei ist in Kolumbien allen klar, wie viel Leid und Tod das Drogengeschäft mit sich gebracht hat und noch immer bringt.

Bewaffnete Gruppe bedrohen, vertreiben und töten Koka-Bauern

Derzeit soll es allein in Nariño 16 bewaffnete Gruppierungen geben. Mit der Guerrillagruppe ELN verhandelt die kolumbianische Regierung seit bald acht Jahren über einen Friedensvertrag. Daneben gibt es paramilitärische Einheiten, Splittergruppen der früheren FARC-Rebellen und mexikanische Drogenbarone des Kartells von Sinaloa, die um den Markt mit Kokain kämpfen.

Immer wieder wurden Phasen von Frieden zerstört durch neue bewaffnete Gruppen, die vor allem kleine Koka-Bauern auf dem Land bedrohten, sie vertrieben oder töteten, sagt Rafael Jurado von der Landpastoral. Und doch kann in seinen Augen das Beratungsprogramm für die Kleinbauern etwas bewirken: Bei regionalen Treffen kommen sie zusammen und tauschen sich aus über ihren Anbau.

"Geld aus Kaffee-Verkauf gibt Familie Würde"

Gegen Gewalt und Tod, für Gesundheit und Frieden – das steht im Mittelpunkt der Landpastoral in Kolumbien, sagt Rafael Jurado. Mit jeder neuen Ortsgruppe der "pastoral social" werde dieser Gedanke weitergetragen, das Hilfswerk Misereor stellt die Arbeit dieses Jahr in Deutschland in vielen Pfarreien, Schulen und Vereinen vor unter dem Motto "Interessiert mich die Bohne".

Und eines erwähnt der Mitarbeiter der Landpastoral immer wieder: Auch die meisten Bauern wollten dem Kreislauf der Gewalt den Garaus machen. "Das Geld, das mit dem Kaffee verdient wird, gibt der Familie Würde. Geld, das vom Koka-Anbau kommt, richtet sich letztlich gegen die Familie, da es verboten ist und auch über andere Familien Unheil bringt, wenn Jugendliche oder junge Erwachsene von der Droge süchtig werden."

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